Die Idee einer politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Zusammenarbeit der europäischen Staaten besteht bereits seit hunderten Jahren, und schon lange vor der Gründung von Gemeinschaften wie der Montanunion oder der EG hatten Politiker und Intellektuelle Visionen eines Europas, das dem heutigen nicht gänzlich unähnlich ist.
Im 16. Jahrhundert hatte ein Berater und Minister Heinrichs IV, Herzog Maximilien de Béthune Sully, die "grand dessin" einer Gemeinschaft von fünfzehn europäischen Staaten "gezeichnet", die eine mächtige christliche Republik, freilich unter französischer Führung, darstellen sollte.
Der Abbé de Saint Pierre, dessen Gedankengut später teilweise von Jean-Jaques Rousseau aufgenommen wurde, hoffte, dass als Gegengewicht zur absolutistischen Herrschaft Ludwigs XIV. eine "europäische Föderation" errichtet wird.
Immanuel Kant schrieb im 18. Jahrhundert in "Zum ewigen Frieden" von einer "föderalen Organisation Europas mit republikanischen Staaten", die auf eine bürgerliche, republikanische Verfassung und ein auf dem Föderalismus freier Staaten gegründetem Völkerrecht gestützt sein sollte.
Im 19. Jahrhundert forderte der Politiker, Schriftsteller und Visionär Victor Hugo als Vorsitzender des zweite internationalen Kongresses die "Vereinigten Staaten von Europa".
Der Wunsch nach internationaler Vereinigung, wie er vor allem im 20. Jhdt. weit verbreitet war, hatte verschiedene Gründe:
Herzog Sully wollte, ebenso wie Saint Pierre, eine Einkreisung Frankreichs durch die Habsburger, die durch geschickte Heirats- und Nachfolgepolitik beachtliche Teile Europas beherrschten, ankämpfen und politisches Gleichgewicht herstellen.
Politiker wie de Gaulle wollten dominante Mächte in einen gemeinsamen Machtapparat einbinden, um etwa die Expansionspolitik (z.B. der ehemaligen Sowjetunion) zu unterbinden. Um der Expansionspolitik der Sowjetunion entgegenzuwirken, musste man neben Westeuropa auch Deutschland einbinden, wobei die damit verbundene deutsche Wiederbewaffnung ein großes Hindernis darstellte.
Nach dem 2. Weltkrieg wollte Europa neben den USA und der Sowjetunion eine dritte Kraft bilden und die Stellung Europas somit untermauern.
Das Konzept eines vereinigten Europas sollte helfen, die deutsche Teilungsfrage zu lösen.
Nicht zu vergessen sind die wirtschaftlichen Vorteile, die etwa durch die Gründung der Montanunion entstanden.
Besonders wichtig ist es jedoch, den alten deutsch-französischen Konflikt zu beachten. Während Konrad Adenauer die Hoffnung von "Vereinigten Staaten von Europa" hegte, schloss Frankreich 1947 mit Großbritannien einen Bündnisvertrag zur Sicherung der beiden Staaten gegen etwaige deutsche Aggressionen. Beschleunigt wurde der Vereinigungsprozess schließlich durch die vom Kommunismus ausgehende Gefahr, die Westeuropa zu erfassen drohte: Die Strategie des "containment", der "Eindämmung", wurde gemeinsam mit den USA erarbeitet und konnte nur in einem geschlossenen Europa Erfolg haben. 1946 beschlossen verschiedene nationale föderalistische Gruppierungen aus der Schweiz, den Niederlanden, Italien und Großbritannien das Hertensteiner Programm, wobei die "Union Européenne des Fédéralistes" (UEF) als Dachverband fungierte. Jenes Programm hatte eine demokratische Gemeinschaft die allerdings auf föderalistischer Grundlage bestehen sollte, zum Ziel. Die Föderalisten betrieben eine Politik des Idealismus, das heißt, sie wollten eine Eingliederung und Kontrolle Deutschlands, während Churchill, Adenauer und de Gaulle eine Politik des Pragmatismus betrieben, also einen Verband souveräner Nationalstaaten unter der Leitung eines europäischen Rates propagierten.
Schließlich war der Vormarsch des Kommunismus bis nach Prag gelangt; deshalb traf man sich 1948 in Den Haag zum Haager Kongress, an dem Politiker wie Adenauer, F. Mitterand, R. Schuman und L. Blum teilnahmen, um die Differenzen zwischen föderalistisch-sozialistisch und konservativ-nationalistischen Gruppierungen auszuräumen.
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