Der Bundespräsident ist nach dem Grundgesetz als Staatsoberhaupt nicht Teil der Exekutive. Er steht über den drei Gewalten. Das gilt auch für den außenpolitischen Bereich. Er kann jedoch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die langfristigen Probleme lenken, die einer Lösung bedürfen, aber nicht Gegenstand der exekutiven Politik sind. Der Bundespräsident vertritt die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich. Das gibt ihm eine wichtige außenpolitische Stellung.
Er empfängt und besucht ausländische Staats- und Regierungschefs im In- und Ausland und führt politische Gespräche. Dabei kann der Bundespräsident - neben der Bundesregierung, mit der er sich abstimmt - außenpolitische Akzente setzen. Das geschieht im Rahmen seiner Auslandsreisen, zu denen neben den Staatsbesuchen auch offizielle Visiten und Arbeitsbesuche im Ausland zählen, und in seinen Reden. In seinen außenpolitischen Reden äußert er sich zu wichtigen Themen der internationalen Politik, zum Beispiel zur Reform und Erweiterung der Europäischen Union, zur Sicherung von Stabilität und Frieden und zu den wichtigsten Fragen in unseren bilateralen Außenbeziehungen. Er gewährt seine Schirmherrschaft für Projekte, die zu diesen Zielen beitragen, zum Beispiel über ein internationales Forschungsprojekt zum Dialog Westen-Islam. Solche Schirmherrschaften teilt er in der Regel mit anderen Staatsoberhäuptern.
Bundespräsident Rau wirbt für gute Nachbarschaft als Muster der Außenpolitik. Die Erfolgsgeschichte Europas im letzten halben Jahrhundert ist ein Beispiel für dieses Potenzial: Die Länder Europas haben als Nachbarn in vielen Bereichen der Politik voneinander gelernt. Sie sind sich ihrer sicherheitspolitischen Interessengemeinschaft als Nachbarn bewusst geworden. Sie leben als Nachbarn in einer gewachsenen Wertegemeinschaft. Nachbarschaft erklärt nicht nur viele der gemeinsamen inneren Entwicklungen Europas. Wenn die innereuropäische Nachbarschaft der letzten fünfzig Jahre ein positiver Erfahrungsschatz ist, dann kann er auch als Muster für andere Regionen der Welt wirken.
Das Grundgesetz legt in Art.59 fest, dass völkerrechtliche Verträge vom Bundespräsidenten oder von seinen Bevollmächtigten im Namen der Bundesrepublik Deutschland geschlossen werden. Zu den Aufgaben als Staatsoberhaupt gehört auch, die deutschen Botschafter zu beglaubigen und die ausländischen zu empfangen.
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