Aufgrund der schlechten Wirtschaftskonjunktur in Deutschland wäre es vermessen zu sagen, dass die seit Mitte des letzten Jahrhunderts bestehende derzeitige Umsetzung der sozialen Marktwirtschaft noch den derzeitigen weltwirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht. Das wird besonders im Vergleich mit anderen Ländern deutlich. So liegt Deutschland aufgrund seines hohen Haushaltsdefizit und des schwachen Wirtschaftswachstum in den Statistiken auf den hinteren Rängen. Deutschland hat laut Berichten der Zeitung " Die Welt" im Jahr 2002 ein Haushaltsdefizit von 3,8% des Bruttoinlandsproduktes. Damit bricht Deutschland nicht nur die Kriterien des Maastrichter Vertrages, welcher zu Erhaltung der Eurostabilität ein maximales Defizit von 3,0 % des BIP vorsieht, sondern hat damit auch europaweit das größte Haushaltsdefizit. Nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU wird das Wirtschaftswachstum für das Jahr 2003 in Deutschland nur noch 0,4 Prozent betragen. Damit würde Deutschland 0,6% unter dem EU Durchschnitt liegen.
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1Bundeskanzler Schröder in seiner Regierungserklärung vom 14.03.2003
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Als Erhard und Müller-Armack das Wirtschaftssystem Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre planten, konnten diese den Vorgang der Globalisierung noch gar nicht
in ihre Planungen miteinbeziehen. Sie waren zwar von einer leichten Welle der "Internationalisierung" ausgegangen, aber Freihandelszonen wie dem Vorgänger der EU, die EWG ( Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ), dem Fall der Zollschranken innerhalb Europas oder sogar der Währungsunion konnten die Begründer des Systems "Wohlstand für alle"1 nicht erwarten.
Das System unserer sozialen Marktwirtschaft, welches über Jahre hinweg die grundlegenden Ziele einer Marktwirtschaft nicht erfüllt hat, kann nicht als unserer Zeit angemessen bezeichnet werden. Das grundlegende Ziel der Marktwirtschaft, die Erfüllung des sog. "magischen Vierecks" bestehend aus den Zielen der Stabilität des Preisniveaus (keine übermäßige Inflation/Deflation), der niedrigen Arbeitslosigkeit sowie stetiges , angemessenes Wirtschaftswachstum und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ist in den letzten Jahren nicht erreicht worden.
Ein nicht zu verachtendes Problem im Bezug auf die Erhaltung der sozialen Sicherungssysteme ist die demographische Entwicklung in Deutschland. Es fand in den letzten Jahren eine massive Überalterung der Bevölkerung statt. Hauptproblemfall ist der in der Rentenversicherung festgehaltene "Generationenvertrag". Er besagt das die jeweils arbeitende Bevölkerung die Alterversorgung der Rentner durch ihre Rentenversicherungsbeiträge finanziert. Als diese " dynamische Rente" 1957 eingeführt wurde , entfielen auf 100 Arbeitnehmer 37 Rentner. Durch sinkende Geburtenzahlen, dem späteren Eintritt in das Erwerbsleben durch längere Ausbildungszeiten, dem früheren Übergang ins Rentenalter und Aufgrund der Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung ergibt sich, das im Jahre 2020 auf 100 Rentenbeitragszahler 74 Rentner kommen. Im Jahre 2030 werden es sogar 94 Rentner sein.2
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1Buch-Klassiker Erhards in dem Erhard das System der Sozialen Marktwirtschaft beschreibt/erläutert
2Quelle: Ashauer, Günter. Grundwissen Wirtschaft .Kompakte Darstellung von Sachverhalten und Zusammenhängen. Hrsg. Ernst Klett Verlag 1. Auflage Stuttgart Düsseldorf Leipzig 1999
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Der ungebremste Kapitalismus, der zusammen mit der Globalisierung auftritt, ist in vielen Punkten gegensätzlich zu der Idee einer sozialen Marktwirtschaft. Schon zwischen den Grundideen "Wohlstand für alle" und "Jeder will die eigene Kapitalsteigerung erreichen" herrscht eine Diskrepanz, denn "Wohlstand für alle" heißt auch immer, dass Mitglieder der höheren sozialen Schichten an die Personen der unteren Schichten abgeben. Dies gilt natürlich auch für reiche Firmen, sie zahlen überdurchschnittlich mehr Steuern und Sozialabgaben. Die Firmen nutzen aufgrund der Zollfreiheit, der schnellen und guten Güter- und Datentransportmöglichkeiten die Freiheit, sich aus den Ländern mit "sozialen" Grundsätzen, also hohen Abgaben, zu entfernen und in liberalere Länder überzusiedeln. Die durch die Abwanderung der Firmen ins liberalere Ausland verursachten staatlichen Haushaltslöcher sowie die
steigende Arbeitslosigkeit führen dazu, dass momentan tiefgreifende Reformen notwendig sind, die das Wirtschaftssystem deregulieren / entbürokratisieren sowie den Sozialstaat abbauen. Der Staat ist nicht mehr in der Lage, seinen Bürgern Wohlstand zu
garantieren, er muss sich selber der Globalisierung, einem Phänomen des technischen Fortschritts, anpassen und stellen.
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