Situative Verhaltenstheorien der Führung versuchen die Schwächen der universellen Verhaltenstheorien aufzubrechen, indem der Führungsstil in Abhängigkeit zum Beispiel von der Gruppe, der Aufgabe, und den organisatorischen Gegebenheiten untersucht wird. Die Hauptleitung dieser Ansätze ist darin zu suchen, genau zu spezifizieren, unter welchen situativeb Voraussetzungen welches Führungsverhalten angebracht ist und zum Erfolg führt.
3.1 Situative Reifegrad-Theorie von Hersey und Blanchard
Hersey und Blanchard machen die Wahl des jeweiligen Führungsstils vom Reifegrad des Mitarbeiters abhängig, wobei der Reifegrad des Mitarbeiters nicht absolut gesehen wird, sondern stets in Relation zur gestellten Aufgabe zu bringen ist. Hersey und Blanchard unterscheiden dabei zwischen 3 aufgabenrelevanten Faktoren des Reifegrades:
. die Fähigkeit, hohe, aber erreichbare Ziele zu setzen
. Die Fähigkeit und Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen
. die notwendige Ausbildung und Erfahrung
Der Reifegrad einer Gruppe wird mit Hilfe eines Tests ermittelt, dessen Resultat eine Zuordnung in 4 Reifegradstufen ist.
. M1: geringe Reife (Motivation, Wissen und Fähigkeiten fehlen)
. M2: Geringere bis mäßige Reife (Motivation, aber fehlende Fähigkeiten)
. M3: mäßige bis hohe Reife (Fähigkeiten, aber fehlende Motivation)
. M4: hohe Reife (Motivation, Wissen und Fähigkeiten vorhanden)
Hersey und Blanchard unterscheiden zwischen 4 Führungsstilen:
. Unterweisung (telling):
Der Vorgesetzte definiert die Rollen seiner Untergebenen und sagt ihnen, was, wie, wann und wo zu tun ist.
. Verkaufen (selling):
Der Vorgesetzte versucht, mit den Mitarbeitern zu kommunizieren, indem er rationale Argumente beziehungsweise emotionale Unterstützung anbietet, um die Mitarbeiter zur Akzeptanz der Aufgabenstellung zu bewegen.
. Partizipation (participating):
Der Führer und die Geführten entscheiden gemeinsam. Es ist nur mehr eine sozioemotionale Unterstützung notwendig.
. Delegation (delegating):
Der Vorgesetzte beschränkt sich auf gelegentliche Kontrollen und überläßt die Aufgabenerfüllung zur Gänze seinen Mitarbeitern.
Mit steigendem Reifegrad soll derVorgesetzte, so die zentrale Annahme, seine Aufgabenorientierung reduzieren und seine Beziehungsorientierung ausbauen. Wenn der Reifegrad Werte des letzten Viertel erreicht, sollen dann sowohl Aufgaben- als auch Beziehungsorientierung zurückgenommen werden.
Bei geringer Reife hat der Mitarbeiter aufgabenorientiert geführt zu werden (telling). Bei mäßiger Reife muß der Vorgesetzte aufgaben- und mitarbeiterorientiert führen (selling). Bei höherem Reifegrad ist die Führungskraft dann erfolgreich, wenn sie sich mehr mitarbeiter- und aufgabenorientiert verhält (participating). Der reife Mitarbeiter ist am besten selbständig seiner Arbeit zu überlassen (deligating).
Zur Bestimmung des Führungsverhaltens eines Vorgesetzten entwickelten Hersey und Blanchard einen Fragebogen. Im Fragebogen werden 12 Situationen mit jeweils 4 möglichen Verhaltensweisen geschildert. Inwieweit der Vorgesetzte das Richtige Verhalten wählt, hängt von seinen diagnostischen Fähigkeiten ab.
Das Trainingsprogramm des Ansatzes zielt nun in erster Linie darauf ab, die diagnostischen Fähigkeiten zu verbessern. Der größte Vorteil dieses Ansatzes, die Stilflexibilität, wird jedoch gleichzeitig auch als sein größter Nachteil interpretiert, da dadurch die ideale Legitimationsbasis für jedwedes Führungsverhalten eines Vorgesetzten geschaffen wird. Er kann also sein Führungsverhalten damit rechtfertigen, daß es nichts mit seiner Preson, sondern stets nur mit seinen Mitarbeitern zu tun hat. Als weiterer Kritikpunktist anzuführen, daß durch die Einbeziehung des Reifewgrades zwar ein wesendlicher situativer Einflußfaktor berücksichtigt wurde, andere relevante situative Variablen jedoch außer Acht gelassean wurden.
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