Die empirische Sozialforschung muß bestimmten Kriterien der Wissenschaftlichkeit gerecht werden.
FOLIE AUFLEGEN !!!
Es genügt nicht, soziale Verhältnisse subjektiv zu beschreiben und die empirische Sozialforschung als Erlebnisberichte einzelner Menschen zu betrachten.
Selbstverständlich muß Objektivität angestrebt werden. Dieses Gütekriterium verlangt, daß empirische Verfahren unabhängig von den Personen, die sie durchführen, die gleichen Ergebnisse erbringen.
Das ist beispielsweise eher der Fall, wenn ein Fragebogen ausgefüllt wird, als wenn zwei sehr unterschiedlich wirkende Personen ( z. B. die eine autoritär und bestimmt redend; die andere leise und schüchtern) in einem Interview die selben Fragen stellen.
Die Objektivität einer Methode läßt sich überprüfen, indem man verschiedene Personen mit dieser Methode Daten zum selben Untersuchungsobjekt erheben läßt und die Ergebnisse vergleicht. Wenn keine oder nur sehr geringe Unterschiede in der Durchführung und Auswertung zwischen den einzelnen Personen bestehen, kann man die Methode als objektiv bezeichnen.
Die Objektivität eines Verfahrens kann gesteigert werden, indem man eindeutige und einander ausschließende Auswertungsgesichtspunkte formuliert und indem mehrere Personen voneinander unabhängig auswerten.
Ein weiteres Kriterium ist die Reliabilität, die Zuverlässigkeit. Jede Methode muß die Daten zuverlässig erheben.
Eine Methode ist zuverlässig (bzw. verläßlich), wenn sie bei Wiederholungen unter gleichen Bedingungen identische Ergebnisse erzielt.
Von einem Persönlichkeitstest erwartet man beispielsweise, daß er bei wiederholter Anwendung von ein und derselben Person zu nahezu identischen Werten führt. (Vorausgesetzt wird bei diesem Beispiel, daß das untersuchte Persönlichkeitsmerkmal als stabil angesehen werden kann.)
Das zentrale Kriterium ist die Validität, die Gültigkeit einer Erhebungsmethode. Bei einer Methode, die man als wissenschaftlich bezeichnet, muß nachgewiesen sein, daß sie auch das mißt, was sie messen soll. Eine Erhebungsmethode ist also dann valide bzw. gültig, wenn sie Daten zu genau den Sachverhalten erhebt, auf die die Theorie bezogen ist, die der Erhebung vorausging.
Eine sehr wichtige Bedeutung hat die sogenannte "ökologische Validierung". Sie besagt ganz einfach, daß Daten möglichst im natürlichen Umfeld der betreffenden Personen und mit Verfahren, die nicht gekünstelt sind, gewonnen werden sollten.
Wenn beispielsweise eine Pfarrgemeinde die Einstellung durchschnittlicher KirchgängerInnen zur Kirchensteuer erfassen möchte, sollte sie nicht einen Fragebogen versenden, der vom Briefkopf des Pfarrbüros geziert wird. Noch weniger sollte man in diesem Fall zu einem Interview ins Pfarrhaus einladen.
Den Unterschied zwischen Reliabilität und Validität soll das folgende Beispiel veranschaulichen:
TAFELAUFSCHRIEB !!!
Angenommen, man habe vor einer Wand eine Zielscheibe aufgestellt und schieße mit zwei verschiedenen Gewehren mehrmals hintereinander darauf. Mit dem ersten Gewehr verfehle man die Scheibe jedes Mal, aber die Einschußlöcher in der Wand lägen dicht beieinander. Mit dem zweiten Gewehr dagegen treffe man die Scheibe mit jedem Schuß und alle Treffer lägen dicht beieinander.
Im ersten Fall liegt also eine hohe Zuverlässigkeit, aber keine Gültigkeit vor.
Im zweiten Fall liegt sowohl eine hohe Reliabilität, als auch eine hohe Validität vor.
Lägen beim zweiten Gewehr die Treffer auf der Scheibe weiter auseinander, so wäre eine geringere Zuverlässigkeit (Reliabilität) vorhanden.
(aus: Stier, Winfried, Empirische Forschungsmethoden, Berlin - Heidelberg 1996)
Erhebungsmethoden können also reliabel sein, d.h. sie erbringen bei Wiederholung das gleiche oder nahezu gleiche Ergebnis, aber nicht valide (sie liefern andere Daten, als sie liefern sollen).
Natürlich kann das Ergebnis einer Erhebung auch valide, aber nur in geringem Maße reliabel sein.
Die beiden Gütekriterien Reliabilität und Validität sind allerdings als Idealforderungen zu betrachten, denn meist muß man beim Einsatz einer Forschungsmethode Zugeständnisse an die realen Gegebenheiten machen.
Konkret heißt das, daß man wohl in der Realität nie eine hundertprozentige Validität und Reliabilität erreichen kann.
Aber ein Maximum der beiden Gütekriterien sollte unbedingt angestrebt werden.
Wenn beide Kriterien nicht erfüllt sind, spricht man von Empirizismus. Das bedeutet in unserem Fall entweder Unverständnis der Kriterien der empirischen Sozialforschung, oder mehr oder weniger bewußten Mißbrauch. Empirizismus liegt immer dann vor, wenn der Bezug zur Theorie nicht nachvollziehbar ist oder bewußt ignoriert wird.
Empirizismus liegt bei der Anwendung politischer Meinungsforschung vor, wenn beispielsweise der Fragebogen nicht validiert, also "gültig gemacht", wurde.
So geschehen bei der unkontrollierten Übernahme von Fragebögen aus der Bundesrepublik Deutschland für Befragungen von Bürgern der DDR im Vorfeld der ersten freien Wahlen 1990. Die unterschiedliche geschichtliche Entwicklung führte dazu, daß bestimmten Begriffen unterschiedliche Bedeutungen zugeordnet wurden.
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