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wirtschaft artikel (Interpretation und charakterisierung)

Sanierungsversuche und stärkung der marktkräfte (seit 1986)



Nach der Aufkündigung der Koalition der SPÖ mit der inzwischen von Haider angeführten FPÖ sprach sich Vranitzky klar für eine große Koalition aus. Hauptzweck einer solchen Koalition sollte die Sanierung von Wirtschaft und Staatshaushalt sein; die unvermeidlichen politischen Kosten einer solchen Vorgangsweise sollten gemeinsam getragen werden; eine Kleine Koalition würde einen Austeritätskurs gegen eine populistische Opposition möglicherweise gar nicht durchhalten. Die Koalitionsverhandlungen brachten zwei Schwerpunkte: Budgetkonsolidierung und eine angebotsorientierte Strukturpolitik.

Budgetkonsolidierung
Die Ausgabenkürzungen erfolgten sehr rasch und auf breiter Basis. 1988 erfolgte eine große Steuerreform, bei der zahlreiche Schlupflöcher bei Einkommens- und Körperschaftssteuer 5 beseitigt wurden. Die gesteckten Sanierungsziele wurden bis 1990 annähernd eingehalten, wobei allerdings der unerwartete Aufschwung von 1988 zu Hilfe kam. Die Hochkonjunktur wurde aber nicht genutzt, um die Sanierung zu beschleunigen. In den Jahren 1991 und 1992 wurden auch die Ausgaben wieder erhöht. Durch die Konjunktur fiel das Budgetdefizit des Bundes auf 2,8%, was seit 1981 nicht mehr erreicht wurde.

Um so dramatischer war der Einbruch 1993. Das Budgetdefizit betrug nun 4,7%, sank nur geringfügig im Jahr darauf und erreichte etwa 5,5% im Jahr 1995. Die Steuerreform 1994 verringerte die Einnahmen zumindest vorübergehend, der EU-Beitritt sorgte für erhöhte Ausgaben. In diesen drei Jahren verschlechterte sich auch die finanzielle Situation der Länder und Gemeinden. Österreich hatte damit die Maastricht-Kriterien für öffentliche Haushalte deutlich überschritten, sowohl beim Defizit (Grenze 3% / Österreich 6% des BIP) als auch bei der Staatsschuld. Statt der zulässigen 60% erreichte diese für das Jahr 1995 68%. Dieser Einbruch führte auch zu einer bedeutenden politischen Krise. Nach den Parlamentswahlen von 1994 verfasste die Regierung ein neues mittelfristiges Sparprogramm, das strenger war als jenes für 1987-1992; diesmal bezog man die Sozialpartner nicht mit ein. Heftige Kämpfe der Gewerkschaften führte zu einer Halbierung der geplanten Einsparungen. Darum wurden bei der Vorbereitung des Sparpakets von 1995 die Sozialpartner wieder miteinbezogen. Dennoch kam es erneut zu Differenzen zwischen den Regierungsparteien. Die ÖVP unter Schüssel (und unter Druck Haiders FPÖ) entzog dem neuen Finanzminister Staribacher und seinen Berechnungen das Vertrauen und weigerte sich die Budgetvorschläge der SPÖ weiter zu diskutieren. Damit wurden die Wahlen im Dezember 1995 unvermeidbar.

Im Wahlkampf hatte sich die SPÖ noch schützend vor jene Gruppen gestellt, die ganz offenkundig von Kürzungen bedroht waren. Obwohl sie bei den Wahlen besser abschnitt als die ÖVP, kam es 1996 zum budgetären Paukenschlag: einem Sparbudget gleich für zwei Jahre (1996,1997), das dramatische Kürzungen für so gut wie alle Bereiche vorsah. Die Neuverschuldung sollte in diesen zwei Jahren auf 3% gesenkt, im Vergleich zu 1995 also halbiert werden. Die relativ bescheidenen Proteste kamen von gewerkschaftlich schwach organisierten Bereichen: Universitäten, Frauen, Familien und als Fürsprecher der Familien die Kirche. Allerdings haben diese Maßnahmen eher pauschalen Feuerwehrscharakter und sind für eine intelligente Umgestaltung der Staatstätigkeit wenig geeignet.

Strukturpolitik: Stärkung der Marktkräfte
Eine angebotsorientierte Strukturpolitik war der zweite Schwerpunkt der Großen Koalitionsregierung ab 1987. Die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft war durch die Wachstumsschwäche Anfang der 80er Jahre zum Thema geworden. Die Wachstumsraten waren damals unter den Durchschnitt von OECD-Europa gefallen. Das Problem stellte sich angesichts des beabsichtigten Beitritt zu EG, welches durch die Öffnung Osteuropas nach 1989 zusätzlich verschärft wurde. Als Hauptursachen für die unzureichende Wettbewerbsfähigkeit wurden mangelhafte Anreize für unternehmerisches Risiko und Gewinne angesehen, außerdem der große öffentliche Sektor und der ebenfalls große geschützte Sektor der Privatwirtschaft. Diese Problematik führte zu Steuerreformen, die unternehmerische Tätigkeit stärker belohnen sollten und zu Privatisierungen. Die wichtigsten Schritte waren aber zweifellos EU-Beitritt und Ostöffnung.

Eine der wichtigsten Steuerreformen der zweiten Republik war die von 1989, in der die Steuern auf Unternehmergewinne gesenkt wurden und die steuerlichen Anreize zu Niedrigrisiko-Investitionen abgebaut wurden. So wurde die Körperschaftssteuer auf 30% (BRD 50%) gesenkt, um neue Betriebe ins Land zu bringen.

Die Restrukturierung des öffentlichen Sektors begann schon unter der Kleinen Koalition im Jahr 1986, die Große Koalition fügte die Privatisierung hinzu. Es folgte eine Teilprivatisierung von OMV, Creditanstalt-Bankverein, Länderbank und AUA.

Wettbewerb und der geschützte Sektor. Die OECD schätzte Ende der 80er Jahre den Anteil des geschützten Sektors auf etwa die Hälfte der österreichischen Wirtschaftsleistung, erbracht vor allem von kleinen und mittleren Betrieben des Dienstleistungssektors.

Die Ostöffnung erhöhte den Wettbewerb vor allem für arbeits- und ressourcenintensive Industriezweige wie Stahl oder Zement. Dies führte zur teilweisen Produktionsverlagerung aus Österreich in diese Länder. Allerdings wuchsen österreichischen Exporte in diese Region nach der Öffnung etwa 20% pro Jahr. Auch der EU-Beitritt verschärfte die Wettbewerbssituation weiter. Unter den Bedingungen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise hat dies zu einem Rekordniveau bei Unternehmenszusammenbrüchen und Arbeitslosigkeit geführt, während Firmengründungen stark zurückgingen. Aber obwohl Österreich seit einigen Jahren die Maastricht-Kriterien für Staatsverschuldung und Neuverschuldung nicht mehr erreicht, zählt es immer noch zu den währungsstabilsten Ländern der EU.

 
 

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