Laut statistischen Angaben des Jahres 1990 lebten in der Sowjetunion 138 Völker, die sich jedoch teilweise noch in ethnische Untergruppen aufspalten ließen (so werden z.B. Krysen und Chinalugen der Völkerschaft der Aserbaidschaner zugerechnet). Der Nationalitätenfrage versuchte man dadurch gerecht zu werden, dass die 15 sowjetischen Republiken aufgeteilt wurden in 20 Autonome Sozialistische Sowjetrepubliken (ASSR), acht Autonome Gebiete (AG) sowie zehn Nationale Kreise (NK). Den Grundtenor gab jedoch die Verfassung von 1977 vor. Dort hieß es: "Das Sowjetvolk (.
..) legt die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung und der Politik der UdSSR fest, bestimmt die Rechte, Freiheiten und Pflichten der Bürger (...) und die Ziele des sozialistischen Staates des gesamten Volkes und verkündet sie in dieser Verfassung.
" "Nicht mehr die in der Sowjetunion zusammengeschlossenen Völker, sondern ein fiktives, rein ideologisch definiertes Sowjetvolk" war also Träger dieser Verfassung. Nichtsdestotrotz wurde die UdSSR in Artikel 70 eben dieser Verfassung als "Ergebnis der freien Selbstbestimmung der Nationen und der freiwilligen Vereinigung gleichberechtigter sozialistischer Sowjetrepubliken" definiert. In der Praxis herrschte jedoch in den russischen Republiken ein "Überlegenheitsgefühl (...) mit chauvinistischen Zügen" .
So wurde Mitte der 70er Jahre "die Beseitigung der Landessprachen und die eindeutige Vorherrschaft des Russischen unter dem Deckmantel des ,Konzepts der Zweisprachigkeit' forciert vorangetrieben". Hinzu kam, dass sich trotz ihrer zahlenmäßiger Unterlegenheit (in den 80er Jahren weniger als 50% der Gesamtbevölkerung) die innenpolitische Macht auf die "Großrussen" konzentrierte: "Ihr Anteil an der Mitgliedschaft in der Partei (lag) bei über 60%, in den Führungsgremien der Partei wuchs er sogar noch an (...) im Spitzengremium, dem Politbüro, waren Mitglieder der nicht-slawischen Völker immer die Ausnahme" .
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