Sieht man sich den Zweiten Golfkrieg dahingehend an, inwiefern dieser Konflikt für die 90er Jahre typisch ist, so sind als Erstes die Medien zu erwähnen. Der Golfkrieg II war der erste richtige "Medienkrieg", wo man die Nachrichten aus dem Kriegsgebiet so gut wie nur über CNN erhielt. Daß damit der Eindruck eines sauberen Krieges ohne zivile Opfer und mit einem raschen Ende vermittelt wurde, braucht hier nicht ausdrücklich erwähnt werden. Wir alle wissen, daß dem nicht so war; diese modernisierte Form der Zensur zerbröckelt ohnehin mit der Zeit, und die Wahrheit (?) kommt ans Licht.
Hussein hatte als Diktator kaum Schwierigkeiten, seine Sichtweise der Geschehnisse über "seine" staatlichen Medien zu verbreiten.
Natürlich gab und gibt es in jedem Konflikt von beiden Seiten einseitige Berichterstattung über den Kriegsverlauf, doch hat sich diese Tendenz mit den neuen Medien weiter verschärft; man denke nur an den NATO - Einsatz im Kosovo; neben den herkömmlichen Berichten in nationalen und internationalen Rundfunkanstalten gewann vor allem das Internet als Propagandaplattform stark an Bedeutung.
Weiters typisch für die 90er Jahre ist der "Verlust" der Sowjetunion als Weltmacht und Gegengewicht zu den USA; der Konflikt hätte sicher einen anderen Ablauf erhalten, hätte die SU in der alten Form bestanden. Die Vereinigten Staaten können jetzt mehr oder weniger Weltpolizei spielen, ohne auf die Unterstützung Rußlands in dem Maße angewiesen zu sein; die westlichen Staaten sind ohnehin auf der Seite der USA.
Rußland versucht natürlich immer wieder in solchen Konflikten mitzumischen, sei es im Irak oder jetzt im Kosovo, weil es nicht wahrhaben will, daß seine Zeit vorbei ist, versucht aber zumindest durch diplomatische Bemühungen sich einzubringen. Im Golfkrieg stellte Rußland lediglich zwei Kriegsschiffe.
Zum Anderen kann Rußland auch nicht anders, da es bankrott ist und auf die Unterstützung der westlichen Welt in Form des Internationalen Währungsfonds angewiesen ist, die verwehrt werden würde, bliebe man absolut unnachgiebig. Hinzu kommt, daß der Kommunismus unserer Meinung nach so gut wie tot ist, er stellt einfach keine gleichwertige Alternative zum Kapitalismus mehr da, wie er es noch vor 20 Jahren war. Eine relativ weit hergeholte These wäre die Aussage, Rußland müsse die Entscheidung des Westen nicht blockieren, da dies ohnehin China macht; somit schafft man den Spagat zwischen der nötigen Solidarität zum Westen, des Geldes wegen, und der Unterstützung des Verbündeten, seien es jetzt Hussein oder Milosevic.
Der Zweite Golfkrieg läßt sich typologisch nicht klar zuteilen, da dieser Konflikt in seinem Verlauf mehrere Phasen durchschreitet.
Vorerst war die Auseinandersetzung eine rein wirtschaftliche mit leicht historischen Aspekten, auf die später eingegangen wird. Irak hatte die Regelung des Konflikts um das Erdölfeld Rumeilah im Sinn. Weiters wollte Hussein einen besseren Zugang zum Persischen Golf durch die Pacht der kuwaitischen Inseln Warban und Bubijan und die Abmilderung der Staatsverschuldung durch einen Verzicht der Kuwaitis auf ihre Forderungen. In dieser Phase war der Konflikt ganz offensichtlich zwischenstaatlich und offensiv von Seiten des Irak, defensiv von Kuwait aus gesehen.
Erst im Verlauf des Krieges weiteten sich die Interessen des irakischen Staatsoberhauptes aus: Bei einer Aneignung Kuwaits hätte er die finanzielle Lage seines Landes massiv verbessert, da er über mehr Rohölvorkommen (1/4 der nachgewiesenen weltweit) verfügt hätte, die ihn zu einer regionalen Großmacht gemacht, und die es ihm erlaubt hätte, die Preisentwicklung für Rohöl mitzubestimmen. Insofern geht es nun auch um Macht- und nicht mehr nur um wirtschaftliche Interessen. Auf ideologischer Ebene, die hier noch dazukommt, sei folgendes erwähnt: Hussein hätte sich als Führer der arabischen Welt gegen die amerikanische Einflußnahme am Persischen Golf profilieren können und hätte versuchen können, das von der USA so protegierte Israel zu vernichten (ethnischer Konflikt!).
Mit dem Eintritt der Alliierten in den Krieg wird der Konflikt internationalisiert, der Irak reagiert jetzt allerdings defensiv, während die Alliierten mit ihrer militärischen Intervention den offensiven Part übernehmen. Die USA an der Spitze verfolgte eigene
a.) geostrategische, b.) wirtschaftliche und c.) militärische Interessen: a.) Die Golfregion zählte wegen der hier lagernden 63% der Welterdölvorkommen zu ihren Interessensgebieten. Die USA wollte außerdem Israel beschützen, das ihr als wichtiger Standpunkt in dieser Region dient, und einen militärisch geschwächten Hussein als Kontrapunkt zum Hegemonialstreben der fundamentalistischen Iraner. b.) Hier ging es den Vereinigten Staaten um die Sicherstellung ihrer Ölversorgung. c.) Die massivste Anwesenheit der USA in der Geschichte der Golfregion entstand nach dem Golfkrieg II zur Überwachung des Iran und der Staaten der Region generell. Selbst innerhalb der obig beschriebenen Phasen waren die Typologien aus verständlichen Gründen nicht klar abgegrenzt.
Die endogene und exogene Dimension ist bis jetzt unbeachtet geblieben. Nicht zu vernachlässigender Faktor im Zweiten Golfkrieg sind sicherlich die bürgerkriegsähnlichen Zustände bei Aufständen der Kurden und Schiiten im Norden und Süden des Landes; diese ließ Hussein ja, teilweise mit Einsatz von Giftgas, niederschlagen. Insofern hat dieser Konflikt durchaus auch eine endogene Dimension; exogen sei noch erwähnt, daß sich der Irak in einer ziemlich miserablen wirtschaftlichen Lage befand (siehe dazu oben). Der Irak stellte weiters historische Ansprüche auf Kuwait, das im Osmanischen Reich zur Provinz Basra gehörte.
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