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wirtschaft artikel (Interpretation und charakterisierung)

Neue umsturzversuche von rechts der hitler-putsch



Bayern war in jener Zeit das Zentrum nationali¬stischer und rechtsradikaler Verbände. Zu die¬sen stießen Reste der aufgelösten Freikorps und unversöhnliche Gegner der Republik aus allen Teilen Deutschlands. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verhängte deshalb die Münchner Regierung am 26.9. den Ausnahme¬zustand und ernannte Gustav von Kahr zum Ge¬neralstaatskommissar.
Die Münchner Vorgänge lösten in Berlin große Besorgnis aus, zumal Kahr zu den Männern ge¬hörte, die für eine Reichsreform im Sinne einer Stärkung der Länderrechte kämpften. Es kam auch bald zum Konflikt mit Berlin, als Kahr sich weigerte, gegen den wegen Beleidigung der Reichsregierung verbotenen "Völkischen Beob¬achter', das Sprachrohr Hitlers, vorzugehen und den vom Reichsgericht strafrechtlich ver¬folgten ehemaligen Freikorpsführer Hermann Ehrhardt zu verhaften.
Den Konflikt zwischen Bayern und dem Reich benutzte die NSDAP unter ihrem Führer Adolf Hitler zu einem Putschversuch in München. Er wollte zunächst in Bayern die Macht an sich rei¬ßen und dann nach dem Vorbild Mussolinis ei¬nen Marsch auf Berlin antreten.
1913 zog Hitler nach München, um sich dem österrei¬chischen Wehrdienst zu entziehen. Als der Erste Welt¬krieg ausbrach, trat er als Freiwilliger in ein bayeri¬sches Regiment ein. Zweimal wurde er an der Westfront verwundet, mit dem Eisernen Kreuz II. und I. Klasse ausgezeichnet und zum Gefreiten befördert. Nach dem Krieg kehrte Hitler nach München zurück. Der Zusammenbruch öffnete ihm den Weg in die Poli¬tik. Er trat in die bis dahin noch völlig bedeutungslose rechtsradikale "Deutsche Arbeiterpartei" ein, die sich 1920 in "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpar¬tei" (NSDAP) umbenannte und als Presseorgan den ,Völkischen Beobachter" erwarb, der damals zwei¬mal wöchentlich erschien und 11000 Bezieher hatte.
Hitler hatte sich 1923 mit Ludendorff verbündet, der inzwi¬schen zum Idol des nationalistischen Widerstandes aufgestiegen war, und faßte die NSDAP mit den rechts¬radikalen Verbänden, der "Reichskriegsflagge" und dem "Bund Oberland" zum "Deutschen Kampfbund" zusammen. Diese Organisationen entwickelten sich zu rein militärischen Verbänden im Dienste Hitlers.
Anfang November 1923 beschloß der Kampfbund, jede günstige Gelegenheit zu nutzen, um die "rote Regierung" in Berlin zu stürzen. Als am Abend des 8. November in München im Bür¬gerbräukeller eine Kundgebung stattfand, auf der Generalstaatskommissar von Kahr spre¬chen sollte und an der auch General von Los¬sow, der Befehlshaber der in Bayern stationier¬ten Reichswehr, und Hans Ritter von Seisser, der Kommandant der bayerischen Polizei, teil¬nahmen, drang Hitler mit bewaffneten Anhän¬gern in den Saal ein, erzwang sich mit einem Schuß an die Decke Gehör und rief:
"Die nationale Revolution ist ausgebrochen. Der Saal ist von 600 Schwerbewaffneten besetzt. Niemand darf den Saal verlassen. Wenn nicht sofort Ruhe ist, werde ich ein Maschinengewehr auf die Galerie stellen las¬sen. Die bayerische Regierung ist abgesetzt. Die Reichsregierung ist abgesetzt. Eine provisorische Reichsregierung wird gebildet. Die Kasernen der Reichswehr und Landespolizei sind besetzt. Reichs¬wehr und Landespolizei rücken bereits unter den Ha¬kenkreuzfahnen heran."
(R. Breuer, Der Hitler-Ludendorff-Prozeß vor dem Münchner Volksgericht, 1924, 8. 15)
Hitler und Ludendorff erreichten die Zustim¬mung der drei mächtigsten Männer Bayerns, sich an der "nationalen Revolution" zu beteili¬gen. Von der Versammlung jubelnd begrüßt, wurde die provisorische Regierung ausgerufen:
Reichskanzler: Hitler; Befehlshaber der Armee: Ludendorff; Reichswehrminister: Lossow; Reichspolizeiminister: Seisser; bayerischer Landesverweser: Kahr.
Aber noch in der gleichen Nacht widerriefen Kahr, Lossow und Seisser ihre Zusage und be¬fahlen der Münchner Reichswehrgarnison und der bayerischen Landespolizei, den nationalso¬zialistischen Aufstand niederzuwerfen. Aber Hit¬ler und Ludendorff gaben nicht auf. Mit einem Demonstrationszug wollten sie die Münchner Bevölkerung mobilisieren.
Mit den Führern an der Spitze zogen die Demon¬stranten am 9. November vom Bürgerbräukeller in die Innenstadt. Erst vor der Feldherrnhalle stockte der Zug, als die bayerische Polizei ihn aufzuhalten suchte. Es kam zu einem Feuerge¬fecht. Der Demonstrationszug stob auseinander, es gab Tote und Verletzte. Hitler floh zunächst in einem Sanitätswagen, während Ludendorff verhaftet wurde.
Das nachfolgende Gerichtsverfahren beschämte die bayerische Justiz. Dem Gericht war die Ehre der Angeklagten wichtiger als das Recht des Staates. Der Vorsitzende ließ zu, daß Hitler seine Rolle als Angeklagter in die des Klägers verkehrte. Ludendorff wurde freigesprochen, Hitler erhielt fünf Jahre Festungshaft, aus der er jedoch schon nach neun Monaten entlassen wurde. In dieser Zeit schrieb er das Buch "Mein Kampf", in dem er seine politischen Vorstel¬lungen erläuterte. Bereits im Januar 1925 wurde die 1924 verbotene NSDAP von Hitler neu ge¬gründet.

 
 

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