Der dritte wesentliche Pfeiler der Union, der ebenso wie die GASP auf der Ebene der Regierungszusammenarbeit angesiedelt ist, ist die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (JI), für die es vor der Gründung der EU noch keinerlei formellen Rahmen gegeben hatte. Die JI wurde durch Titel VI des EU-Vertrages institutionalisiert. Ziel der JI ist die Schaffung "eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts", in dem für jeden Bürger der EU Sicherheit und Freizügigkeit gleichermaßen gewährleistet sein sollen. Verwirklicht werden soll dies in erster Linie durch die völlige Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen und durch den Ausbau der inneren Sicherheit, z. B. durch gemeinsame Verbrechensbekämpfung und die Verbesserung der Kontrolle an den Außengrenzen. Zugleich wird durch den Amsterdamer Vertrag das Schengener Abkommen zum Abbau der Binnengrenzen, das bisher nicht in die EU integriert war, in den institutionellen Rahmen der EU überführt.
Konkret umfasst die JI die Bereiche Asyl-, Visa- und Einwanderungspolitik, Kontrolle an den Außengrenzen, justitielle Zusammenarbeit in Straf- und Zivilsachen, polizeiliche Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus und des internationalen und organisierten Verbrechens. Während zunächst, d. h. seit dem Vertrag von Maastricht, die genannten Bereiche vollständig in die Zuständigkeit der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit fielen, wurden durch den Vertrag von Amsterdam verschiedene Bereiche dem vergemeinschafteten Sektor und den entsprechenden Gemeinschaftsorganen übertragen; auf der Ebene der Regierungszusammenarbeit verblieben die polizeiliche Zusammenarbeit und die justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen.
Die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres findet zu wesentlichen Teilen im Ministerrat statt: Hier konsultieren sich die Mitgliedsstaaten in Angelegenheiten der JI, und hier koordinieren sie ihre Zusammenarbeit. Als Instrumente stehen dem Rat der "gemeinsame Standpunkt", die "gemeinsame Maßnahme" und das "Übereinkommen" zur Verfügung und seit dem Vertrag von Amsterdam auch der "Rahmenbeschluss". Seine Entscheidungen muss der Rat einstimmig treffen, Durchführungsbestimmungen zu gemeinsamen Maßnahmen können auch mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Rahmenbeschlüsse entsprechen in etwa den EU-Richtlinien, d. h., sie sind für die Mitgliedsstaaten verbindlich. Durch den Vertrag von Amsterdam wurden die Befugnisse einiger Gemeinschaftsorgane hinsichtlich der JI deutlich gestärkt: Das Europäische Parlament hat bei allen Rahmenbeschlüssen, Übereinkommen und anderen Beschlüssen ein grundsätzliches Anhörungsrecht, und der Europäische Gerichtshof ist für die Überwachung der Auslegung der die JI betreffenden Vertragsbestimmungen zuständig. Der Kommission kommt nach wie vor neben den Mitgliedsstaaten ein Initiativrecht bei der Gesetzgebung zu, und sie wird generell an der JI beteiligt. Des Weiteren wurde Europol durch den Vertrag von Amsterdam mit erweiterten operativen Befugnissen ausgestattet.
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