Die Konjunktur wird im normalen Sprachgebrauch häufig für eine Charakterisierung der allgemeinen Geschäftslage der Wirtschaft verwendet. Tatsächlich bezeichnet Konjunktur jedoch einen sich periodisch wiederholenden Vorgang in der Wirtschaftsentwicklung. Di e Konjunktur verläuft nämlich in Zyklen, d.h. Phasen mit hohen, geringen oder negativen Wachstumsraten folgen aufeinander und wiederholen sich in bestimmten Zeitabständen. Man spricht auch von einem wellenförmig sich wiederholenden Konjunkturzyklus. Der l a ngfristige Wachstumstrend ist dabei abnehmend, d.h. das durchschnittliche Wachstum des BSP wird von Phase zu Phase geringer. Die Konjunkturzyklen werden allgemein von verschiedenen Faktoren beeinflußt.
Die Faktoren für die Schwankungen
Bei der langfristigen Betrachtung des Konjunkturverlaufs seit Beginn der Industrialisierung hat man festgestellt, daß es ungefähr alle 50 Jahre einen ungewöhnlich starken Aufschwung gibt, der mit bahnbrechenden Erfindungen zusammen fällt. Diese Gesetzmäßig keit konnte für die Jahre 1800, 1850, 1900 und 1950 festgestellt werden. Diese langfristigen Wellen (Kondratjew-Wellen) werden allerdings von kurzfristigeren Wellen überlagert.
. Unter den kurzfristigeren Wellen ist der Wachstumstrend als der langfristigste zu sehen. Der Wachstumstrend berechnet sich aus dem Durchschnitt des Wachstums des BSPs in vergangenen Perioden und wird als Indikator für zukünftige Perioden verwandt.
. Die konjunkturellen Schwankungen sind als mittelfristig für den Konjunkturverlauf anzusehen. Die konjunkturellen Schwankungen ergeben sich aus dem gesetzmäßigen periodischem Wellenverlauf der Konjunktur.
. Die saisonalen Konjunkturschwankungen sind als kurzfristig anzusehen. Diese Schwankungen ergeben sich aus den Auswirkungen der jeweiligen Jahreszeit. So werden beispielsweise im Baugewerbe die Umsätze im Winter stark zurückgehen
Die Konjunkturzyklen im Einzelnen
Man unterscheidet vier Phasen des Konjunkturzyklus
. Die Krise/ das Tief (Depression)
. Den Aufschwung (Prosperität)
. Die Hochkonjunktur (Boom)
. Den Abschwung (Rezession)
Alle vier Konjunkturzyklen lassen sich durch bestimmte Veränderungen bei Kriterien wie Beschäftigung und Kapazitätsauslastung charakterisieren. Diese werden in der folgenden Tabelle dargestellt und verglichen.
Gesamtwirtschaftliche Größe Krise Aufschwung Hoch Abschwung
Kapazitätsauslastung niedrig steigt hoch sinkt
Produktion niedrig steigt steigt sinkt
Gewinne sinken steigen stark hoch sinken
Investitionen sinken steigen stark steigen Sinken stark
Nachfrage sinkt steigt stark hoch sinkt
Preise niedrig steigen steigen stark Sinken
Beschäftigung sinkt steigt steigt stark sinkt stark
Löhne niedrig steigen steigen stark Sinken stark
Zinsen niedrig steigen steigen stark Sinken
Sparen hoch sinkt stark sinkt steigt
Von den aufgeführten Kriterien sind die Kapazitätsauslastung und die Beschäftigung die wichtigsten zur Unterscheidung der vier Kriterien. Die Beschäftigung trifft nämlich auch gleichzeitig eine Aussage über die Produktion und die Löhne. Die Kapazitätsausla stung ist hingegen ein besonders deutlicher Indikator für die Konjunkturlage. In den beweglichen Phasen des Konjunkturzyklus (Prosperität und Rezession) steigt oder fällt die Kapazitätsauslastung entsprechend. In den Zustandsphasen des Konjunkturzyklus ve r bleibt die Kapazitätsauslastung hingegen auf einem konstanten Stand (hoch oder tief). Die Prosperität bezeichnet man häufig auch als Mengenkonjunktur, weil hier das Wachstum ausschließlich über die Steigerungen der Produktion erreicht wird. Die Hochkonju nk tur wird auch Preiskonjunktur, da ein Wachstum in dieser Phase nur noch durch Preissteigerungen erzielt werden kann.
Der Vergleich der Theorie der Phasen der Konjunkturzyklen mit der Realität
Betrachtet man den Konjunkturverlauf der BRD seit 1960 so lassen sich insgesamt folgenden Aussagen in Bezug auf die Konjunkturtheorie treffen.
. Die Kapazitätsauslastung ist ein relativ gutes Kriterium für die Konjunktur. Sie verläuft fast immer parallel zu den jeweiligen Steigerungen des Bruttosozialproduktes.
. Der Trend, Arbeitskräfte in Krisen zu entlassen hat abgenommen.
. Der Trend, neue Arbeitskräfte in Phasen der Hochkonjunktur einzustellen, hat zugenommen.
. Zwischen Investitionen und Beschäftigungszahl besteht nicht immer ein direkter Zusammenhang. 1985 wurden beispielsweise in einer Phase des Aufschwungs, Arbeitskräfte eingestellt, aber keine neuen Investitionen getätigt.
. Zwischen Investitionen und Nachfrage (privater Verbrauch) läßt sich entgegen der Theorie kein direkter Zusammenhang erkennen.
Die Bewertung von Konjunkturtheorien, Prognosen und Statistiken.
Um Konjunkturprognosen zu erstellen, betrachtet man normalerweise die realen Schwankungen des Sozialproduktes. Die Schwankungen weisen eine gewisse Regelmäßigkeit in Form von Wachstumszyklen auf. Ein solcher Zyklus dauert ungefähr 8 bis 9 Jahre und läßt si ch in vier Phasen unterteilen. Am Anfang steht stets ein kräftiger Aufschwung, der vom Tiefpunkt ausgeht. Es folgen dann eine Phase langsam abnehmender Wachstumsraten und dann ein erneuter Anstieg bis zum Gipfelpunkt. Nach diesem setzt die vierte Phase de s Abschwungs bis zum neuen Tiefpunkt ein. Aufgrund dieses Verlaufs läßt sich von einer vierphasigen M-Form der Wachstumszyklen sprechen.
Zeichnet beispielsweise die laufende Entwicklung des realen Bruttoinlandsproduktes von Vierteljahr zu Vierteljahr in den Jahren 1982 bis 1993 auf, so erkennt man die M-Form dieses 5.Wachstumszyklus durch die Verbindung der Hoch- und Tiefpunkte der Verlaufs punkte. Über diesen Zeitraum lassen sich folgende Feststellungen treffen.
. Die 1.Phase begann ungefähr Ende 1981 und dauerte bis Mitte 1984 an.
. Ende 1984 (Beginn von Phase 2) gingen die Wachstumsraten zurück und erreichten schließlich 1987 ihren Tiefpunkt (Übergang von Phase 2 zu Phase 3)
. Ab Ende 1987 (Beginn von Phase 3) nahmen die Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes wieder zu und erreichten Anfang 1990 (Ende Phase 3) ihr absolutes Maximum im 5. Wachstumszyklus. Ab Mitte 1990 (Beginn Phase 4) nahmen die Wachstumsraten sehr stark ab. Anfang 1992 werden die Wachstumsraten negativ, d.h. das reale Bruttoinlandsprodukt geht absolut zurück.
Die hohen negativen Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes Mitte und Ende 1992 führten zu der Annahme, daß man sich in der tiefsten Rezession seit der Nachkriegsentwicklung befinde. Betrachtet man jedoch die Abschwungphasen der vergangenen fünf Abschwun gphasen, so läßt sich diese Behauptung kaum aufrecht erhalten. Mit Ausnahme des 1. Wachstumszyklus wurden bei allen anderen Abschwungphasen die Wachstumsraten ähnlich stark negativ. Allerdings ist im 5. Konjunkturzyklus die Steilheit des Abschwungs wesent l ich größer, d.h. er verläuft über einen relativ kurzen Zeitraum. Dies führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu der Überbewertung des Abschwungs von 1992. Im 3.Quartal 1993 begann dann der 3. Konjunkturzyklus mit seiner 1.Phase. Am Anfang des Jahres 1995 läß t sich der Übergang von Phase 1 in Phase 2 ansetzen. Die Konjunktur verläuft seit diesem Zeitpunkt jedoch zuwider jeder Theorie. Anstelle eines normalen und der Theorie entsprechenden langsamen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes in Phase 2 brach die Indus tr ieproduktion dramatisch ein. Gleichzeitig hat sich jedoch die Kapazitätsauslastung seit dem 1. Quartal 1995 weiter erhöht. Dies ist ein eindeutiger Widerspruch. Um diesen aufzuklären, bedarf es einer genaueren Betrachtung der anderen wirtschaftlichen Da ten . Ein starker Rückgang der Auftragseingänge aus dem Ausland aufgrund des schwachen Dollars hat primär zu einer Abkühlung des Geschäftsklimas sowie des Verlaufes der Industrieproduktion geführt. Auch aus dem Inland ist keine Belebung der Industrieproduk tion zu erwarten, weil die Inlandsnachfrage seit Jahren gleichgeblieben ist. Dies wird auch an den langfristig nahezu konstanten Einzelhandelsumsätzen deutlich. Daher war der Aufschwung seit Mitte 1993 auch hauptsächlich durch die steigende Nachfrage aus d em A usland begründet. Diese geht nun ebenfalls zurück. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt sieht ebenfalls nicht besonders gut aus. War die Arbeitslosigkeit trotz guter Konjunktur in den Jahren 1993 und 1994 durch Rationalisierungen zur Erhaltung der Konkurrenz fähig keit gegenüber dem Ausland nur minimal gesunken, so wird sie nun wieder steigen. Dies zeigen auch die neuesten Zahlen. In den Sommermonaten ist die Zahl der Arbeitslosen nur um ca. 10000 zurückgegangen, d.h. sie ist saisonbereinigt gestiegen. Im Gege nsatz zu der Entwicklung dieser Konjunkturmerkmale steht jedoch weiterhin die steigende Kapazitätsauslastung. Eine Erklärung für diesen Widerspruch liefert bestenfalls die Umstellung der deutschen Industriestatistik. Anfang 1995 wurde die bisherige Branche nglied erung und Gewichtung durch eine Neue ersetzt. Genau seit diesem Zeitpunkt tritt auch der nicht zu erklärendende Widerspruch zwischen der Entwicklung der Industrieproduktion und der Kapazitätsauslastung auf. Die Statistiker versuchen nun die neuen Ri chtlini en auch auf die Jahre 1991 und 1994 anzuwenden und so wieder einen brauchbaren Vergleich zu ermöglichen. Dies ist allerdings nur bei einem Bruchteil der Daten möglich. Genaue Wirtschaftsdaten sind jedoch unbedingt notwendig, weil die private Hausha lte ihre n Konsum und die Unternehmen ihre Investitionen vielfach nach den Konjunkturprognosen richten. Im Extremfall könnten die falschen Statistiken daher zu einem weitgehenden Konsumverzicht der Haushalte und damit zu einer lang anhaltenden Wirtschaftsk rise führ en.
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