1. De Maistre
Holmes datiert die Entstehung des Antiliberalismus als einer Denkrichtung auf das 18.Jahrhundert.(Holmes, 1995, S.35) Sein Augenmerk richtet er zunchst auf den franz¬sischen Diplomaten und Gegner der franzsischen Revolution Maistre: \"Kein zweiter der frhen Theoretiker fhrte soviele wegberteitende antiliberale Ideen ein wie er.\"(S.36)
De Maistre war der Auffassung, da Religion die Grundlage der Gesellschaft ist und Vernunft diese nur zerstren kann.(Siehe S.43) Der Zweifel an Gott fhrt zu Ha auf die politischen Autoritten.(S.36) Wenn aber die Regierung kritisiert wird droht ihr Zusam¬menbruch.(Siehe S.40)
Die Gesellschaftlichkeit ist ein Gebot Gottes(S.42) ; der Zweifel jedoch bringt die Ato¬misierung der Gesellschaft mit sich.(Siehe S.44)
Der Mensch ist irrational, kurzsichtig und willensschwach und kann ohne Lenkung von oben nicht leben (de Maistre weist einer gottgleichen Autoritt diese Aufgabe zu). Die Liberalen dagegen gehen von einem falschen Menschenbild aus: sie unterschtzen das Bse im Menschen.(Siehe S.50)
Verfhrerische Dogmen und trstende Lgen sind unverzichtbar. Ziel ist eine tiefe Ehr¬furcht der Menschen, denn: \"Soziale Stabilitt erfordert [...] einen bedingungslosen Glau¬ben an die Unabnderlichkeit der Gesetze und der politischen Verhltnisse.\"(S.51)
Wissenschaft ist zusammen mit der Philosophie unvereinbar mit der traditionellen Mo¬ral und daher verantwortlich fr den revolutionren Terror.(Siehe S.53) Der Mensch ist auf Mythen angewiesen, Skeptisismus hingegen ist eine starke Bedrohung der Gesell¬schaft(Vgl. S.54/55; lt. Holmes ist diese Vorstellung seit Maistre ein Allgemeinplatz der Antiliberalen geworden. S.55)
Die individuelle Vernunft mu sich in der nationalen Vernunft verlieren. Gesellschaftli¬cher Zusammenhalt kann nur durch ueren Zwang gewhrleistet werden.(Vgl. S.56 u.58)
2. Carl Schmitt
Der Zusammenbruch des Kaiserreiches 1918 und das an seine Stelle tretende schwache liberale Regierungssystem knnen nach Holmes als Hauptanschlsse und Antriebsfedern von Schmitt`s Antiliberalismus gelten.(Siehe S.75)
Liberalismus wird von Schmitt mit Passivitt und Entscheidungsschwche gleichgesetzt. Der Liberalismus ist feige und bermig kompromibereit.(Vgl. S.86 u. 89)
Die Liberalen haben den Staat geschwcht um das Privateigentum zu schtzen. Damit ist die einzige Macht gelhmt, die der sozialistischen Gefahr zu begegnen imstande wre. Auf der \"Flucht vor der Politik\" mangegle es den Menschen an Mut zum Blut¬vergieen.(Siehe ebd.)
Schmitt ist gegen Verhandlungen und fr harte politische Entscheidungen (z.B. die Be¬stimmung von Freund und Feind). Autoritre Befehle entlasten den Menschen emotional und lassen keinen Raum fr moralischen Skeptizismus.(Siehe S.92)
\"Demokratie\" definiert Schmitt als psychologische Identifikation von Regierenden und Regierten, die nicht auf Wahlen und Parteienkonkurrenz angewiesen ist.(Vgl. S.94f.) Ein wahrhaft demokratisches Volk folgt dem Verhalten, das ihm ein charismatischer Herr¬scher vorgibt.(Siehe S.96)
3. Leo Strauss
Wie de Maistre so weist auch Leo Strauss der Religion zum Funktionieren einer Gesell¬schaft eine wichtige Aufgabe zu. Sie sorgt fr eine heilsame Unterwerfung unter die herr¬schende Schicht und hemmt Sehnschte und Bedrfnisse, die bei freier Entfaltung ber ein Ma hinauswachsen wrden, das die Gsellschaft noch befriedigen knnte.(Siehe S.119) Es mu Mythen geben, um Wahrheiten wie die, da es nach dem Tod kein Leben gibt, dem gemeinen Menschen nicht zugnglich zu machen. Die Entdeckung der Natur bleibt das Werk von Philosophen. Wren aber ihre (\"wahren\") Einstellungen Allgemein¬gut, wrden sich die Menschen so benehmen, als wre alles erlaubt. Es wrde zu einer \"massenhaften Enthemmung\" kommen.(Vgl. S.120-123) Die Philosophen knnen zwei gesellschaftliche Funktionen ausben: 1. Sie knnen zur Beruhigung oder Betubung des Volkes beitragen (z.B. mittels Verteidigung der Mythen und der Religion). 2. Sie sollen dadurch, da sie Inhaber hoher politischer mter sachdienlich beraten, eine heimliche K¬nigsherrschaft ausben.(Siehe S.135)
Der Liberalismus ist deshalb verkommen, weil er unbercksichtigt lt, da das Wesen der Natur die Ungleichheit ist. Die Kluft zwischen hher Stehenden und niedriger Stehen¬den ist der einzige moralische Kompa. Der liberale Ha auf die Aristokratie hat die Men¬schen fehlgeleitet(Siehe S.131)
Den Menschen sieht Strauss nicht einsichtig genug, die moderne Wissenschaft nutz¬bringend einzusetzen.(Vgl. S.133) Sie lst die religise Bedrfnisbefriedigung auf.
4. Alasdair MacIntyre
Die Geschichte der westlichen Zivilisation ist die eines Verfalls. Soziale Beziehungen sind durch Individualismus ausgedrrt, die Menschen sind heute wurzellos. Ein idyllischer Konsens in allen moralischen Fragen wurde durch einen endlosen Disput ersetzt.
Die Hauptpfeiler der liberalen Ideologie sind Streitigkeiten und Zweifel. Moralische Fragen unterliegen endlosen Anfechtungen. Der moralische Pluralismus der liberalen Welt droht uns alle zu berrollen.(Siehe S.167f.) Die Menschen wissen nicht (mehr), wie sie leben sollen.(Siehe S.162f.) In liberalen Gesellschaften fehlen Glubigkeit, Unterwerfung und unverrckbare Grenzen. Autoritt kann den Menschen hingegen \"die Gewiheit ge¬ben, die das Fehlen einer Wahl hervorbringt.\"(S.170)
Die wissenschaftliche Revolution und die Aufklrung sind kontraproduktiv. Beide greifen den Glauben an. Moral aber ist immer auf das Sakrale angewiesen.(Vgl. S.172ff.)
Eine gute Tradition frdert ein Gefhl der Gewiheit, bestrkt die soziale Solidaritt und verleiht dem Leben Einheit. (Naheliegenderweise kann ein nach umfassenden Kos¬mopolitsmus strebender Liberalismus diese Ergebnisse lt. MacIntyre nie zeitigen - Vgl. S.201.) Die griechische Polis dient dem Liberalismuskritiker als Modell, den Menschen von heute zu zchtigen. Die Brger haben gemeinsame Auffassungen und ein gemeinsa¬mes Ziel. Die Stadt verbindet die Anstrengungen der einzelnen zu einem harmonischen Ganzen.(Vgl. S.201f.)
5. Christopher Lasch
Zu den rgerlichsten Zgen der progressiven Gesellschaft gehren Lasch zufolge die Miachtung von Autoritt, eine Ethik des Genusses, tolerantes Denken, Irreligiositt, der Verfall der traditionellen Gemeinschaften und ein allgemeiner Sittenverfall.(Siehe S.222)
Auch Lasch ist gegenber der Naturwissenschaft kritisch eingestellt. Sie weckt die Er¬wartung, da die Technik evtl. alle Einschrnkungen der menschlichen Freiheit auf-
heben knnte. Als natrliches Ergebnis der wissenschaftlichen Revolution bezeichnet Lasch die Vernichtung des Regionalismus, mithin der Gruppenloyalitt.(Vgl. S.236) Die Enthemmung der menschlichen Sehnschte und Bedrfnisse befreite die Menschheit aus einem jahrhundertealten Muster.(Siehe S.226f.)
Die vom Sozialstaat verteilte Sozialhilfe zeigt, da Meschen als Verbraucher, nicht aber als \"Praktizierende von Tugenden\" angesehen werden. Eine ideale Gesellschaft ist eine, die sich aus kleinen Produzenten zusammensetzt und eine effektive Kontrolle auf lokaler Ebene ermglicht.(Vgl. S.237ff.)
6. Robert Unger
Wie man Antiliberalist sein kann und doch ganz anderer Meinung als seine Kritikerkol¬legen lt sich an Unger ablesen. Der Liberalismus verstellt uns seiner Meinung nach die Mglichkeit, ganzheitliche Persnlichkeiten zu sein. Der liberale Mensch ist zu unterwr¬fig.(Siehe S.258) Nichts ist schlimmer als der Status Quo. Gefragt ist ein Niederreien von Hierachien, ein \"context smashing\", eine vollstndige Vernderung der Gesellschaft.
Menschen in liberalen Gesellschaften sind gesichtslose Vertreter von vorbestimmten Rollen. \"Wir reden und handeln, als ob Institutionen naturgegeben, notwendig und heilig wren.\"(S.284) Wenn wir erst erkennen, da alles Politik ist, werden wir von Marionetten zu den Architekten des sozialen Umfelds.(Siehe ebd.) Die Gewaltenteilung vereitelt ein¬greifende Reformen und Verfassungen schreiben zuviel fest.(Siehe S.285 u. 288) Einige Ideen des Liberalismus, die sich dem persnlichen Schutz der Freiheit und dem der Privat¬sphre widmen, sind indes nicht abzulehnen.(Vgl. S.271f.)
Als Gemeinsamkeiten aller Antiliberalen sieht Holmes die Verdammung moderner Ge¬sellschaften und das Verachten des hedonistischen Materialismus an. Antiliberalisten hal¬ten dem Liberalismus Sinnverlust und geistige Verarmung vor und schreiben der Wissen¬schaft eine Vergttlichung des Menschen zu (sie ist berdies ungeeignet, Mastbe fr moralisches Handeln zu entwickeln). Die Emanzipation vom christlichen Erbe geben sie die Schuld fr die bel in liberalen Gesellschaften.(Vgl. S.445)
B. Holmes Anatomie des Liberalismus
Der Auflistung der antiliberalen Denker stellt Holmes sein Verstndnis vom Liberalis¬mus entgegen. Dabei wirft er den Antiliberalisten einerseits vor, ein falsches Bild vom Li¬beralismus zu haben und wenig Sensibilitt fr die Umstnde seiner Entstehung aufzubrin¬gen. Andererseits kritisiert er ihre vollkommene Ausblendung der Gefahren, die der Kom¬munitarismus in sich brgt. Holmes sieht in ihm die Funktion eines Betubungsmittels; da kollektive Handlungen auch monstrs sein knnen wird nicht beleuchtet. Der Umgang mit Nonkonformisten stellt hier ein Problem (ggf. der Diskriminierung) dar.
Demgegenber wird der Individualismus zwangsweise als antisozial eingestuft. Tatsch¬lich bringt er aber eine hhere Sensibilitt gegenber anderen Menschen als Individuen mit sich.(Siehe S. 312)
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