Die Wahlen in der ehemaligen DDR hatten von Verfassungswegen her die selben Merkmale, wie in der Bundesrepublik Deutschland: \"Die Volkskammer besteht aus 500 Abgeordneten, die vom Volk auf die Dauer von 5 Jahren in freier, allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden\" - so hieß es in der DDR-Verfassung.
Vergleichbar sind das Wahlsystem der DDR und das der Bundesrepublik jedoch nicht: In der DDR waren weder Abwechslungen an der Regierungsspitze noch ein Wettbewerb der Parteien vorgesehen. Die führende Rolle der Sozialistischen Einheitspartei (SED) war in der Verfassung festgeschrieben.
Träger der Wahlen in der DDR war die \"Nationale Front\". Diese Organisation koordinierte die verschiedenen Parteien und Verbände, die sogenannten \"Massenorganisationen\" vor Ort, außerdem die Tätigkeit nachbarschaftlicher Hilfe und lokaler Initiativen, vom Anlegen eines Kindergartens bis hin zum Pflegen von Parks und Grünanlagen.
Die Parteien und Massenorganisationen vereinten ihre Vorschläge zur gemeinsamen Liste der Nationalen Front. Bevor es so weit war, mußte laut Wahlrecht jeder Kandidat in seinem Betrieb geprüft werden. Wurde er abgelehnt, konnte er nicht nominiert werden.
Zu jeder Wahl wurden trotzdem mehr Kandidaten aufgestellt, als Plätze vorhanden waren. Die Wähler hatten aber hier das Recht den Kandidaten, der ihren Ansprüchen nicht genügte, einfach wegzustreichen, wodurch ein gewisser Einfluß entstand, wer ein Sitz in der Volkskammer bekam oder auch nicht.
Die Möglichkeit sich ihrer Stimme zu entziehen hatten die Wähler nicht, denn sie standen unter einem faktischen Zwang der Stimmenabgabe.
Zu den Wahlen traten nicht nur die Parteien SED, LDPD, CDU und NDPD an, sondern auch Verbände wie der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGD) oder die Freie Deutsche Jugend (FDJ). Ihre Kandidaten wurden auf einer gemeinsamen Liste im \"Demokratischen Block\" zusammengefaßt.
Die in der DDR gewählten Abgeordneten waren Mitglied der Volkskammer, der obersten Volksvertretung der DDR. Die Daten zur letzten Volkskammerwahl 1986 sind beeindruckend: Wahlbeteiligung 99,74, Zustimmung zur vorgeschlagenen Liste 99,94 Prozent!
Nicht nur die Wahlen, auch der Wahlkampf, die Wahlplakate und die Slogans sahen in der DDR anders aus. Bei der graphischen Gestaltung ihrer Wahlplakate orientierten sich die Macher aus der Abteilung Agitation beim Amt für Information aus der Geschichte der Arbeiterbewegung, vorzugsweise aus dem Fundus der KPD.
Auf dem Thesenblatt, das ich euch ausgeteilt habe, ist der gesamte Prozess der Kandidatenaufstellung und Wahl in der ehemaligen DDR nochmals ausführlichst dargestellt.
Desweiteren findet ihr auf der Rückseite die geheime Anweisung des Politbüros der SED zur Gültigkeit der Stimmzettel bei den Kommunalwahlen. 15. Juni 1957. Dieser Text unterstreicht einerseits die Unsinnigkeit der Wahlen in der ehemaligen DDR und lässt andererseits erahnen, wie diese beeindruckenden Wahlergebnisse zustande gekommen sind.
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