Staatliches Veterinäruntersuchungsamt für Fische und Fischwaren Cuxhaven
Vergiftungen durch den Verzehr von Muscheln, die Toxine aus bestimmten Algen enthalten, sind seit Langem bekannt. Derzeit sind sowohl internationale (es wurde kürzlich ein europäisches Referenzlabor mit Sitz in Spanien sowie nationale Referenzlaboratorien in den EU-Mitgliedsstaaten gegründet) als auch nationale (im Rahmen der Etablierung von Standardmethoden nach § 35 LMBG) Bestrebungen zur Weiterentwicklung der Methodik zur Bestimmung von Algentoxinen und Intensivierung der Überwachung kommerziell genutzter Muschelbänke im Gange. Im folgenden Bericht sollen die im Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt für Fische und Fischwaren Cuxhaven eingesetzten Methoden zur Bestimmung der wichtigen Toxine des PSP- und DSP-Typs vorgestellt werden.
Paralytic Shellfish Poisoning (PSP)
Bezüglich ihrer Toxizität lassen sich PSP-Toxine mit den stärksten Giften pflanzlicher und tierischer Herkunft vergleichen. In unseren einheimischen Gewässern kommen PSP-produzierende Algen wie z.B. Gonyaulax tamarensis praktisch nicht vor. Dagegen treten in anderen europäischen Ländern, z.B. in Spanien, PSP-Belastungen in Muscheln durchaus häufig auf.
Die Gruppe der PSP-Toxine setzt sich aus mindestens 18 verwandten Substanzen zusammen (siehe Abb.1). Bekanntester Vertreter, quasi Leitsubstanz, ist das Saxitoxin. Chromatographisch lassen sich die PSP-Toxine aufgrund ihrer unterschiedlichen Polarität gut voneinander trennen. Allerdings macht das Fehlen eines Chromophors die Detektion schwierig und es ist notwendig, eine Derivatisierung durchzuführen. Dabei bietet sich eine Oxidation der PSP-Toxine mittels Perjodsäure oder H2O2 an. Es entstehen fluoreszenzaktive Purinderivate. Die Oxidation kann sowohl als Vorsäulen- als auch als Nachsäulen-Variante eingesetzt werden. Die Vorsäulenderivatisierung [ 1 ] besitzt den Vorteil geringeren apparativen Aufwands. Allerdings verläuft die Oxidationsreaktion nicht für alle Toxine zu spezifischen Produkten. So bilden z.B. GTX-2 und GTX-3 dasselbe Derivat, die Methode erlaubt keine Trennung dieser Komponenten. Im VUA Cuxhaven wird die Nachsäulenderivatisierung bevorzugt (vergl. z.B. die von Oshima [ 2 ] beschriebene Methode), wobei durch Einsatz eines Gradientensystems die Trennung sowohl der polareren (z.B. GTX-1 bis GTX-5) als auch der weniger polaren PSP-Toxine (Saxitoxin, dc-Saxitoxin) in einem Analysengang möglich ist. Die Nachsäulenoxidation wird mit einer Reaktionspumpe, die nacheinander Ammoniak (pH-Wert Einstellung), Perjodsäure (Oxidation) und konz. Schwefelsäure (Reaktionsstop) mit den zuvor auf einer RP-18 Säule getrennten PSP-Toxinen mischt, vorgenommen. Abbildung 2 zeigt das Chromatogramm eines Gemisches verschiedener PSP-Toxine.
Diarrhetic shellfish poisoning (DSP)
Nach dem Verzehr von Muscheln, die mit DSP-Toxinen (siehe Abb.3) belastet sind, stellen sich beim Menschen rasch Übelkeit, Erbrechen und Durchfall ein. Verursacht werden diese zum Teil ernsten Erkrankungen dadurch, daß die Muscheln Dinophysis-Algen aufnehmen und das in diesen enthaltene Toxin in ihrem Verdauungstrakt (Hepatopankreas) anreichern. Die Bestimmung von DSP-Toxinen mittels HPLC ist ähnlich wie bei den PSP-Toxinen nur nach einer Derivatisierung der Toxine möglich. Für die Derivatisierungreaktion eignet sich die sowohl in der Okadasäure als auch im DTX-1 enthaltene Carboxylgruppe. Veresterungen mit diversen Reagentien wurden erprobt, wobei sich die Umsetzungen mit 9-Anthryldiazomethan (ADAM) oder mit 7-Brommethyl-4-methoxycumarin als am besten geeignet erwiesen. Diese Derivatisierungen sind nur als Vorsäulenderivatisierungen möglich. Im VUA Cuxhaven wurde die von Lee [ 4 ] vorgeschlagene Umsetzung mit ADAM überarbeitet. Besonders die Variation der Vorreinigung über SPE-Kartuschen erbrachte eine deutliche Reduzierung des Untergrundes und damit eine Stabilisierung der Meßergebnisse. In Abbildung 4 ist ein mit der im VUA Cuxhaven eingesetzten Methode erhaltenes Chromatogramm eines Okadasäure/DTX-1 Standardgemisches dargestellt. Die Derivatisierung mittels ADAM wird zur Zeit im Rahmen der AG Muscheltoxine am BgVV, deren Ziel die Erstellung von Routinemethoden nach §35 LMBG ist, getestet.
Niedersächsisches Muschelmonitoring-Programm
Seit einigen Jahren werden die kommerziell genutzten Muschelbänke im niedersächsischen Wattenmeer regelmäßig (ab Mitte August wöchentlich bzw. 14tägig bis zum Ende der Muschelernte) auf Kontamination der Miesmuscheln mit Toxinen überprüft. 1995 wurde dabei im Raum der Jade erstmals eine Belastung der Muscheln mit Okadasäure festgestellt. Mit der oben beschriebenen HPLC-Methode wurden Spitzenwerte von 1400 Mikrogramm Okadasäure pro Kilogramm Muschelhepatopankreas gefunden. Dieser Wert liegt eindeutig über dem in § 17, Anlage 3 der FischHV (400 µg/kg) festgelegten Grenzwert. Bis zum Abklingen der DSP-Toxinbelastung wurde deshalb die betroffene Muschelbank gesperrt und in kurzen Abständen weiter beprobt. Insgesamt war die Belastung der Muscheln mit Okadasäure mehr als zwei Wochen lang nachweisbar. Vorsorglich wurde die Bank erst nachdem bei zwei aufeinanderfolgenden Untersuchungen keine Okadasäure mehr nachweisbar war wieder zur Ernte freigegeben. PSP-Toxine konnten in den Muscheln des niedersächsischen Wattenmeers wie in den vorhergehenden Jahren nicht gefunden werden.
Zusammenfassung
Dem VUA Cuxhaven stehen zuverlässige Nachweisverfahren zur Bestimmung von Muscheltoxinen des PSP- und DSP-Typs zur Verfügung, auch wenn bisher keine der eingesetzten Methoden als Routinemethode etabliert werden konnte. Zumindest für die DSP-Toxine sollte dies jedoch in naher Zukunft unter Verwendung der ADAM-Derivatisierung realisiert werden können. Bei den PSP-Toxinen ist bisher noch keine endgültige Entscheidung über eine zukünftige Referenzmethode gefallen, da sowohl die Vorsäulen- als auch die Nachsäulenderivatisierung Vorzüge und Nachteile aufweisen. Unter Berücksichtigung des zunehmenden Personaldrucks in den staatlichen Untersuchungsämtern sollte jedoch der Vorzug der geringeren Aufarbeitungszeit den Ausschlag zugunsten der online-Nachsäulenderivatisierung geben.
Literatur
[ 1 ] Lawrence JF, Menard C, Cleroux C (1995)
J. AOAC Int. 78: 514-520 (1995)
[ 2 ] Oshima Y
J. AOAC Int. 78: 528-532 (1995)
[ 3 ] Lee JS, Murata M (1989)
In: Natori S, Hashimoto K, Ueno Y (eds): Mycotoxins and Phycotoxins `88, Elsevier Amsterdam: 327-334
Abbildungslegenden
Abb. 1 : Strukturformeln der PSP-Toxine
Abb.2: Hochdruckflüssigchromatogramm eines Gemisches verschiedener PSP-Toxine (online- Nachsäulenoxidation mit Periodsäure)
Abb. 3: Strukturformeln der Okadasäure und von Dinophysistoxin-1
Abb. 4: Hochdruckflüssigchromatogramm eines Gemisches von Okadasäure und DTX-1 nach Derivatisierung mit 9-Anthryldiazomethan
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