In der Regel wird das katodisch gepolte Bearbeitungswerkzeug (Werkzeug-elektrode) mit konstanter Vorschubgeschwindigkeit in das anodisch gepolte Werkstück (Werkstückelektrode) eingesentk. Zwischen Werkstück und Werkzeug bildet sich prozeßbedingt ein Arbeitspalt aus, durch den die Elektrolytlösung mit hoher Geschwindigkeit strömt und dabei die im Arbeitsspalt entstehenden Abtrag-produkte sowie durch den Stromfluß entstehende Joulesche Wärme abführt.
Zwischen Werkzeug und Werkstück bildet sich verfahrensbedingt ein Spalt aus, so daß streng genommen nicht von einer direkten Abbildung des Werkzeuges im Werkstück gesprochen werden kann. Vielmehr unterschiedet sich die Werkstück-geometrie von der Werkzeuggeometrie um den Betrag des Arbeitsspalts. Zur Her-stellung eines maßgenauen Werkstücks muß deshalb das Werkzeug um diesen betrag berichtigt werden; dies setzt die Kenntnis der Spaltausbildung voraus.
In erster Näherung kann die Spaltausbildung mit Hilfe des Ohmschen und des Faradayschen Gesetzes berechnet werden.(Bild4-4)
Der Spannungsabfall in der Elektrolytlösung Uel berechnet sich zu
wobei der Widerstand der Elektrolytlösung R von der spezifischen Leitfähigkeit der Spaltweite s und der Elektrodenfläche A abhängig ist.
Berücksichtigt man, daß die Stromdichte J
ist, so ergibt sich für die Spaltweite s
Die anzulegende Arbeitsspannung U setzt sich aus dem Spannungsabfall in der Elektrolytlösung Uel und der anodischen (UpolAn) sowie der kathodischen (UpolKa) Polarisationsspannung zusammen:
Das aufgelöste Materialvolumen V kann aus der Abtraggeschwindigkeit vA, der Elektrodenfläche A und der Bearbeitungszeit t berechnet werden:
Nach dem Faradayschen Gesetz ist dieses Volumen von dem spezifischen Abtragvolumen Vsp abhängig:
Durch Kombination dieser Gleichungen erhält man unter Berücksichtigung der Stromdichte J die Abbtraggeschwindigkeit vA:
Im Falle stationärer Senkbedingungen ist die Abtraggeschwindigkeit vA gleich der Vorschubgeschwindigkeit vf.
Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge berechnet sich die Spaltweite nun folgendermaßen:
Die Spaltweite s ist damit von den Einstellparametern Arbeitspannung U und Vorschubgeschwindigkeit vf sei den werkstoffspezifischen Kenngrößen spezi-fisches Abtragvolumen Vsp und Polarisationsspannung DU abhängig. Außerdem ist sie direkt proporional zur spezifischen Leitfähigkeit k des Elektrolyten, welche von dessen Zusammensetzung, Konzentration und Temperatur bestimmt wird. Darüber hinaus ergibt sich, daß die Spaltweite s und die Stromdichte j umgekehrt proportional sind:
Entsprechend dem Zusammenhang zwischen der Abtraggeschwindigkeit vA und der Stromdichte J bedingen unterschiedlich vorgegebene Vorschubgeschwindig-keiten vf unterschieldiche Stromdichten J. Daraus entstehen wiederum unterschiedliche Spaltenweiten s.(Bild 4-5)
Die Abtraggeschwindigkeit vA läßt sich direkt aus der Vorschubgeschwindigkeit vf der Werkzeugelektrode schon während des elektrochemischen Bearbeitungs-prozesses ablesen. Prozeßbedingt wird sich bereits nach kurzer Zeit ein stationärer Gleichgewichtszustand einstellen, bei dem sich ein konstanter Arbeitsspalt s mit einer konstanten Stromdichte J boldet . Stationäre Bedingunge werden damit während der Bearbeitung an der Konstanz der Stromdichte erkannt. Die Abtraggeschwindigkeit entspricht dann der bekannten vorgegebenen Vorschubgeschwindigkeit und sit somit erfa´bar.
Unter Polarisationsspannung DU wird der Spannungsabfall an den Phasengrenzen Elektroden/Elektrolytlösung verstanden. Wird die Spaltweite s in Abhängigkeit von der an die Elektroden angelegten Arbeitsspannung U für unterschiedliche Leitfähigkeiten k oder auch Vorschubgeschwindigkeiten vf gemessen, ergeben sich Geraden, die nicht durch den Koordiantenursprung laufen, sondern die Aszisse um den Betrag der Polarisationsspannung DU versetzt schneiden.
Dies bedeutet, daß sich erst dann eine endliche Spaltweite s ausbilden kann, wenn zwischen den Elektroden eine Spannung angelegt wird, die größer als die Polarisationsspannung DU ist.
Beim Einsenken von Raumformen wird die Spaltausbildung von einer weiteren Variablen, und zwar vom Neigungswinkel der Werkstückkontur, bestimmt.(bild 4-6)
Wie aus obigem Bild zu entnehmen ist, änder sich die Normalkomponente der Abtraggeschwindigkeit mit dem Sinus des Konturneigungswinkels a. Setzt man diese Normalkomponente an Stelle der Vorschubgeschwindigkeit vf in die Gleichung für die Spaltweite s ein, so ergibt sich ein um so größerer Spalt, je steiler die Kontur ist.
Bei zylindrischen Formen oder Durchbrüchen (zweidimensionale Geometrie) ist eine Korrektur der Werkzeugelektrode verhältnismäßig einfach, da sich hier bei der Isolierung der Werkzeugseitenwände ein nahezu konstanter Seitenspalt ausbildet. Die Werkzeugkorrektur erreicht man dabei durch eine allseitige Verkleinerung um den Betrag des Seitenspalts, der in empirischen Untersuchungen in Abhängigkeit von den Bearbeitungsbedingungen und der Werkzeuggeometrie bestimmt wird. Je nach Korrekturaufwand sind Genauigkeiten von bis zu 0,01mm erreichbar.
Bei dreidimensionalen Raumformen ist eine Werkzeugkorrektur nicht mehr so einfach auszuführen, weil der Korrekturbetrag aufgrund der unterschiedlichen Spaltausbildungen entlang der Kontur varriert. Wenn die Werkstückgeometrie nur flache Konturen aufweist, kann jedoch auch schon die verhältnismäßig einfache Korrektur um einen allseitig konstanten Betrag zur Erzielung einer vergleichs-weise guten Genauigkeit ausreichend sein. Wie aus obigem Bild entnommen werden kann, verringert sich die Spaltaufweitung um so mehr, je größer man die Vorschubgeschwindigkeit wählt. Bei komplizierteren Geometrien besteht jedoch bis heute nur die Möglichkeit, die Werkzeugkontur durch Versuche so lange zu berichtigen, bis eine ausreichende Genauigkeit erreicht ist. Das Verfahren ist sehr zeitaufwendig und macht die Raumformbearbeitung oft unwirtschaftlich.
Bei Verwendung von passivierenden Elektrolytsystemen laufen die abtragunwirksamen Reaktionen bevorzugt in unteren Stromdichtebereichen ab. Entsprechend dem zwischen der Spaltweite s und Stromdichte J bestehenden Zusammenhang wird aber damit im Bereich großer Arbeitsspalte - wie sie bei der Herstellung von Raumformen im Normal- und Seitenspaltbereich vor-liegen - der Wirkungsgrad der Metallauflösung verringert. Diese Tatsache bewirkt den erwünschten Effekt der Begrenzung der Spalaufweitung, da ein Abtrag nur dann stattfinden kann, wenn eine bestimmte Mindeststromdichte Jmin überschritten ist. Die Verwendung passivierender Elektrolytlösungen gewinnt insbesondere bei der Herstellung steiler Raumformen entscheidende Bedeutung, da die durch den elektrochemischen Porzeß begrenzte Spaltaufweitung eine nahezu konstante Spaltausbildung auch bei steilen Konturen gewährleistet.
Im Hinblcik auf die Formgenauigkeit lassen sich aus dem vA-J-Diagramm (siehe unten) weitere nützliche Erkenntnisse zur Erzielung eines gewünschten Arbeits-ergebnisses herleiten. Wird die Vorschubgeschwindigkeit vf so gewählt, daß der kleinste Spalt nahezu so groß wird wie der größtmögliche Spalt, ist eine nahezu konstante Spaltausbildung erreichbar. Der Unterschied der Spaltweiten wird dabei um so kleiner, je langsamer man die Vorschubgeschwindigkeit wählt. Durch Verringern der Konzentration und Erhähen der Temperatur kann der Passivier-ungsgrad, der durch die Mindeststromdichte Jmin charkaterisert wird, so sehr erhöht werden, daß sich eine konstante Spaltausbildung auch bei höheren Vorschubgeschwindigkeiten erzielen läßt.
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