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philosophie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Freud

Empirismus

Das anwendungsproblem



Der Grund der Anwendbarkeit der Mathematik auf reale Verhältnisse stelle ein äußerst tief liegendes Problem dar, dessen Schwierigkeiten auf allgemein erkenntnistheoretischem Boden liegen.

Felix Klein (1849-1925)

Die Mathematik wirkt "attraktiv", weil sie als Modellfall scheint. Am Beispiel der Mathematik hofften die Philosophen tieferen Einblick in die Struktur, die Mittel und Voraussetzungen von Erkenntnis überhaupt zu gewinnen (sofern man ihr erfahrungsunabhängige, "apriorische" Geltung zuschrieb). Der Grund ist die hohe "Evidenz" mathematischer Aussagen, ebenso die Zuverlässigkeit ihrer empirischen Anwendungen.
Worin bestehen nun diese empirischen Anwendungen?
In der Antike (und schon in vorgriechischen Zeiten) wird man wohl an Längenberechnungen denken, wie z.B. Pythagoras als er die Höhe einer Pyramide aus der Länge ihres Schattens berechnete, oder an die Berechnungen des Eratosthenes. In der Neuzeit denkt man vor allem an die Ingenieurskunst und die Naturwissenschaften, die die Mathematik oft heranziehen, besonders in der Mechanik, der "mathematischen Physik". Heute verfolgen wir eine "Mathematisierung unserer Welt" - man denke nur an die Entwicklung elektronischer Großrechenmaschinen, die ja auf formale Sprachen basieren - die ohne den analytischen und theoretischen Beitrag der Mathematik zu den anderen Wissenschaften nicht möglich wäre. Jedoch sind diese unbestrittenen Erfolge zunächst nur Indiz der Zuverlässigkeit mathematischer Sätze, liefern jedoch keine Erklärung dafür und erlauben auch keinen Rückschluss auf das Zustandekommen und die Beschaffenheit mathematischer Erkenntnis oder apriorischer Erkenntnis überhaupt.
Es gilt zwischen "Anwendungen der Mathematik in der Mathematik" und Anwendungen der Mathematik in den Naturwissenschaften, wie Physik oder Biologie, zu unterscheiden: Diese bezeichnet man als reine, jene als angewandte Mathematik. Reine Mathematik stellt den Anspruch die edelste und reinste Form des Denkens darzustellen, da sie aus der reinen Vernunft hervorgeht, kaum der Außenwelt bedarf und ihr deshalb auch nichts schuldig ist. Dieser Zweig, der darauf verweist das Anwendungen etwas Hässliches an sich haben ("der Geist steht über dem Fleisch") wird auch Hardyismus bezeichnet:

"Ich habe nie etwas gemacht, das gewesen wäre. Für das Wohlbefinden der Welt hatte keine meiner Entdeckungen je die geringste Bedeutung, und daran wird sich vermutlich auch nichts ändern. (..) Nach allen praktischen Maßstäben ist der Wert meines mathematischen Lebens gleich Null, und außerhalb der Mathematik ist es ohnehin trivial.(...) Was man für mich und jeden Mathematiker wie mich vorbringen kann, ist das folgende: ich habe etwas zur Erkenntnis beigetragen, und dieses Etwas hat einen Wert, der sich nur in seinem Umfang, nicht aber in der Art von dem unterscheidet, was die großen Mathematiker oder andere, bedeutende und unbedeutende Künstler geschaffen haben, die etwas, das an sie erinnert hinterließen."
Godfrey Harold Hardy (1877-1947)

Der Nutzen muss somit hinter der Eleganz und der Tiefe zurückstehen. In der angewandten Mathematik steht der Nutzen im Vordergrund. Es ist in vielerlei Hinsicht schwieriger auf diese Art zu arbeiten, da die Fakten zahlreicher und weniger scharf umrissen , die Präzision und ästhetische Ausgewogenheit der reinen Mathematik unerreichbar sind. Die Mathematik gilt hier eher als Metatheorie (z.B. Optimierungs- und Wahrscheinlichkeitstheorie), als stark strukturierte Sprache, die in die vorliegende Datenvielfalt Ordnung bringen soll - ohne jede Rücksicht auf einheitliche mathematische Begriffbildung, axiomatische Erfassung oder gar Fragen der formalen Widerspruchsfreiheit. Auf diese Weise haben heute nahezu alle Teildisziplinen "Anwendungen" gefunden wodurch sich die in der Wissenschaftssystematik tradierte und institutionalisierte Trennung zwischen reiner und angewandter Mathematik als überholt darstellt. Diese Feststellung hat logischerweise auch große Auswirkung auf die Philosophie der Mathematik, verändert sich doch das bild der Mathematik, da es seine Umrisse "verschwimmen" lässt.
Doch zurück zur oben gestellten Frage oder anders (Albert Einstein):

Wie ist es möglich, dass die Mathematik, die doch ein von aller Erfahrung unabhängiges Produkt des menschlichen Denkens ist, auf die Gegenstände so vortrefflich passt? Kann denn die menschliche Vernunft ohne Erfahrung durch bloßes Denken Eigenschaften der wirklichen Dinge ergründen?

Einstein selbst gab die vielzitierte Antwort:

Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit

Die verschiedenen philosophischen Richtungen geben hier verschiedene Antworten. Für die Vertreter "empiristischer" oder "materialistischer" Standpunkte gibt es keinerlei Grund zur Verwunderung: Wir haben die Mathematik ja aus der Wirklichkeit, folglich "gehorcht" sie dieser auch (wie die Physik)."So weit Mathematik empirisch fundiert ist, ist sie auch empirisch anwendbar.", oder "Mathematik ist anwendbar auf Wirklichkeit, weil sie sich von vornherein nach der Wirklichkeit richtet". Erst bei intermathematischen Prozessen kommen Schritte anderer Art hinzu (Definitionen, Deduktionen,...).Für diese müsste aber erst gezeigt werden, dass sie empirisch anwendbar sind. Dem empirischen Ansatz von z.B. John Stuart Mill (vgl. unten) würde dieser Nachweis grobe Probleme bereiten. Zudem tritt das Problem für Standpunkte auf, die Mathematik als apriorische Wissenschaft betrachten. Ihre Formulierung müsste analog zur obigen lauten: "Mathematik ist anwendbar auf Wirklichkeit, weil sich die Wirklichkeit von vornherein nach der Mathematik richtet." Besser ließe sich dieser platonische Standpunkte wie folgt formulieren:

Mathematik ist anwendbar auf Wirklichkeit, weil sich Mathematik und Wirklichkeit beide nach den gleichen "Gesetzen" richten.

Nun stellt sich aber die Frage was diese "Gesetze" sind, worauf Kant und in jüngerer Zeit die Neukantianer Antworten gaben (kritizistischer Ansatz): Mathematische Erkenntnis sei zweifellos synthetisch (da unsere Intuitionen von Raum und Zeit inhärente Eigenschaften des menschlichen Geistes sind). Diese Geltung mathematischer Sätze wird von der "transzendentalen Ästhetik", der Wissenschaft von der Möglichkeit von Sinneserkenntnis überhaupt, beleuchtet. Im Mittelpunkt steht die sogenannte "reine Anschauung", die das an den empirischen Anschauungen umfassen soll, was nicht Empfindung ist, sondern die Form der Verknüpfungen unserer Empfindungen zu Wahrnehmung, somit die Ordnungsform des überhaupt \"Gegebenen\". Diese Formen, in die eingepasst jede uns mögliche empirische Anschauung überhaupt erst vorkommen kann, sind Räumlichkeit und Zeitlichkeit, wir können sie als "reine Anschauung" vor dem Eintreffen von Empfindungen untersuchen. Unsere Erkenntnis der Zeit wird in der Arithmetik systematisiert, welche auf der Intuition des Aufeinanderfolgens basiert. Unsere Erkenntnis des Raumes wird in der Geometrie systematisiert. Räumlichkeit und Zeitlichkeit wird weiters durch eine "Notwendigkeit des Verbundenseins" mit den Erscheinungen charakterisiert: "Wir können uns zwar graue und nicht-graue Elefanten vorstellen, nicht aber räumliche und nicht-räumliche." (Körner 1955,22). Somit haben Räumlichkeit und Zeitlichkeit objektive Gültigkeit, die Wirklichkeit unterliegt also den gleichen Ordnungsprinzipien wie die Mathematik (die sich unter Absehen von aller Empirie nur mit der reinen Anschauung befasst). Die meisten anderen Philosophen und Mathematiker entscheiden sich jedoch für einen analytischen Charakter der Mathematik, da z.B. die Feststellung "die Gerade ist die kürzeste Verbindung zweier Punkte" eher analytisch anmutet (es wird nur behauptet, was im Subjektsbegriff bereits steckt). In der "neueren" Literatur findet man noch die Auffassung des "Neo-Positivismus" oder "logischen Empirismus", vertreten durch die Mitglieder des sog Wiener Kreises: Sie lehnen das Problem in der gestellten Form überhaupt ab, da sie Mathematik als ein System von Zeichen mit ausschließlich syntaktischen(d.h. zwischen den Zeichen selbst bestehenden) Beziehungen auffassen und somit behaupten: der Anwendungsbereich der Mathematik sei nur das Zeichensystem der Sprache. Warum sich manche Zeichensysteme wunderbar auf Gegenstände und Beziehungen der Wirklichkeit anwenden lassen (und andere nicht) wird nicht geklärt, die Frage ist also nur an eine andere Stelle verschoben. Nach Bertrand Russel (1872-1970) ist Mathematik genauso weit auf die Erfahrungswelt anwendbar, als diese mit den Beziehungen zwischen den Formeln isomorph (strukturgleich) ist. Man setzt also einfach "empirische" Konstanten anstelle von Variablen und versichert sich ob diese gedeuteten Formeln erfüllt sind. Wieder bleibt die Frage wie diese Strukturgleichheit überhaupt möglich ist. Viktor Kraft (1880-1975), ein Vertreter des Wiener Kreises, wollte den Stanpunkt des logischen Empirismus verbessern:

Damit es möglich wird, eine Sprache zur Darstellung der Welt anzuwenden, müssen Ähnlichkeiten in der Welt bestehen. Wenn jedes Objekt oder Ereignis gerade nur einmal auftritt, hätte es nicht einmal einen Sinn, ihnen Namen zu geben, weil diese nicht wieder verwendbar wären. In dem darzustellenden Material muss also Allgemeines, mindestens Klassen, herzustellen sein. Das ist die Bedingung auch schon für die Anwendbarkeit einer Sprache.

Es muss also Ordnung und Gesetzmäßigkeit in der Wirklichkeit geben.
Dennoch scheint das Anwendungsproblem in der gegenwärtigen Philosophie von einer Lösung weit entfernt.

 
 

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