Problemstellung der Fertigungssteuerung
Die Fertigungssteuerung sorgt dafür, daß die in der Termin- und Kapazitätslanung festgelegten Termine auch realisiert werden. Das Problem ist, daß sie dabei mit einer Fülle von Störgrößen konfrontiert ist (Maschinen- und Personalausfall, keine Verfügbarkeit von Material, Vorrichtungen, Prüf- und Transportmittel, Eilaufträge) und nur durch unmittelbare Neudisposition der Plandaten (in Kenntnis der Abhängigkeit der Steuerungsparameter) die Terminziele gehalten werden können.
26.1 Konventionelle Systeme der Fertigungssteuerung
26.1.1 Meistersteuerung
In der Praxis werden die Fertigungsaufträge von mehreren Fertigungsbereichen (Dreherei, Fräserei, Montage, etc.) ausgeführt. Verantwortlich für die Durchführung der Steuerungs- aufgaben ist in der Regel der Meister. Er besitzt aufgrund seiner ausführungsnahen Stellung den größtmöglichen Überblick über Kapazitäten und Qualitätsniveau der einzelnen Arbeitsplätze innerhalb seines Bereiches. Diese Form der Meistersteuerung ist eine dezentrale Form der Fertigungssteuerung (hier oft auch Werkstattsteuerung genannt).
Jeder neue freigegebene Fertigungsauftrag wird in den sogenannten \"Arbeitsvorrat\" aufgenommen. Die Reihenfolge der Abarbeitung bestimmt der Meister aufgrund seiner Erfahrung und der Kenntnis des derzeitigen Ist-Zustandes in seinem Bereich. Mittels der Abzüge der Arbeitspläne (Arbeitskarten) veranlaßt er Material, WZ und Hilfsmittel für die Arbeitsdurchführung und lastet die Fertigungsaufträge bei den diversen Betriebsmitteln unter Zuhilfenahme von Prioritätsregeln, Bestands- und Terminlisten ein.
Ein Betrieb sollte Meistersteuerungen nur dort anwenden, wo lediglich von zwei oder drei Bereichen Steuerungsaufgaben übernommen werden müssen. Diese Bereiche müssen für sich überschaubar und mit den anderen koordinationsfähig bleiben können. Oft genug kommen bei diesen Formen die Aufgaben des Meisters wie
. Personalführung und -anleitung
. Qualitätssicherung und -entwicklung sowie
. Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen
zu kurz. Eine Entlastung der Meister kann durch sogenannte \"Terminjäger\" erfolgen, die sich vor allem um die Terminüberwachung kümmern, aber auch den meist vernachlässigten Informationsaustausch zwischen zentralen Planungsstellen und der dezentralen Arbeits-verteilung zu intensivieren.
26.1.2 Leitstandsteuerung
Die Leitstandsteuerung ist eine zentrale Form der Fertigungssteuerung. Die Meister sind vom Entscheidungsablauf der Fertigungssteuerung befreit und können sich den anderen Aufgaben besser widmen.
Die Datenerfassung- und Übertragung sind für eine zuverlässige Funktion eines Leitstandes von großer Bedeutung.
Sie eignet sich besonders für:
. Fertigungsstraßen
. bei technologisch komplexer Fertigung
26.2 Kanbansteuerung
Kanban ist der japanische Ausdruck für Karte oder Schild und ist ein dezentrales Konzept zur Fertigungssteuerung. Demnach ist das Kanban-System ein auf Karten basierendes Instrument zur Steuerung des Material- und Informationsflusses auf Werkstattebene (Fertigungssteuerung). Das Kanban-System übt keine Organisations-funktion aus, es ist lediglich ein Steuerungsinstrument.
Ziel des Kanban-Systems ist es, auf allen Fertigungsstufen eine mindestbestandsorientierte Fertigungsdisposition einzuführen. Dies geschieht indem die Materialbestände in Zwischenlagern (Puffern) sowie die Durchlaufzeiten bei trotzdem genauer Termineinhaltung auf ein Optimum (nicht Minimum!) reduziert werden, wobei gleichzeitig eine Erhöhung der Flezibilität im Fertigungsbereich angestrebt wird.
Jedem Regelkreis (bestehend aus zwei aufeinanderfolgenden Arbeitsstationen) ist ein Bestandspuffer mit einer genau festgelegten Menge derjenigen Komponenten vorgelagert, die zur Herstellung des betrachteten Produktes oder seiner Bestandteile erforderlich sind. Wird in diesen Pufferlagern ein definierter Mindestbestand unterschritten, löst der Verbraucher beim Erzeuger mit Hilfe einer Auftragskarte (japanisch: Kanban) einen Auftrag mit einer ebenfalls definierten Menge zu einem definierten Termin aus. Der Hersteller liefert diesen Auftrag in einem standardisierten Behälter, der mit der identifizierenden Sachnummer des gebrauchten Bauteils oder der Baugruppe gekennzeichnet ist. Innerhalb eines Regelkreises befindet sich eine genau abgestimmte Anzahl an Behältern, die ständig im Umlauf sind.
Besser vorstellbar unter dem Supermarkprinzip. Darunter wird ein verbrauchsorientiertes System mit folgendem Ablauf verstanden: Alle Material- und Halbfrabikatelager werden in kleingehaltene Zwischen- bzw. Pufferlager umgewandelt. Ein Verbraucher auf der Pruduktionsstufe n (Kunde im Supermarkt) entnimmt dem Zwischenlager (Regal im Supermarkt) eine bestimmte Art und Menge an Teilen. Diese Lücke wird bemerkt und von der Produktionsstufe n-1 (Angestellter des Supermarktes) kurzfristig wieder aufgefüllt. Dieser Vorgang löst auf einer weiter vorgelagerten Produktionsstufe n-2 (Einkäufer im Supermarkt) eine Bestellung bzw. einen Auftrag zur Nachlieferung aus. Auf eine Kurzformel gebracht, lautet das Supermarkt-Prinzip: Produziere heute das, was gestern verbraucht wurde.
Die kennzeichnenden Elemente des Verfahrens sind:
. vermaschte, selbststeuernde Regelkreise
. Holprinzip für die jeweils nachfolgende Verbrauchsstufe
. flexibler Personal- und Betriebsmitteleinsatz
. kurzfristige Steuerung durch ausführende Mitarbeiter
. Kanban-Karte als spezieller Informationsträger
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