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Romano Prodi Der italienische Wirtschaftswissenschaftler und Politiker Romano Prodi lehrte und forschte zunächst lange Jahre in den Bereichen Wirtschaftswissenschaften und Industriepolitik und war auch als Manager aktiv in der Industrie tätig, ehe er von 1996 bis 1998 an der Spitze des Mitte-links-Bündnisses "Ölbaum" als Ministerpräsident von Italien amtierte. Im Mai 1999 wurde der parteilose Prodi mit großer Mehrheit zum Präsidenten der Europäischen Kommission berufen, nachdem die alte Kommission aufgrund zahlreicher Korruptionsvorwürfe zurückgetreten war.Mit freundlicher Genehmigung von European Commission Audiovisual Library



Besonders die Beitrittsgesuche der zehn mittel- und osteuropäischen Staaten des Europa-Abkommens stellen die EU vor immense Herausforderungen, sowohl strukturelle und institutionelle wie finanzielle. Angesichts dieser Herausforderungen erarbeitete die Kommission im Auftrag des Europäischen Rates Vorschläge für die im Hinblick auf eine Erweiterung notwendige Reformen der EU sowie für die konkreten Schritte zur Erweiterung und erstellte einen Finanzrahmen für die Jahre 2000 bis 2006. Das Ergebnis ihrer Arbeit legte die Kommission im Juli 1997 in Form der Agenda 2000 vor. Einen Schwerpunkt der Agenda bildet die Reform der Agrarpolitik, die, würde sie unverändert weitergeführt, nach einer Osterweiterung der EU deren Finanzrahmen vollends sprengen würde; zudem widerspricht das Subventions- und Garantiepreissystem der EU-Agrarpolitik den Regeln des freien Welthandels. Des Weiteren enthält die Agenda Vorschläge zu einer neuen Heranführungsstrategie der Beitrittskandidaten an die EU in Form einer so genannten Beitrittspartnerschaft und befasst sich mit dem Problem der Gewährleistung der wirtschaftlichen und sozialen Standards unter den Bedingungen einer Osterweiterung. Zur notwendigen Reform der Organe der EU, sowohl was ihre jeweiligen Aufgaben und Kompetenzen als auch ihre künftige Größe, Zusammensetzung und Struktur betrifft, äußert sich die Agenda ebenfalls detailliert. Als größtes Hindernis für eine Einigung der 15 EU-Staaten über die Agenda 2000 erwies sich der in der Agenda vorgestellte Finanzrahmen für die Jahre 2000 bis 2006, der insbesondere bei den Agrarausgaben und der Regionalförderung Kürzungen und Umschichtungen vorsah. Erst nach langwierigen Verhandlungen konnten sich die Staats- und Regierungschefs der EU im März 1999 auf eine modifizierte Agenda 2000 einigen, die deutlich hinter den von der Kommission vorgeschlagenen Kürzungen im Agrarhaushalt zurückblieb und auch die Erwartungen einiger Mitglieder hinsichtlich der Neuverteilung der Finanzlasten nicht erfüllen konnte, die aber dennoch mittelfristig die Erweiterungsfähigkeit der EU gewährleistet.



Dass eine tief greifende Reform der Organe der EU, wie sie die Kommission in der Agenda 2000 auch für die eigene Behörde vorgeschlagen hat, dringend notwendig ist, erwies sich im März 1999, als die EU durch den Rücktritt der gesamten Kommission in ihre bislang schwerste Krise geriet. Vorausgegangen waren Vorwürfe der Korruption und der Vetternwirtschaft gegen einige der 20 Kommissare, allen voran gegen die französische Kommissarin Edith Cresson, und ein gescheiterter Misstrauensantrag des Europäischen Parlaments gegen die Kommission. Als problematisch erwies sich dabei, dass die Kommission als Kollektivorgan agiert, d. h. auch nur als Kollektiv abgesetzt werden kann; Misstrauensanträge gegen einzelne Kommissare sind nicht vorgesehen. Nach dem gescheiterten Misstrauensvotum wurde der so genannte "Rat der fünf Weisen" eingesetzt, der rückhaltlos aufklären sollte, inwieweit sich die EU-Kommission für Misswirtschaft, Betrug und Korruption zu verantworten habe. In ihrem Abschlussbericht bestätigten die "Fünf Weisen" die Vorwürfe der Korruption und der Vetternwirtschaft gegen einige der Kommissare und bescheinigten den 20 Kommissaren kollektives Versagen sowie mangelndes Verantwortungsbewusstsein und Missmanagement. Die Kommission unter der Führung ihres Präsidenten Jacques Santer zog die Konsequenz und trat am 16. März 1999 geschlossen zurück, blieb jedoch bis zur formellen Ernennung der neuen Kommission unter Romano Prodi im September 1999 noch kommissarisch im Amt.



Die bereits im Vertrag von Amsterdam und in der Agenda 2000 angelegte Reform der Kommissionsspitze sowie der in ihren Strukturen nahezu undurchschaubar gewordenen Gesamtbehörde mit ihren 20 000 Mitarbeitern erhielt durch die Krise um die Kommission neue Brisanz, ebenso die Forderungen nach einer Erweiterung der Kontrollfunktionen des Parlaments. Die neue Kommission leitete unmittelbar nach ihrem Amtsantritt tief greifende Reformen der eigenen Behörde ein; der Reformprozess verlor jedoch rasch an Schwung und beschränkte sich zunächst im Wesentlichen auf eine Reduzierung der Dienste und Generaldirektionen der Kommission.



Im Februar 2000 nahm eine Regierungskonferenz die Arbeit auf, die Vorschläge für eine grundlegende institutionelle Reform der gesamten EU in Hinblick auf die geplante Erweiterung erarbeiten sollte. Sie befasste sich u. a. mit der Frage nach der zukünftigen Größe und Zusammensetzung der Kommission sowie der anderen Organe der EU, mit dem Problem der zukünftigen Stimmengewichtung im Ministerrat und einer eventuellen Ausweitung der Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit zulasten der einstimmigen Beschlüsse und mit der Möglichkeit einer verstärkten Zusammenarbeit und eines rascheren Voranschreitens einzelner Mitglieder in bestimmten Bereichen, der so genannten Flexibilitätsklausel. Im Dezember 2000 verabschiedete der EU-Gipfel dann im Vertrag von Nizza entsprechende Reformen: die Neujustierung der Machtverhältnisse im Ministerrat, die Neuverteilung der Kommissarsposten (pro Mitgliedsland ein Kommissar), die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen sowie die Festschreibung des Flexibilitätsprinzips. Der Vertrag muss allerdings noch von den Mitgliedsländern ratifiziert werden, was nach dem "Erweiterungs-Fahrplan" bis spätestens Ende 2002 geschehen sein soll. Außerdem einigte sich der Gipfel auf den so genannten Post-Nizza-Prozess, d. h. eine weitere Reformrunde im Jahr 2004.



Ihren sicherheitspolitischen Führungsanspruch in Europa, dessen mangelhafte Umsetzung im Rahmen des Kosovo-Konfliktes deutlich erkennbar wurde, suchte die EU seit Beginn des NATO-Bombardements gegen Jugoslawien im März 1999 gerade in Reaktion auf ihr Versagen auf dem Balkan zu verwirklichen: Sie bemühte sich nachdrücklich um Vermittlung, übernahm nach Kriegsende die Führung im Balkan-Stabilitätspakt und leitete - unter dem Eindruck des Kosovo-Krieges - den Aufbau handlungsfähiger und effektiver sicherheits- und verteidigungspolitischer Strukturen ein, installierte z. B. wie erwähnt den Hohen Beauftragten für die GASP und beschloss den Aufbau einer europäischen Eingreiftruppe.



Parallel zu den außen- und sicherheitspolitischen Aktivitäten unternahm die EU auch "innenpolitisch" weitere Schritte zur europäischen Einigung: Im Oktober 1999 wurde die Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsraumes beschlossen, in dem Gerichtsurteile gegenseitig anerkannt, die gemeinsame Verbrechensbekämpfung forciert, die Rechtspolitiken der Mitgliedsstaaten einander angenähert und vor allem auch das Asylrecht vereinheitlicht werden soll. Zudem ließ die EU von einer Expertenkommission unter dem Vorsitz von Roman Herzog eine Grundrechtscharta ausarbeiten, die zum einen den Bürgern der EU Rechtssicherheit geben, zum anderen auch die noch immer teilweise wenig ausgeprägte Identifikation der Bürger mit der EU verstärken soll. Im Oktober 2000 legte die Kommission ihren Entwurf vor, im Dezember 2000 verabschiedete der EU-Gipfel in Nizza die Charta.



Handlungsbedarf - auch im Hinblick auf die Osterweiterung der EU - ergab sich in der Frage nach den Befugnissen der EU gegenüber einzelnen Mitgliedsstaaten. Entzündet hatte sich die Diskussion, inwieweit sich die EU in innenpolitische Angelegenheiten eines ihrer Mitgliedsstaaten einmischen dürfe, an den Sanktionen, die die EU in Reaktion auf die Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ gegen Österreich verhängte. Noch während ÖVP und FPÖ Ende Januar 2000 in Österreich über eine Regierungszusammenarbeit verhandelten und noch bevor ein Koalitionsvertrag oder Regierungsprogramm der beiden Parteien vorlag, drohte die EU-Ratspräsidentschaft für den Fall einer Regierungsbeteiligung der FPÖ die politische Isolierung Österreichs an; unmittelbar nach der Vereidigung der ÖVP/FPÖ-Regierung Anfang Februar setzten die übrigen 14 EU-Staaten diese Drohung um und suspendierten ihre bilateralen Beziehungen zu Österreich. Zwar halten die EU-Verträge tatsächlich die Möglichkeit von Sanktionen gegen einzelne Mitgliedsstaaten offen - aber nur bei schweren Verstößen gegen die freiheitlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen und die Menschenrechte garantierenden Grundprinzipien der EU. Und die waren der FPÖ im Koalitionsvertrag und im Regierungsprogramm nicht nachzuweisen, wohl aber den Äußerungen einzelner FPÖ-Politiker, allen voran den Äußerungen des einstigen Parteivorsitzenden Jörg Haider. Es stellte sich nun die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Sanktionen gegen Österreich fußten, ob es überhaupt ausreichende Rechtsgrundlagen für die Sanktionen gäbe, warum etwa die EU nicht auch auf die rechtspopulistische Regierung (mit neofaschistischer Beteiligung) in Italien unter Silvio Berlusconi 1994 mit Sanktionen reagiert hatte und wie in Zukunft in ähnlich gelagerten Fällen zu verfahren sei. Angesichts der mangelnden Legitimation ihrer Sanktionen und um ohne Gesichtsverlust die Sanktionen wieder aufheben zu können, entsandte die EU schließlich im Juli 2000 "drei Weise" nach Österreich, die die Situation der Grund- und Menschenrechte überprüfen sollten. In ihrem Abschlussbericht kamen die "drei Weisen" zu dem Ergebnis, dass keine Verstöße zu beobachten seien, rieten aber Wachsamkeit gegenüber der FPÖ an. Im September 2000 wurden die - völlig wirkungslosen - Sanktionen gegen Österreich aufgehoben. Von Österreich, das sich im Übrigen vehement gegen die Sanktionen und die Einmischung in innerösterreichische Angelegenheiten zur Wehr setzte, kam der Vorschlag eines geordneten Verfahrens zur Überprüfung der demokratischen Zustände in einem Mitgliedsstaat, das u. a. die Anhörung des betroffenen Mitgliedsstaates und die Möglichkeit eines Einspruchs beim Europäischen Gerichtshof beinhalten solle. Als im Juni 2001 in Italien erneut Berlusconi die Regierung übernahm, wieder mit neofaschistischer Beteiligung, sah die EU von Sanktionen oder ähnlichen Reaktionen ab.



Eine weitere Irritation erfuhr der Integrationsprozess der EU, als Dänemark im September 2000 in einer Volksabstimmung die Einführung des Euro ablehnte. Auch in anderem Zusammenhang sorgte das Thema "Volksabstimmung", die Einbeziehung von EU-Bürgern in EU-Entscheidungsprozesse, für Unstimmigkeiten, so etwa, als der Kommissar für die Erweiterung der EU, Günther Verheugen, für Deutschland ein Referendum über die Osterweiterung der EU vorschlug, oder als das mit Sanktionen belegte Österreich ultimativ die Abhaltung einer Volksabstimmung über die Sanktionen und zugleich die Osterweiterung androhte. Überhaupt bot die Osterweiterung immer wieder Anlass zu Spannungen und Konflikten zwischen den EU-Mitgliedern: So forderten etwa Deutschland und Österreich zum Schutz des eigenen Arbeitsmarktes eine bis zu siebenjährige Übergangsfrist bei der Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern, eine Forderung, der die Kommission auch weitgehend entsprach. Spanien verlangte aber für seine Zustimmung zu dieser Übergangsfrist bindende Zusagen für eine Fortführung der umfangreichen Zahlungen aus dem Strukturfonds an Spanien über das Ende des laufenden Finanzplans im Jahr 2006 hinaus. Die Auseinandersetzungen um Übergangsfristen und Subventionen, die bis in die zweite Jahreshälfte 2001 andauerten, drohten den bisherigen Zeitplan für die Osterweiterung, nach dem 2003 die ersten neuen Kandidaten aufgenommen werden sollten, in Gefahr zu bringen.



Einen neuerlichen Rückschlag erlebte der Reform- und Integrationsprozess, als Irland im Juni 2001 in einer Volksabstimmung den Vertrag von Nizza ablehnte (mit 54 Prozent der abgegebenen Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von lediglich 34 Prozent). Der Vertrag kann jedoch erst in Kraft treten, wenn er von allen 15 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert ist. Nun besteht die Erwartung, dass die irische Bevölkerung einen durch Ausnahmeklauseln für Irland modifizierten Vertrag von Nizza in einer zweiten Volksabstimmung annimmt.



Dessen ungeachtet leitete der Europäische Rat auf seinem Gipfeltreffen im belgischen Laeken am 14./15. Dezember 2001 bereits den Post-Nizza-Prozess ein, indem er einen ab dem März 2002 tagenden Konvent installierte, dessen Aufgabe es ist, "die wesentlichen Fragen zu prüfen, welche die künftige Entwicklung der Union aufwirft, und sich um verschiedene mögliche Antworten zu bemühen". Dies soll bis Mitte 2003 geschehen sein; dann wird sich im eigentlichen Post-Nizza-Prozess eine Regierungskonferenz abschließend mit den Vorschlägen und Empfehlungen des Konvents befassen. Zu den "wesentlichen Fragen" gehören laut der "Erklärung von Laeken" das Problem der Verteilung und Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedsländern, die Fülle der Rechtsinstrumente und wie sie verringert und vereinfacht werden können sowie die Frage, ob - längerfristig - die notwendige Neuordnung und Vereinfachung der Verträge nicht zwangsläufig zu einer europäischen Verfassung führen könnte und was dann die Kernbestandteile einer solchen Verfassung sein müssten. Die "Erklärung von Laeken" formulierte die (potentiellen) Themen für den Konvent bewusst in Form von Fragen, um eine möglichst tabulose Debatte und eine kritische Beurteilung des gesamten Bestands der EU zu ermöglichen. Als oberstes Ziel jeder Reform und Neustrukturierung der EU forderte die "Erklärung von Laeken": "Die Union muss demokratischer, transparenter und effizienter werden."



Erfolgreich wurde unterdessen ein weiterer, wichtiger Schritt in Richtung auf die europäische Integration umgesetzt, nämlich die Einführung des Eurobargeldes zum 1. Januar 2002, die in allen zwölf Euroländern völlig problemlos verlief.

 
 

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