Die Nachteile der Planwirtschaft machten sich ab den 70er Jahren immer stärker bemerkbar. Unflexibilität und Investitionen in veraltete Wirtschaftsbereiche wie Rüstung und Schwerindustrie hatten zur Folge, daß in dem Zeitraum des elften Fünfjahresplans (1981 - 1985) "sämtliche Wirtschaftsdaten einem Negativtrend (unterlagen)" . "Bei der statistischen Erfassung der Lebensstandards aller Länder nahm die Sowjetunion (Ende der 70er Jahre) ungefähr den 60. Platz ein." Es kam zu einer "doppelten Scherenkrise" , zu einem innersowjetischen Auseinanderklaffen der wachsenden gesellschaftlichen Bedürfnisse und ihrer Befriedigung durch die Wirtschaft einerseits und zu einem ebenfalls immer deutlicher werdenden Kontrast zwischen dem Lebensstandard des Ost- und des Westblocks andererseits. Grundlegende Reformen waren vor allem nötig, da es sich "nicht um eine konjunkturelle, vorübergehende Wachstumsverzögerung handelte, sondern um einen strukturellen Vorgang" . Hauptziel und -motivation Gorbatschows war denn auch die "tiefgründige Umgestaltung der Wirtschaft", die "unmöglich" sei "ohne Demontage des autoritär-bürokratischen Systems insgesamt" . Glasnost und Demokratisazija (Demokratisierung) waren also nur Vorraussetzungen, vielleicht sogar nur unerwünschte, aber notwendige Nebenprodukte einer wirtschaftlichen Umgestaltung. Dennoch verlief die Wirtschaftsreform "im Unterschied dazu (...) halbherzig und schleppend" . Trotz Gorbatschows ständiger Propagierung und Forderung eines "Marktes" als Schlüssel zu "gesellschaftlichem Reichtum" und "steigendem Lebensniveau" wurden in den ersten Jahren lediglich eine Reihe gesetzlicher Neuerungen eingeführt wie das "Gesetz über die Staatsunternehmen" (1987), das "Pacht-" (1989) und das "Bodengesetz" (1990) - Maßnahmen, die in der Literatur als "widerspruchsvoll und unzureichend" , als "inkonsequent" und "halbherzig" beschrieben werden. Ursache der Ineffizienz dieser "keineswegs dezidiert vorangetriebenen Änderung der Wirtschaftspolitik" war das erreichte Ausmaß der Krise, die Verkrustung des Systems, der "Widerstand der um ihre Privilegien fürchtenden Bürokratie wie auch die Unsicherheit der Bevölkerung" . Die Folgen beschreibt der Sowjetexperte Wolfgang Leonhard: "So schwand die frühere Disziplin der Planerfüllung, die Produktion ging zurück, das staatliche Verteilungssystem funktionierte immer schlechter, die Lebenshaltungskosten stiegen, der Lebensstandard sank, die soziale Unzufriedenheit wuchs."
Zusammenfassung
Die unmittelbar destruktive Kraft der Wirtschaft hat Amalrik unterschätzt. Der ökonomische Niedergang war nicht Folge eines Krieges, sondern einer der Hauptauslöser für den gesamten Zusammenbruch der Sowjetunion. Der Grund für diese Fehleinschätzung, die teilweise auch im Westen vorherrschte, waren die Verschleierungspraktiken vonseiten des Regimes auf der einen und der sowjetischen Betriebe auf der anderen Seite. Konkret waren ständig geschönte Statistiken im Umlauf. Vom Staat wurden direkt verfälschte Daten in der Presse publiziert, um dem ideologischen Überlegenheitsanspruch des Sozialismus über den Kapitalismus gerecht zu werden. Einen wichtigen Anteil hatten aber auch die einzelnen Betriebe und Fabriken. Wegen der unrealistischen Planvorgaben wurden Produktions- und Verkaufszahlen an höhere Instanzen weitergegeben, die mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hatten. Die Folge war ein völlig unrealistisches Bild der Wirtschaft sowohl beim Regime, als auch im Ausland und in der sowjetischen Bevölkerung. Amalriks Thesen spiegeln diese Sachlage deutlich wieder.
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