Schaut man sich die praktische Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen an, so lässt sich feststellen, dass wesentliche Aspekte des Gesetzes nicht erfüllen, was man sich in der Theorie von ihm versprochen hatte. Die Bundesregierung beziffert die tatsächliche Beschäftigungsquote für die Bundesrepublik auf 3,9% (Stand 1996; vgl. BMA 1998, 70). Somit ist die Quote seit 1982 (von 5,9%) kontinuierlich gesunken. Dabei fallen die Beschäftigungsquoten der öffentlichen Arbeitgeber (1996: 5,2%) deutlich höher aus als die der privaten Wirtschaft (1996: 3,5%). Der Bund als Arbeitgeber sollte dabei mit 6,9% (1996) eine Vorbildfunktion haben. Die private Wirtschaft scheint jedoch mit solchen Statistiken nicht zu beeindrucken zu sein. Für Oktober 1997 waren bei den Arbeitgebern 23,11 Mio. Arbeitsplätze vorhanden. Grundlage für die Berechnung der mit Schwerbehinderten zu besetzenden Pflichtplätze waren 20,62 Mio. Arbeitsplätze. Nach dem Pflichtsatz von 6% wären somit 1,24 Mio. Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten zu besetzen gewesen. Tatsächlich waren 795.100 Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten, Gleichgestellten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen besetzt (vgl. Landschaftsverband Rheinland 1999, 13).
2.4.2 Kommentar:
Wie die Kommentare der meisten Experten verzeichnen, wird die Ausgleichsabgabe als unzureichendes Instrument betrachtet, Arbeitgeber zur Beschäftigung von Schwerbehinderten zu bewegen (vgl. Cloerkes 1997, Wagner 1996, Niehaus 1994). Als eine Hauptursache wird gesehen, dass Betriebe, welche ihrer Beschäftigungspflicht nicht nachkommen, keinerlei Sanktionen drohen und die Ausgleichsabgabe ökonomisch leicht zu verkraften erscheint. Viele Arbeitgeber scheinen aber auch die bürokratischen Hindernisse, welche mit einer behindertengerechten Umstrukturierung von Arbeitsplätzen verbunden sind, zu überschätzen. In der Regel funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den interessierten Betrieben, dem Arbeitsamt und den Fürsorgestellen reibungslos und zügig (vgl. Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Hauptfürsorgestellen 1990). Es scheint einiges darauf hinzudeuten, dass traditionelle Vorurteile und Fehlinformationen oftmals Ursache für die skeptische bis ignorante Haltung der Arbeitgeber zu sein scheinen. Außerdem wird immer wieder festgestellt, dass es für Arbeitnehmer, welche bereits beschäftigt im Verlaufe des Berufsleben den Schwerbehindertenstatus erwerben, leichter ist, angemessene innerbetriebliche Unterstützung zu erfahren als das bei einer Neueinstellung von Schwerbehinderten der Fall ist. Vielfach ist von der Praxis die Rede, dass Bewerbungen von Schwerbehinderten entgegen der gesetzlichen Regelungen, gar nicht erst berücksichtigt werden und ohne Nennung von Gründen abgelehnt werden (vgl. Harmsen 1988, 60f).
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