In der vorliegenden Arbeit wurden die Konsequenzen behandelt, die sich aus der Neuregelung der Mehrwertsteuer in der EU ergeben können. Vernachlässigt wurden die praktischen Aspekte der Umsetzung eines der beiden Besteuerungsprinzipien: Dies führt zu den eher technischen Details und ist für die Frage, welches Besteuerungsprinzip grundsätzlich wünschenswert ist, nicht von Interesse. Was in dieser Arbeit außerdem nicht geleistet wurde, ist eine eher EU-bezogene Betrachtung, bei der speziell auf die Besonderheiten der Europäischen Union eingegangen wird. Ziel der Arbeit war zu prüfen, in wieweit aus einer eher theoretischen Betrachtung der Besteuerungsprinzipien eine eindeutige Aussage über die Vorteilhaftigkeit einer bestimmten Regelung abgeleitet werden kann.
Wie lassen sich die Resultate der theoretischen Betrachtung werten? Leider lassen sie keinen eindeutigen Schluß zu: Es hat sich gezeigt, daß nach den Kriterien der Wettbewerbsneutralität kein Prinzip uneingeschränkt zu befürworten ist. Versucht man, die theoretischen Ergebnisse nach ihrer Bedeutung für die politische Debatte zu ordnen, stellt man fest, daß für die politische Debatte die allokationspolitische Betrachtung eher zweitrangig ist.
Der große Vorteil des Ursprungslandprinzips erschließt sich erst aus der Betrachtung der praktischen Umsetzung: Im Vergleich zum Bestimmungslandprinzip ist der Verwaltungsaufwand der Unternehmen deutlich geringer und die Preistransparenz für die Konsumenten höher. Aus einer rein theoretischen Betrachtung (unter Vernachlässigung der Transaktionskosten) ergibt sich dieses Ergebnis nicht.
Kritisch zu hinterfragen ist, ob wirklich eine Clearing-Stelle benötigt wird. Problematisch ist, daß damit eine neue Behörde geschaffen wird, die von Biehl als "... außerordentlich aufwendiges Abrechnungs- und Kontrollsystem" sehr negativ gesehen wird. Problematisch ist auch die Frage, nach welchem Prinzip die EU den Warenverkehr mit Drittländern durchführt. Wendet man das Bestimmungslandprinzip an, belasten die Mitgliedstaaten an den Außengrenzen Importe und entlasten Exporte mit ihren nationalen Steuersätzen. Dies kann dazu führen, daß - bei Vernachlässigung der Transportkosten - Importe in die EU über das Mitgliedsland getätigt wird, das den niedrigsten nationalen Steuersatz aufweist, während Exporte über das Land abgewickelt wird, das den höchsten Steuersatz erhebt.
Problematisch ist nicht zuletzt die Tatsache, daß bei einer EU-einheitlichen Regelung Mitgliedsländer in einen Teil ihrer Kompetenzen beschnitten werden - hier wird ihnen die Möglichkeit genommen, ihre Mehrwertsteuersätze nach Belieben zu setzen. Dies ist einer schneller Einigung sicher nicht förderlich, denn daß drohender Kompetenzverlust Regierungschefs Kopfzerbrechen bereiten kann, hat man ja in der Vergangenheit schon mehrfach gesehen...
|