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wirtschaft artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die praxis des vernichtungskrieges



Schon im Februar/März 1941 hatte es zwischen Wehrmachts- und nationalsozialistischer Führung einen Konsens über die Art und Weise der Kriegsführung im Osten gegeben. Die Wehrmacht machte sich Hitlers Forderung nach dem Kampf gegen die "jüdisch-bolschewistische Intelligenz" zu Eigen, zumal die Richtlinien des Diktators genügend Spielraum für eigene Interpretationen ließen. Darin lag eine wesentliche Ursache späterer Exzesse: Die ungenaue Zielgruppendefinition bot die Voraussetzung für die Radikalisierung im Krieg, für einen "schubweisen Entkopplungsprozess" (Ludolf Herbst), der den Vernichtungswillen begünstigte und die immer weitere Ausdehnung der Gewaltaktionen förderte. Allein von den 3,35 Millionen russischen Kriegsgefangenen im Jahr 1941 kamen bis zum 1.Februar 1942 zwei Millionen ums Leben. Sie starben an Unterversorgung, Zwangsarbeit und den Strapazen langer Märsche oder wurden exekutiert.
Drei Faktoren bildeten die Rahmenbedingungen für die Ermordung der russischen Kriegsgefangenen und der Ostjuden während des "Weltanschauungskrieges". Erstens der Vernichtungswille der nationalsozialistischen Führung und der Einsatzgruppen vor Ort, die durch die besondere Brutalität ihres Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung hervortraten. Zweitens die fast reibungslose Zusammenarbeit zwischen Parteidienststellen und Wehrmachtseinheiten, die den Massenerschießungen der SS nicht nur zuarbeiteten, sondern auch selbst aktiv Exekutionen vornahmen. Und drittens die Beteiligung von Kollaborateuren aus den besetzten Ländern, die ein eigenes Interesse an der Bekämpfung von Juden und Kommunisten hatten.
Zusätzlich wurden die Handlungsmöglichkeiten der nationalsozialistischen Führung immer geringer: Nachdem Vertreibung und Aussiedlung noch nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatten oder aber an der praktischen Umsetzbarkeit gescheitert waren, entwickelten sich auf der Grundlage bestehender Deportationspläne neue, radikalere Lösungsvorschläge, die die Politik des Antisemitismus fortsetzten, und sie in Bahnen lenkten, in der die Vertreibungs- zu einer Vernichtungspraxis wurde.
Insgesamt lassen sich seit Kriegsbeginn drei Phasen der deutschen Judenpolitik während der Ostexpansion unterscheiden: Die erste Phase, die in etwa vom Beginn des Überfalls auf Polen bis zum Juni 1940 dauerte, war durch die "Territorialisierung der Judenfrage" gekennzeichnet. Die Juden wurden zur Auswanderung in den Osten gezwungen, so dass bis zum Juni 1941 etwa 300 000 polnische Juden die deutsch besetzten Gebiete verlassen mussten. Deportationen und Ghettoisierung prägten ebenfalls diese erste Phase. Die Region um Lublin wurde zu einem der großen Sammelbecken für die Vertriebenen. In einer zweiten Phase erweiterten sich die nationalsozialistischen Umsiedlungs- und Deportationspläne. Bis zum Beginn des Russlandfeldzuges wurde die "Lösung der Judenfrage" von Überlegungen bestimmt, die eine Aussiedlung der Juden nach Madagaskar vorsah. Die jüdischen Ghettos veränderten derweil ihr Gesicht. Hunger und die Ausschreitungen der Einsatzgruppen wurden zu täglichen Erfahrungen. Mit dem Beginn des Russlandfeldzuges wurde schließlich in einer dritten Phase die Tötungsmaschinerie institutionalisiert.

 
 

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