3.1 DIE VORGESCHICHTE /
Ab Ende 1920 befanden sich die Sozialisten nicht mehr in der Regierung. Im Jahre 1923 erreichten sie 36 % der abgegebenen Stimmen, im Jahre 1927 schon 42 % und im Jahre 1930 wurden sie stimmenstärkste Partei mit 41 % der abgegebenen Stimmen, während die Christlichsozialen 7 Mandate an den Heimatblock (die kandidierenden Heimwehren) abgeben mußten . Durch das ständige Ausgrenzen der sozialistischen Partei wurde also auch einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung die Stimme geraubt. Die starken Gegensätze zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen wurden noch ausgeprägter, es entstanden bewaffnete Selbstschutzorganisationen, die rechten Heimwehren und der republikanische Schutzbund der Sozialdemokraten.
Die Heimwehr war nach dem 1. Weltkrieg aus dem Grenzkampf (Kärnten 1919) und dem Kampf gegen kommunistische Umsturzversuche hervorgegangen. Sie entwickelte sich besonders nach den blutigen Unruhen in Wien am 15.7.1927 zu einer politischen Kampfbewegung.
Auf Seiten der Christlichsozialen fand man immer mehr Gefallen an den faschistischen Ideen des Vorbilds Italien. Hierbei übernahmen die Vertreter der katholischen Kirche stets sehr wichtige, aktive Positionen ein (Klerikofaschismus). Schon der Pfriemer-Putsch 1931 war ein von den Heimwehren unternommener Versuch, die Demokratie zu beseitigen.
Die Hauptstadt Wien, seit 1922 ein eigenes Bundesland, stand aufgrund ihrer vortrefflichen sozialen Entwicklung in großem internationalen Ansehen. Auch die schürte die schlechte Stimmung zwischen der sozialistischen Bundeshauptstadt und den christlichsozialen Bundesländer, Stellvertretend für die Stadt - Land Gegensätze.
Bei der Wahl im Jahre 1930 waren die Nationalsozialisten noch unwesentlich, doch die Gemeindewahlen am 24. April 1932 zeigten, dass der Naziflügel unter den Faschisten mächtiger geworden war, auf Kosten der Christlich Sozialen (in Wien von 27000 auf 200000 Stimmen). Dies bedeutete eine nationale Krise. Überall konnte man von heute auf morgen Braunhemden und Hackenkreuzbinden sehen. Die Nazi hatten den Christlichsozialen zwar nicht viele Sitze abgenommen, aber genügend um ihre ohnehin schon unsichere Vormachtstellung im Parlament (wegen nebensächlicher Streitfragen mit der Heimwehr) zu erschüttern. Es war klar, dass die Parlamentswahlen eine aussichtslose Zersplitterung der Reaktion mit sich bringen und die Sozialdemokratische Partei als Siegerin hervorgehen würden; sie hätte die Macht dazu besessen, der ganzen antirepublikanischen Bewegung Einhalt zu bieten und die konterrevolutionäre Heimwehr zu entwaffnen. .
3.2 DIE ERNENNUNG
Also stellten die Sozialdemokraten auf Grund ihrer großen Chancen bei einer Neuwahl am 28.April 1932 die Forderung nach Auflösung des Parlaments. Großdeutsche und Heimatblock stimmten zu, daher wäre in dieser Abstimmung die Heimwehr der entscheidende Faktor gewesen. Um Zeit zu gewinnen, trat der Kanzler Dr. Buresch (Christl.- Soz. Partei) zurück - was automatisch die Abstimmung über die Auflösung aufschob - und benutzte die Atempause um sich mit der Heimwehr zu verständigen. An die Stelle Dr. Bureschs trat der Landwirtschaftsminister der vierzigjährige Engelbert Dollfuß.
Er war damit jüngster Bundeskanzler der österreichischen Geschichte. Er wurde von Bundepräsident Miklas mit der Regierungsbildung betraut. Nach anfänglichen Mißerfolgen gelang ihm doch noch eine Regierungsbildung mit Hilfe der Heimwehren. Das Kabinett Dollfuß' verfügte nur über eine Mehrheit von einer Stimme im Parlament (83:82) ! So wurde die Möglichkeit von Neuwahlen und eines Sieges der Sozialdemokraten schließlich doch noch erfolgreich verhindert.
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