Aber warum kleben eigentlich Klebstoffe, bzw. worauf beruht Adhäsion? Nun, man weiß es nicht genau.
ABBILDUNG 2-1: AUFBAU EINER KLEBUNG ([2], S. 156, BILD 6.1)
Auf Grund der vielen verschiedenen physikalischen und chemischen Kräfte, die in Klebungen wirken, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Theorien. Folglich kann aber auch keine Theorie alle Aspekte umfassen, zumal die verschiedenen Ursachen der Adhäsion gegenseitig aufeinander Einfluß nehmen. Hinzu kommt, daß allen Theorien idealisierte Voraussetzungen zugrunde liegen. Andererseits liefern die Theorien zusammengefaßt durchaus Anhaltspunkte, welche Voraussetzungen überhaupt gegeben sein müssen, damit es zur Ausbildung von Adhäsion kommt, welche Kräfte dabei mitwirken und in welchen Größenbereichen sie auftreten.
Man unterscheidet drei Arten der Adhäsion: die spezifische Adhäsion, die mechanische Adhäsion und die Auto(ad)häsion.
Wie ein Klebung schematisch aussieht, zeigt Abbildung 2-1.
2.1 Spezifische Adhäsion
Die spezifische Adhäsion beruht auf Haupt- (also homöo-, hetero-, und halbpolare sowie metallische Bindungen) und Nebenvalenzbindungen (d.h. elektrostatische und Dipol-Wechselwirkungen ferner Dispersionskräfte). Der Wirkungsbereich dieser Bindungskräfte liegt bei ca. 0,2-1,0 nm. ([2], S. 165, Z. 14, 15)
Erscheinungen, die an den Grenzflächen heterogener Systeme auftreten, werden durch die Adsorptionstheorie beschrieben, chemische Wechselwirkungen werden mit der Chemisorptionstheorie erklärt.
Ein Ansatz der Adsorptionstheorie geht vom Beispiel der Metallklebungen aus, an dem man sehen kann, daß u.a. zwischenmolekulare Kräfte der Adhäsion zugrunde liegen.
Die zwischenmolekularen Kräfte sind unterteilt in die van-der-Waals-Kräfte (Orientierungskräfte , Induktionskräfte und Dispersionskräfte ) und die Wasserstoffbrückenbindungen. Die Bedeutung der Polarität im Zusammenhang mit der Adhäsion konnte u.a. experimentell nachgewiesen werden, indem man durch den Einbau zusätzlicher polarer Gruppen (wie z.B. -OH oder -COOH) in die Klebstoffmoleküle eine größere Adhäsion erzielte.
Andererseits hat sich es gezeigt, daß in diesem Fall sowohl die Fügeteile als auch der Klebstoff im Grenzschichtbereich keine chemische Veränderungen erfahren, noch daß sich neue Verbindungen bilden. Heteropolaren Bindungen konnten nicht entstanden sein, da der stattfindende Energieumsatz zu gering war, um ein Ionengitter aus dem Metall und den Makromolekülen des Klebstoffs zu bilden. Homöopolare Bindungen wiederum konnten sich auf Grund der vorliegenden Elektronenkonfigurationen nicht ausbilden.
Die Adsorpion kann man auch mit der Thermodynamik erklären. Gemäß diesem Ansatz kommt die Adhäsion durch den Unterschied der Oberflächenenergien des Klebstoffes und des Fügeteils zustande. Dabei muß die spezifische Oberflächenenergie des Klebstoffes geringer als die des Fügeteils sein. Folglich sind Materialien um so leichter zu kleben, je höher ihre Oberflächenenergie ist. Materialien mit einer hohen Oberflächenenergie sind Metall, Holz und Papier. Andererseits ist es schwierig, Materialien zu kleben, die eine sehr geringe Oberflächenenergie haben, wie z.B. Polytetrafluorethylen. Dabei ist zu beobachten, daß die Anziehungskräfte zweier Materialien nicht wechselseitig austauschbar sind. So ist es bspw. sehr schwer, Polyethylen mit einem flüssigen Epoxidharz zu kleben, wohingegen die Klebwirkung von flüssigem Polyethylen bei festen Epoxidharzen sehr groß ist.
Die Praxis hat jedoch gezeigt, daß auch diese Theorie nicht frei von Widersprüchen ist.
Ein Schwachpunkt bei diesem Erklärungsansatz ist, daß man mit ihm keine festen Zahlenwerte für die Stärke einer Klebung errechnen kann.
Das große Problem bei diesem Ansatzes liegt in der Tatsache, daß die für thermodynamische Berechnungen erforderlichen Grundvoraussetzungen nicht gegeben sind, da zum einen der Abbindevorgang wegen der Chemisorption nicht reversibel ist, und zum anderen auf Grund der Diffusion keine klaren Phasengrenzen vorliegen.
Neben den Adsorptionskräften wirken bei bestimmten Fügeteilen und Klebstoffen auch chemische Bindungen. Man spricht hier von der Chemisorption. Sie kann experimentell durch die hohen Bindungsenergien nachgewiesen werden, sowie dadurch, daß die an der Klebung beteiligten Stoffe nicht völlig desorbierbar sind. Die hohen Festigkeistwerte der Grenzschicht lassen sich auch nur durch solche Bindungen erklären.
2.2 Mechanische Adhäsion
Die Theorie der mechanischen Adhäsion ist zweifellos die älteste. Sie wird hauptsächlich in Verbindung mit Holz und ähnlich rauhen Materialien verwendet. Man versteht unter mechanischer Adhäsion eine Art Verklammerung des gehärteten Klebstoffes mit der Oberfläche, in deren Poren oder Kapillaren der flüssige Klebstoff eingedrungen ist. Folglich ist nach dieser Theorie die Klebfestigkeit durch die Hinterschneidungen der Fügeteiloberfläche bestimmt. Beim Anwenden dieser Theorie muß man allerdings unterscheiden zwischen einer echten mechanischen Verklammerung und einer Vergrößerung der Oberfläche des Fügeteils auf Grund von Unebenheiten. Diese Unebenheiten führen nicht zu einer mechanischen Adhäsion sondern einer größeren Fläche zum Ausbilden von Kräften, auf denen die spezifische Adhäsion und die Autoadhäsion beruhen. Dabei ist der Übergang von der mechanischen Adhäsion zur Autoadhäsion fließend, da auch dann von einer mechanischen Verklammerung gesprochen werden kann, wenn es zu einem Diffusionsprozeß und somit zu einer Molekülverklammerung zwischen dem Klebstoff und der Fügeteiloberfläche kommt.
So ist es unbestritten, daß diese Art der Adhäsion existiert, wenn auch ihr Anteil an der Gesamtadhäsion gering ist.
2.3 Autoadhäsion / Diffusion
Polymere sind auf Grund der Autoadhäsion oft klebrig. Diese kann mit Hilfe der Diffusionstheorie erklärt werden. Nach dem ersten Fickschen Gesetz (auch wenn dieses Gesetz nur für hochverdünnte Lösungen gilt, was bei Klebstoffen eigentlich nicht der Fall ist) fördern eine längere Kontaktzeit und eine höhere Temperatur den Diffusionsvorgang, wohingegen ein größerer Teilchenradius sich negativ auswirkt. Genau dieses Verhalten konnte in der Praxis bei Diffusionsklebungen beobachtet werden, wobei der größere Teilchenradius im Zusammenhang mit Klebstoffen bedeutet, daß die Seitenketten größer und die Polymere höher verzweigt sind. Kurz gesagt: Je kleiner die Polymerketten, desto höher die Klebrigkeit.
Nach dieser Theorie wird die Stärke der Adhäsion durch die Anzahl der in beide Richtungen diffundierenden Moleküle und deren Eindringtiefe festgelegt. Erreicht die Eindringtiefe einen bestimmten Wert, werden die zwischenmolekularen Kräfte so groß, daß die Klebstoffmoleküle nicht mehr aus dem Fügeteil herausgezogen werden können. Folglich wäre dann die Haftkraft gleich der Kohäsion des Klebstoffes oder Fügeteils. Im Idealfall verschwindet die Grenzfläche völlig.
Die Voraussetzung für einen Diffusionsprozess, d.h. brownsche Bewegungen im submolekularen Bereich, wird dabei durch die Kettenstruktur der Polymere erfüllt.
Die Klebstoffmoleküle spielen wegen ihrer Beweglichkeit die entscheidende Rolle im Diffusionsvorgang. Ist der Klebstoff jedoch in Lösung, und ist das Material des Fügeteil ebenfalls darin löslich, diffundieren auch Moleküle des Fügeteils in die Klebschicht.
Diese Theorie ist z.B. auf Kunststoffklebungen anwendbar, bei Metallklebungen hingegen ist sie völlig sinnlos, da hier keine Molekülbewegungen stattfinden können.
2.4 Einflüsse auf die Adhäsion
Neben diesen Theorien werden noch verschiedene Spezialfälle in der Literatur behandelt.
ABBILDUNG 2-2: EINFLUß DER SEITENGRUPPEN AUF DIE SCHÄLFESTIGKEIT (IN ANLEHNUG AN [3], S. 129, ABB. 8)
Seitengruppen haben z.B. einen großen Einfluß auf die Adhäsion, wie aus Abbildung 2-2 erkennbar ist: Die Haftfestigkeit steigt mit zunehmender Größe der Seitengruppen, da große Seitengruppen die Polymerstruktur "auflockern", so daß einige Molekülbereiche beweglicher werden, und sich somit polare Klebstoffgruppen zur Oberfläche hin ausrichten können. Allerdings beeinflussen zu große Seitengruppen die Kohäsion negativ, da u.a. die Löslichkeit zunimmt und der Schmelzpunkt sinkt.
Weitere Faktoren sind die Oberflächenbeschaffenheit des Fügeteils, die Art der Belastung und Fehler in der Klebschicht, wie z.B. Lufteinschlüsse.
Im Zusammenhang mit der Oberflächenbeschaffenheit des Fügeteils ist auch die Viskosität des Klebstoffes von Interesse. Je geringer sie ist, desto gleichmäßiger kann das Fügeteil benetzt werden.
In enger Beziehung mit der Viskosität steht die Oberflächenspannung des Klebstoffes. Sie sollte möglichst gering sein, so daß selbst kleine Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche vom Klebstoff ausgefüllt werden. So ist einerseits die wirksame Oberfläche und infolgedessen die Adhäsion größer und andererseits werden Schwachstellen in der Klebung vermieden.
Daß trotz allem nie die ganze Oberfläche mit Klebstoff benetzt wird, zeigt die Erfahrung, daß Klebungen, die unter Druck durchgeführt werden, stets zu besseren Ergebnissen führen, gleich wie hoch der Druck war. Die Benetzung konnte also immer noch verbessert werden.
Auch der Oberflächenzustand ist von Bedeutung. Ein häufiges Problem ist, daß die Fügeteiloberfläche durch Oxidationsvorgänge verändert und so die Oberflächenaktivität des Fügeteils verringert wird.
Desweiteren müssen bestimmte Materialien wie z.B. inerte Kunststoffe vor der Verklebung behandelt werden. Durch Techniken wie Abflammen oder Ätzen entstehen reaktive Zentren oder polare Gruppen, die eine Chemisorption erst ermöglichen. Eine bedeutende Rolle spielen dabei auch Haftvermittler (siehe 6.4)
Es gibt also eine Vielzahl von Einflüssen auf die Adhäsion, die alle zusammen schwer faßbar sind.
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