Konjunkturpolitik Aufgrund der Weltwirtschaftskrise wurden die Vorschläge der klassischen Ökonomie als wirkunglos wenn nicht gar kontraproduktiv angesehen, dem Staat konjunkturpolitische Abstinenz zu empfehlen und einen stabilen, ausgeglichenen Staatshaushalt anzustreben. Das lag zwar auch an Fehlentscheidungen wie z. B. dem vermehrten Protektionismus, der den Handel zusammenbrechen ließ, sowie den durch Reparationsforderungen verstärkten Problemen in Deutschland, mit Auswirkungen auch auf andere Länder, aber das änderte nichts an einem schwindenden Vertrauen in eine fiskalisch konservative Wirtschaftspolitik. Ein Musterbeispiel für eine solche Politik war in Deutschland die Brüning\'sche Sparpolitik. Stattdessen führten die Erfolge insbesondere einiger militaristischer Länder bei der Überwindung der Krise durch verstärkte staatliche Ausgaben für Rüstung und Infrastruktur dazu, dass die Ideen des Keynesianismus mehr und mehr an Bedeutung gewannen, der Staat müsse durch staatliche Ausgabenprogramme wirtschaftliche Ungleichgewichte kompensieren.
In den USA kam es unter Präsident Franklin D. Roosevelt zum New Deal, einem staatlichen Investitionsprogramm, mit dessen Hilfe es gelang, die Wirtschaft wieder zu stabilisieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Industrieländern für viele Jahre kräftig und ohne all zu kritische Einbrüche aufwärtsgerichtet. Die Gründe dafür lagen darin, dass vielfach ein erheblicher Nachholbedarf bestand, die USA mit dem Marshallplan und einem hohen Dollarkurs Europa zu einem Bollwerk gegen den Kommunismus machten, und der kommende Bedarf sich relativ genau abschätzen ließ. Als es in den sechziger Jahren erstmals nach 1945 wieder zu einer größeren konjunkturellen Schwäche kam, hatte sich das keynesianische Gedankengut so weit durchgesetzt, dass viele Wirtschaftspolitiker davon ausgingen, konjunkturelle Schwankungen mit Hilfe einer antizyklischen Fiskalpolitik ausgleichen zu können. In Deutschland fand dies den Niederschlag in der Verabschiedung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, das eine stetige Wirtschaftsentwicklung zum Ziel der Politik erhob und Instrumente einführte, dieses Ziel auch prinzipiell zu erreichen, z.
B. einen Konjunkturzuschlag zur Einkommensteuer oder eine Konjunkturausgleichsrücklage. Allerdings scheiterte die antizyklische Finanzpolitik in Deutschland wie in anderen Ländern in den siebziger Jahren. Zum einen waren die Schwierigkeiten unterschätzt worden, Ausgabenprogramme zeitgerecht zu verabschieden und richtig zu dimensionieren. Es kam zu Verzögerungen bei Erkennen des Abschwungs sowie bei Verabschiedung, Umsetzung und Wirkung der Programme, so dass sie oft erst im folgenden Aufschwung spürbar wurden, die Politik also prozyklisch wirkte. Zum anderen waren Politiker nicht bereit, in der Rezession erlassene Ausgabenprogramme wieder abzuschaffen, wie dies nach dem Konzept der antizyklischen Politik erforderlich gewesen wäre.
Es wurden auch selten die nötigen Steuersenkungen durchgeführt, stattdessen sogar Steuern erhöht, um die mit den Konjunkturprogrammen verbundenen Ausgaben zu decken, was zu einer allgemeinen Verringerung des Wachstums führte. Teilweise führten die staatlichen Ausgaben zu einer Verlangsamung der Anpassung der Wirtschaft an sich verändernde Märkte. Außerdem verloren die staatlichen Ausgaben immer mehr an Effizienz, was z. B. mit einer Sättigung beim Straßenbau und einem Schwenk von angebots- zu nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik zu tun hatte. Mit dem (in Deutschland allerdings sehr moderaten) Schwenk zur Angebotspolitik und mehr fiskalischer Zurückhaltung in den achtziger Jahren verzichtete die Politik auf eine antizyklische Konjunkturpolitik.
Sie lässt aber weiterhin automatische Stabilisatoren zu; d. h., wenn aus konjunkturellen Gründen höhere Ausgaben (z. B. für die Arbeitslosenversicherung) fällig werden oder geringere Steuereinnahmen anfallen, so nimmt die Politik dies teilweise hin und wiederholt nicht den von vielen als Fehler angesehenen Versuch aus der Weltwirtschaftskrise, unter allen Umständen einen ausgeglichenen Staatshaushalt herbeiführen zu müssen. Allerdings wird auch hier eine Trendwende erkennbar, wie die immer deutlicher werdenden Sparbemühungen zeigen.
Viele Länder haben es deutlich erfolgreicher geschafft, sich von den Fehlern der 70er Jahre zu lösen und wieder zu hohen Wachstumsraten zurück zu finden.
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