Planung ist ein Wesensmerkmal jeder fortgeschrittenen Industriegesellschaft. Auch die auf dezentralen Entscheidungen basierende Marktwirtschaft funktioniert nicht ohne Plan; die Tatsache der Planung selbst ist daher kein bedeutsames Entscheidungsmerkmal für verschiedene Wirtschaftssysteme, sondern der Unterschied findet sich nur in der Art der Planung. In Marktwirtschaften gibt es allerdings keine umfassende und verbindliche Planung der einzelwirtschaftlichen Aktivitäten durch eine zentrale Institution. Die Planung erfolgt vielmehr dezentral, das heißt, Haushalte und Unternehmen, Konsumenten und Produzenten können ihr wirtschaftliches Verhalten weitgehend in eigener Verantwortung planen. Die notwendige Koordination erfolgt nicht vorher in einem vorgefaßten Plan, sondern nachher über das Marktregulativ. Privateigentum an den Produktionsmitteln bedeutet unter anderem auch private Planungsmacht mit dem Markt als letztem Informations- und Koordinationssystem.
Anders liegen die Verhältnisse in der zentralgelenkten Planwirtschaft ("Kommandowirtschaft"). Diese ist grundsätzlich zunächst durch einen "Primat der Politik über die Ökonomie" gekennzeichnet. Das bedeutet weniger eine Dominanz des Politischen in der Wirtschaft, sondern, im Grunde genommen, eine Verschmelzung von Politik und Wirtschaft. "Wirtschaftspolitik" erhält damit grundsätzlich eine andere Dimension. Wirtschaftliche Tätigkeit wird als politische Tätigkeit verstanden. Da der "reale Sozialismus" de facto gleichzeitig auch mit dem Einparteiensystem verbunden ist, wird die Partei zur alles bestimmenden Instanz auch in der Ökonomie.
Die politische Machthierachie setzt sich aus dem Partei- und Staatsapparat zusammen, wobei die Partei die Führungsrolle in Wirtschaft und Gesellschaft übernimmt. Die Staatsmacht fungiert als Hauptinstrument der politischen Führung, ihr kommt die Aufgabe zu, die politischen und ökonomischen Weisungen in konkrete Handlungsprogramme umzusetzen. Zwischen Partei- und Staatsapparat besteht eine enge personelle Verflechtung.
Produktion und Verbrauch werden also durch "imperative Planung" der zentralen politischen Instanzen festgelegt. Die zentralgelenkte Planwirtschaft ist daher durch die Dominanz politisch besetzter bürokratischer Institutionen charakterisiert. Privateigentum an den Produktionsmitteln ist im Prinzip untersagt und wird höchstens in Ausnahmefällen zugelassen. Wirtschaftliche Vorgänge wie die Festlegung der Preise und die Nutzung und der koordinative Einsatz der Produktionsfaktoren sind an staatliche Genehmigungen und Kontrolle gebunden. Der freie Handel ist ebenfalls prinzipiell untersagt. Die volkswirtschaftliche Planung erfolgt über eine zentrale und hierarchisch durchorganisierte Planungsbürokratie, die von der Parteispitze und der personell häufig nahezu identen Regierung eingesetzt wird. Diese entwickeln einen Fünfjahresplan zur längerfristigen Orientierung und darauf aufbauend dann verbindliche Einjahrespläne.
Der Fünfjahresplan ist das wichtigste Instrument der staatlichen Wirtschaftspolitik. Er bestimmt in quantitativer [mengenmäßig] Form das Wachstum des Nationaleinkommens und dessen Struktur, untergliedert nach Sektoren, Branchen und Regionen. Ferner legt er die Entwicklung makroökonomischer
[Ma|kro|öko|no|mie [auch: makro...; gr.-nlat.] die; -: Betrachtung wirtschaftlicher Größen, die sich auf die Volkswirtschaft als Ganzes beziehen (Wirtsch.); Ggs. Mikroökonomie. ]
Strukturen und Niveaugrößen fest, wie z.B. das Verhältnis von Konsumenten und Akkumulation [die fortschreitende Ansammlung von Produktionsmitteln. ], die Steigerungsraten des Preisniveaus, usw. Die Jahresplanug bestimmt die praktischen operativen Aufgaben der Wirtschaftslenkung. Sie ist der Fünfjahresplanung untergeordnet und soll zur Realisierung der dort formulierten Ziele beitragen.
Die gesamtwirtschaftlichen Beschlüsse der Parteiführung über Wirtschaftswachstum, Investitionen, Konsum usw. werden also im Jahresplan sehr detailliert ausgearbeitet und an die Betriebe als Vorgabe weitergegeben; diese melden hierauf ihre Produktionskapazität und den Bedarf an Arbeitskräften, Investitionsmitteln und Rohstoffen an. Diese werden nun zu einem Gesamtplan zusammengefaßt, der von der Parteiführung anschließend gesetzlich beschlossen und über die Ministerien an die Betreibe weitergegeben wird. In diesem Anhäufen und Abbauen großer wirtschaftlicher Datenmengen liegt bereits eines der großen Probleme der Planwirtschaft begründet. Denn in einem arbeitsteilig organisierten komplexen Industriesystem gehen Tausende Daten in jeden einzelnen Produktionsprozeß ein, das heißt aber, daß in einer entwickelten Industriegesellschaft die zentrale Planung Milliarden derartiger Daten richtig einplanen müßte. Das übersteigt aber die Kapazität bisheriger Instrumentarien bei weitem, so daß sich immer wieder Planungsfehler und logistische Probleme einstellen, wie das Fehlen von Ressourcen am richtigen Ort zur richtigen Zeit, die vielfach schwerwiegende Folgen haben.
Zusammenfassend kann man die zentralgelenkte Planwirtschaft durch folgende Merkmale kennzeichnen:
. Es gibt eine Priorität der Politik über die Ökonomie. Daraus folgt:
. Eine politische Besetzung der Führungspositionen in der Wirtschaft und eine
. bürokrtatisch-Hierarchische Organisation der volkswirtschaftlichen Produktion.
. Die zentrale Planung von Produktion und Konsumtion erfolgt auf ein Jahr bzw. fünf Jahre und verlangt
. ein öffentliches Eigentum an den Produktionsmitteln.
. "Marktwirtschaftliches" Handeln findet höchstens in Randbereichen der Ökonomie (Kleinbetriebe in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsbereich) statt.
Durch die schlechte Versorgungslage nach dem Krieg konnte erst Lenins Nachfolger Stalin 1928 den ersten Fünfjahresplan einführen; die Schwerpunkte lagen auf der forcierung der Schwerindustrie und der zwangsweisen Kollektivierung der Landwirtschaft.
Ausgehend von einem äußerst niedrigem Niveau, erzielte die junge Sowjetunion in der Zwischenkriegszeit vergleichsweise gute Wirtschaftsdaten; das Land war weitgehend vom internationalen Kapitalmarkt und Welthandelssystem abgeschnitten, was dazu führte, daß sie auch der Niedergang in der Weltwirtschaft in den dreißiger Jahren kaum betraf. Für viele schien daher das größte Experiment des Jahrhunderts erfolgreich. Durch den Sieg der UdSSR im 2. Weltkrieg kam es zu einer Ausdehnung des Systems auf die von ihnen abhängigen Länder Mittel- und Südosteuropas. Auch wurde sie zu einem Vorbild der Entwicklungsländer wie der VR China.
Das System der zentralen Planwirtschaft hat in allen Ländern zu einer mangelnden betrieblichen Effizienz geführt. Das Hauptinteresse der Unternehmen besteht nicht an Gewinn oder Umsatz, sondern an der Planerfüllung bzw. Überfüllung. Die Nichterfüllung des Plans wird als Vergehen bestraft. Die verantwortliche Unternehmensleitung muß zudem mit dem Entzug der privilegierten Position und mit der Gefährdung des wirtschaftlichen und politischen Aufstiegs rechnen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, daß die Direktoren versuchen, leicht erfüllbare Planungsauflagen zu bekommen. Dieser Widerspruch zwischen betrieblichem und gesellschaftlichem Interesse ist in der zentralen Marktwirtschaft systemimmanent [sy|stem|im|ma|nent: a) einem System innewohnend, in den Rahmen eines Systems (3, 4) gehörend; b) sich [im Denken u. Handeln] innerhalb der Grenzen eines Systems (4) bewegend; angepaßt. ]
und beginnt bereits in der Phase der Planerstellung. Die Betriebe wissen, daß ihre Informationen die Grundlage für die zentrale Planung bildet. Die zentralen Behörden sind auf diese Informationen angewiesen, da sie selbst die betrieblichen Verhältnisse nicht ausreichend überblicken können. Die leitenden Direktoren sind daher darauf aus, nur solche Informationen weiterzugeben, die "weiche", das heißt leicht erfüllbare Planauflagen garantieren.
Aufgrund der Soll-Ist Logik besteht kein großes Interesse an Innovation und Rationalisierung, da ja nicht produziert wird um Gewinn zu erzielen. Die Leistung wird also nicht vom Konsumenten bewertet sondern von den übergeordneten Organen. Seit den sechziger Jahren wurden die Planwirtschaften zunehmend anhängig vom Technologietransfer aus den westlichen Industrieländern. Der Konsument wird mit dem Produkt immer weniger zufriedengestellt und da er auf kein Konkurrenzprodukt umsteigen kann und auch sonst jede Meinungsäußerung verboten ist, bildet sich ein nicht ungefährliches Krisenpotential. Die Furcht vor der Ausweitung einer Versorgungskrise zur politischen Krise war auch der Auslöser für partielle Reformen des Wirtschaftssystem, die aber immer schon in den Anfängen steckenblieben.
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