In Österreich sind mehrere Formen überbetrieblicher Mitbestimmung verwirklicht:
In der sozialen Sicherung
Die durch Gesetz eingerichteten Sozialversicherungen werden im Rahmen der Selbstverwaltung geführt.
Im Agrarbereich
Durch Preisempfehlungen bei Agrarprodukten und bei Produkten der landwirtschaftlichen Weiterverarbeitung z. B. bei Mehl.
In der Arbeitsmarktverwaltung
Die sozialpartnerschaftlichen Verbände besitzen weitgehend Mitspracherecht bei der Vergabe von Bundesmitteln zur Arbeitsmarktförderung.
Im Geld- und Kreditwesen
Die Sozialpartner endenden ihre Vertreter gemäß den gesetzlichen Bestimmungen in den Verwaltungsrat der Österreichischen Postsparkasse und in den Generalrat der Österreichischen Nationalbank.
In der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit
Die Sozialpartner stellen Beisitzer der Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsgerichtsverfahren, im Schiedsgerichtsverfahren der Sozialversicherungen, in Verfahren vor dem Kartellgericht.
In der beruflichen Interessensvertretung
Im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung sind in Österreich durch Gesetz Kammern eingerichtet, deren Funktionäre die beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen haben.
In der politischen Willensbildung
Die Sozialpartner sind in den Gremien der willensbildenden Organe, im Nationalrat, Bundesrat, in den Landtagen und Gemeinderäten, durch ihre Mitglieder und Funktionäre vertreten.
Aufgaben und Probleme überbetrieblicher Mitbestimmung
Überbetriebliche Mitbestimmung ist dort problemlos, wo sie darauf abzielt, durch Beratung, Kontrolle und Mitentscheidung in der Verwaltung mitzuwirken. Sie soll durch ihre gewählten Vertreter aus bestimmten sozialen Gruppen in den verschiedenen Einrichtungen der Wirtschafts- und Sozialpolitik und der Verwaltung sicherstellen, daß berechtigte, allgemein anerkannte Interessen und Absichten des Gesetzgebers berücksichtigt werden. Es werden verschiedenen soziale Gruppen in die Verantwortung miteinbezogen, der soziale Friede kann gesichert werden. Da die Vertreter unterschiedlicher Interessen Mitbestimmungsrechte haben, können gruppenegoistische Ziele auf Kosten des Gemeinwohls kaum verwirklicht werden.
Überbetriebliche Mitbestimmung im legislativen Bereich ist problematischer. Es handelt sich nicht mehr um Mitbestimmung sozialer oder beruflicher Gruppen auf der Ebene des Vollzuges, vielmehr geht es um Entscheidungen der Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Gesetzgebung. Hier tritt die Sozialpartnerschaft als bedeutender Konkurrent des Parlaments auf, allerdings unter anderen Regeln, z.B. bei er Abstimmung, keine Geschäftsordnung u.a. Politisch gesehen, findet Sozialpartnerschaft durch Zusammenarbeit zwischen den einflußreichen Machtträgern unserer Gesellschaft statt.
Staat
(Regierung)
Arbeit
(Vertreter der Arbeitnehmer) Kapital
(Vertreter der Arbeitgeber)
Merkmale der österreichischen Sozialpartnerschaft
Freiwilligkeit der Mitgestaltung, es gibt keinen gesetzlichen Rahmen, in dem die Sozialpartnerschaft tätig sein muß.
Einstimmigkeit der Beschlüsse und Empfehlung gilt in allen Gremien der Sozialpartner.
Tendenz zum Ausschluß der Öffentlichkeit, verhandelt wird in der Regel hinter verschlossenen Türen.
Durch die ungewöhnliche Organisationsdichte der Interessensverbände, die durch die gesetzliche Zwangsmitglieder (bei den Kammern), aber auch in der außergewöhnlichen Fähigkeit, Mitglieder zu gewinnen (der ÖGB ist vereinsrechtlich organisiert), Ausdruck findet, erfaßt die Sozialpartnerschaft praktisch alle Bevölkerungsteile.
Funktionen der Sozialpartner
Die österreichische Sozialpartnerschaft hat, allgemein betrachtet, drei bedeutende Funktionen:
eine ökonomische Funktion in Form ihres Beitrages zum Wirtschaftlichen Erfolg Österreichs
eine soziale Funktion durch ihren Einfluß auf die gesellschaftliche Gestaltung Österreichs
eine politische Funktion durch ihre Mitwirkung und Gestaltung der politischen Kultur in Österreich
Bedeutung der österreichischen Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft- Zukunftsperspektiven
Die österreichische Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft (WSP) stellt, auch international betrachtet, eines der ausgeprägtesten und erfolgreichsten Systeme wirtschaftspolitischen Zusammenwirkens dar. Die interne Verbandsdisziplin der Wirtschaftsverbände ermöglichte durch Jahrzehnte die Verwirklichung bindender, gesamtwirtschaftlicher Vereinbarungen.
Zentrales Organ der WSP ist die Paritätische Kommission für Lohn- und Preisfrage, deren Arbeit durch den Beitrag für Wirtschafts- und Sozialfrage sowie in jüngster Zeit durch den Unterausschuß für internationale Beziehungen unterstützt wird. In der Paritätischen Kommission wirken insbesondere
die Wirtschaftskammer Österreich,
die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, der
Österreichische Gewerkschaftsbund und
die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer Österreichs mit.
In letzter Zeit mehren sich die kritischen Stimmen trotz überwiegend positiver Beurteilung der bisherigen Tätigkeit der WSP. Wachsende Distanz der Bevölkerung durch ein allgemein abnehmendes Vertrauen in Institutionen aller Art trägt dazu bei. Im besonderen werden folgende Erscheinungen dafür ins Treffen geführt:
Der gesellschaftspolitische Strukturwandel als Wandel ökonomischer Verhältnisse und international wirkender geistiger Strömungen führt auch in Österreich zu neuen gesellschaftspolitischen Zielen. Aktuelle Konfliktbereiche, wie z. B. ökologische Fragen, neue Armut oder Frauenfragen, gehen über die bisherigen Einflußbereiche der WSP hinaus.
Der Strukturwandel der WSP-Verbände ausgelöst durch Veränderungen in der Produktionsstruktur, wie z. B. durch die sinkende Bedeutung der Grundstoffindustrie oder durch die Zunahme des Dienstleistungssektors. Andererseits kam es zu Veränderungen in den Produktionsmethoden (flexible Spezialisierung statt Massenproduktion), sie führten zur Zunahme der Klein- und Mittelbetriebe. Zugleich wuchs der Einfluß international agierender Konzerne. Für beide Unternehmensformen gilt, daß sie organisatorisch z. B. in bezug auf die dort beschäftigten Arbeitnehmer aber auch hinsichtlich der Unternehmerschaft, schwierig zu erfassen sind.
Die wirtschaftliche Öffnung Österreichs und die Internationalisierung der Volkswirtschaft führen zu geringerem Spielraum nationaler Wirtschaftspolitik und verringern dadurch die Einflußnahme der WSP. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union reduziert die Mitwirkungsmöglichkeiten, wie z. B. in der Subventionsvergabe, die damit verbundene Gemeinsame Agrarpolitik innerhalb der EU schwächt die Einflußnahme der WSP ebenso wie die in Aussicht genommene Gemeinsame Währungsunion, durch die geld- und fiskalpolitische Kompetenzen abgetreten werden.
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