Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) entstand aus der 1969/70 entwickelten und erst 1986 in der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) vertragsrechtlich institutionalisierten Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ). Im Vertrag von Maastricht (Titel V) wurde die EPZ zur GASP weiterentwickelt. Die GASP, eines der drei zentralen Elemente der EU, bedeutet gegenüber der EPZ institutionell und inhaltlich eine erhebliche Vertiefung; sie ist jedoch noch keine tatsächliche gemeinsame Außenpolitik der EU und ersetzt keinesfalls die jeweils nationale Außenpolitik ihrer Mitglieder. Ziel der GASP ist im Wesentlichen die Verwirklichung einer sich auf alle Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik beziehenden gemeinsamen Politik einschließlich einer verteidigungspolitischen Komponente, die in Form der Integration der Westeuropäischen Union (WEU) in die EU verwirklicht werden sollte. Die GASP ist auf der zwischenstaatlichen Ebene, d. h. auf der Ebene der Regierungszusammenarbeit, angesiedelt, wird jedoch zunehmend auch auf die supranationalen Organe der EU verlagert.
Die Grundsätze und Leitlinien der GASP werden vom halbjährlich tagenden Europäischen Rat festgelegt; im Rat "Allgemeine Angelegenheiten", dem Rat der Außenminister, wird dann die gemeinsame Außenpolitik konkret abgestimmt. Dafür stehen der GASP mehrere Instrumente zur Verfügung: In "gemeinsamen Standpunkten", vom Ministerrat entwickelt, legen die Mitglieder für zentrale außenpolitische Bereiche gemeinsame Richtlinien fest, die von den Mitgliedern in ihren nationalen Außenpolitiken befolgt werden müssen. Des Weiteren kann der Ministerrat "gemeinsame Aktionen" beschließen, etwa die Entsendung von EU-Beobachtern oder von EU-Sonderbeauftragten vornehmlich in Krisenregionen, um dort die wirtschaftlichen Maßnahmen der Union politisch (beobachtend, vermittelnd etc.) zu begleiten. Während bei "gemeinsamen Standpunkten" Einstimmigkeit notwendig ist, kann über die Durchführung "gemeinsamer Aktionen" auch mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden, obwohl gerade die Außenpolitik traditionell die Souveränität der Einzelstaaten besonders tangiert. Der Vertrag von Amsterdam führte ein weiteres Instrument der GASP ein: die "gemeinsame Strategie", in der der Europäische Rat die grundsätzlichen Linien der Außenpolitik festlegt und über deren Durchführung der Ministerrat ebenfalls mit qualifizierter Mehrheit entscheiden kann. Gegenüber Drittstaaten wird die GASP von der so genannten Troika vertreten, der der jeweils amtierende Ratsvorsitzende und sein turnusgemäßer Nachfolger angehören sowie der durch den Vertrag von Amsterdam geschaffene Hohe Beauftragte für die GASP, der in Personalunion als Generalsekretär des Ministerrates fungiert. Vor In-Kraft-Treten des Amsterdamer Vertrags bestand die Troika aus dem amtierenden Ratsvorsitzenden, seinem Vorgänger und seinem Nachfolger, d. h., das die Außenpolitik vertretende Gremium setzte sich halbjährlich neu zusammen; durch den Hohen Beauftragten für die GASP sollte nun der Außenpolitik der EU größere Kontinuität, Geschlossenheit und Effizienz verliehen werden.
Vor dem Hintergrund des Kosovo-Konfliktes erhielt die in den Verträgen von Maastricht und Amsterdam angelegte Option auf die Erweiterung der GASP um eine verteidigungspolitische Komponente und die Integration der WEU neue Brisanz. Auf ihrem Gipfeltreffen Anfang Juni 1999, kurz vor dem Ende des Kosovo-Krieges, beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EU, der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU größeres politisches Gewicht zu verleihen und politische und militärische Strukturen zu schaffen, die es der EU erlaubten, selbständig und unabhängig von den USA im europäischen Raum Krisenmanagement zu betreiben. Dazu wurde zum einen der Prozess der Integration der WEU in die EU forciert (u. a. auch daran erkennbar, dass der Hohe Beauftragte für die GASP, Javier Solana, im November 1999 zugleich das Amt des Generalsekretärs der WEU übernahm); zum anderen beschloss der EU-Gipfel im Dezember 1999 den Aufbau einer 60 000 Mann starken europäischen Eingreiftruppe bis 2003, die in der Lage sein sollte, die so genannten Petersberger Aufgaben, die 1992 für die WEU definiert worden waren, zu erfüllen, d. h. für Frieden schaffende und Frieden sichernde Maßnahmen sowie humanitäre Aktionen in Europa eingesetzt werden kann - jedoch ausschließlich mit UN-Mandat. Anfang 2000 begann die EU mit der Vorbereitung institutioneller Strukturen für ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik, und auf ihrem Gipfeltreffen im Dezember 2000 gründete sie formell ein Politisches und ein Sicherheitspolitisches Komitee, einen Militärausschuss und einen Militärstab als institutionelle Grundlagen für ein gemeinsames sicherheitspolitisches und militärisches Handeln.
In Bezug auf Planungskapazitäten, Ausrüstung und sonstige logistische Strukturen, über die weder die WEU noch die EU-Mitglieder in ausreichendem Umfang verfügten, war vorgesehen, auf die entsprechenden Einrichtungen der NATO zurückzugreifen - die USA machten dies sogar zur Bedingung für ihre Zustimmung zu der neuen europäischen Verteidigungsstruktur. Die Türkei allerdings, NATO-Mitglied und schwieriger EU-Beitrittskandidat, blockierte die Kooperation zwischen NATO und EU; sie forderte u. a. die volle Beteiligung bei Entscheidungen der EU über den Einsatz der Eingreiftruppe. Dies aber lehnte die EU ab. Die Position der Türkei in Bezug auf die NATO-EU-Kooperation wurde vielfach als Versuch interpretiert, die EU zu einer forcierten Behandlung ihres Beitrittsgesuchs zu veranlassen. Ende 2001 lenkte die Türkei schließlich ein - gegen eine Reihe Zugeständnisse seitens der EU. Nun aber stellte sich Griechenland dem Kompromiss zwischen der EU und der Türkei entgegen; Griechenland befürchtete eine Einflussnahme der Türkei auf die GASP und die Eingreiftruppe.
|