Der Modellversuch Virtual College an den wissenschaftlichen Hochschulen und Universitäten in Berlin und Brandenburg sollte dieser Entwicklung Rechnung tragen. Während zahlreiche andere sogenannte "Multimedia-Projekte" häufig vorgeben, die Welt prinzipiell neu zu erfinden, indem sie sich entweder vom Techno-Hipe der Produktanbieter anstecken lassen oder auf die berechtigte Chance setzen, einschlägige Firmen in einen spendierfreudigen High-Tech-Taumel zu verführen, wurde im Virtual College mit einem low-budget-Konzept nach den Ressourcen gefragt, die die jeweiligen universitären Einrichtungen bereits jetzt in ein interdisziplinäres und interinstitutionelles Projekt einbringen können. Ohne große zusätzliche finanzielle Aufwendungen sollten Synergieeffekte freigesetzt werden. Zugleich wurde durch die Infrastruktur des Virtual Colleges, mit zahlreichen fächer- und institutsübergreifenden Sitzungen und Veranstaltungen, ein reger Austausch unter den avantgardistischen Techniknutzern an den verschiedenen Hochschulen initiiert.
Obwohl die Telekom im Virtual College ISDN-Leitung kostenlos zur Verfügung stellte und auch die Firma AOL ein Semester lang Kunden unter den Studenten durch Gratisabos für die Nutzung des Internets und einiger Zusatzdienste werben durfte, wurde der Großteil der Kosten aus den normalen Institutsetats aufgebracht. Auch bei den über 50 Lehrveranstaltungen im Laufe eines Semesters wurden trotz zahlreicher externer Dozenten aus privaten Einrichtungen ein hoher Anteil der Veranstaltungen aus den "Bordmitteln" der jeweils beteiligten Fachbereiche finanziert. Wäre das Virtual College mit einer eigenständigen Kostenträgerrechnung durchgeführt worden, und hätte man alle Institutsleistungen extern in Rechnung stellen müssen, so wäre dieser Modellversuch nicht finanzierbar gewesen. Enhanced services, z.B. durch die Möglichkeit Seminare kostenlos per Bildtelefon miteinander in Kontakt zu bringen, wurden in Berlin von Unternehmen wie Sony, Videoline oder P.I.K. durch einige wenige Geräteleihgaben ermöglicht, doch in Zukunft wird sich das Telelernen auf Dauer nicht wirklich über Sponsorenbeiträge finanzieren lassen.
Während die Berliner Hochschuleinrichtungen untereinander durch einen breitbandigen ATM-Anschluß erstaunlich gut verbunden sind, und diese Verbindungen in den jeweiligen Fachbereichen im Binnenverhältnis vorerst noch kostenlos genutzt werden können, war für die Anbindung der Brandenburger Hochschulen an das Berliner Netz jeweils eine 2Mbit-Verbindung mit den entsprechenden Routern erforderlich. Gleich zu Anfang des Projektes gab es große Probleme mit längst standardisierten Schnittstellen (S2M), und erst Monate nach dem eigentlichen Starttermin stand die erste voll funktionstüchtige Multiplexverbindung mit 32 ISDN-Kanälen. Die Schwierigkeiten beim Aufbau und Ausbau der Systeme sind dennoch nicht primär solche der Technik sondern sie liegen in deren Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit, und die hängt allerdings auch mit dem Stand und der Entwicklung von Technik zusammen.
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