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wirtschaft artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die ausschaltung des nationalrates



Die parlamentarische Regierungsform kam in Österreich am 4.März 1933 zu einem jähen Ende, als ein sozialdemokratischer Abgeordneter, einem menschlichen Bedürfnis folgend, einen Parteigenossen ersuchte, an seiner Stelle den Stimmzettel abzugeben, während er auf die Toilette ging. Es ist ein trauriger Gedanke, daß sechs Millionen Menschen wegen der Blasenschwäche eines Mannes ihre Freiheit verlieren mussten.

Am 4. März 1933 trat der Nationalrat in einer auf allen Seiten gereizten Stimmung zusammen. Schuld daran war die Hirtenberger Waffenaffaire (Schmuggel von Waffen über österr. Gebiet von Italien nach Ungarn mit Hilfe des österr. Waffenproduzenten Mandl und zu Gunsten der Heimwehr) und ein Streik der Eisenbahner, der auch von den christlichen und nationalen Gewerkschaften unterstützt worden war. Diesen Streik hatte Dollfuß mit Waffengewalt gebrochen.
Bei der zu erwartenden Parlamentsabstimmung ging es um die Amnestierung der Anführer des Streiks. Da einige Mitglieder der Regierungskoalition erkrankt waren, ging der Antrag auf Amnestierung durch.
Wegen des sozialistischen Abgeordneten auf der Toilette kam es zu einem Fehler beim Abstimmungsvorgang (2 Stimmzettel mit dem gleichen Namen) und es wurde eine Wiederholung der Abstimmung verlangt. Der sozialistische 1. Vorsitzende Renner wollte dem nicht zustimmen. Als nun doch eine Wiederholung unumgänglich schien, riet der sozialistische Klub dem Vorsitzenden zurückzutreten (es würde der christlichsoziale Ramek auf den Vorsitz nachrücken, der Vorsitzende sei aber nicht stimmberechtigt und somit die Mehrheit weiter ausgebaut). Letztlich wollte Ramek auch nicht mehr den Vorsitz und auch der 3. Vorsitzende (der Großdeutsche Straffner) trat zurück. Die Sitzung endete im allgemeinen Tumult, ohne ordnungsgemäß geschlossen worden zu sein.

Niemand maß dem Vorfall viel Bedeutung bei - doch Dollfuß sah darin sofort die Möglichkeit, die ihm verhasste Einrichtung loszuwerden und sich so von der irritierenden Kritik Otto Bauers und der Gefahr der Naziforderung nach Neuwahlen zu befreien ohne eine Antinazikoalition mit den Sozialdemokraten eingehen zu müssen.
Es folgten einige streng vertrauliche Besprechungen zwischen Dollfuß und General Vaugoin.
Diesen wurde ein jüdischer Staatsbeamter namens Hecht hinzugezogen.
Dr. Hecht war ein seltsamer Vogel, ein Kasuistiker mit großer juristischer Begabung.
Nachdem er sich mit Dollfuß und ein paar anderen 48 Stunden lang unterredet hatte, teilte man der überraschten österreichischen Bevölkerung am 6.März mit, dass die demokratische Regierungsform zu Ende war und der Kanzler einen unblutigen "kalten Putsch" durchgeführt hatte. Ab sofort regierte Dollfuss durch ein schwer veraltetes, von einem Herrn Dr. Hecht entdeckten, "Kriegsermächtigungsgesetz" aus der Zeit der österreichisch - ungarischen Monarchie, das die kaiserliche Regierung vom Jahr 1916 dazu ermächtigte, in Kriegszeiten gewisse dringende Wirtschaftsangelegenheiten ohne Zustimmung des Parlaments durch Verordnungen zu regeln. Diese mussten jedoch im nachhinein vom Parlament sanktioniert werden. Dieses Gesetz diente während des 1. Weltkrieges zum Regieren ohne Parlament.
Zu einer solchen Sanktion kam es unter Dollfuß aber nie - durch die diktatorische Maiverfassung von 1934 wurde das Parlament schließlich vollkommen beseitigt.

Bundespräsident Miklas unterstützte Dollfuß, indem er Straffner in einem Brief ersuchte, von der Einberufung des Parlamentes abzusehen. Straffner wollte sich seiner Pflicht jedoch nicht entziehen. Für 15. März 1933 rief der 3. Präsident des Nationalrates eine Sitzung ein, doch die Regierung bezeichnete dies sofort als verfassungswidrig und Dollfuß versuchte die Sitzung mit Gewalt zu verhindern - mit Hilfe der Kriminalpolizei die Abgeordneten einfach nicht ins Parlament lies.
Die Sozialdemokratische Partei hatte als Vorbereitung für eine Gegenaktion ihre Parteimitglieder informiert, dass im Falle der Verhaftung eines einzigen Abgeordneten die Straßenbahnen als Signal für den Generalstreik eingestellt werden sollten. Doch Dollfuß, als Meister der Umgehungstaktik tat ihnen diesen Gefallen nicht. Um 2:30 sperrten die Kriminalbeamten den Sitzungssaal, indem sich jedoch bereits eine beschlussfähige Zahl von Abgeordneten versammelt hatte.
Sozialisten und Großdeutsche hatten die Sperre umgangen, indem sie sich schon eine halbe Stunde früher trafen, wobei Straffner das Zusammentreffen angesetzt hatte, um die vorangegangene Sitzung vom 4. März 1933 ordnungsgemäß zu schließen.
Doktor Straffner hielt eine letzte Rede, in der er von einer Behandlung des Vorfalls in der nächsten Sitzung sprach, bei der wieder alle anwesend sein sollten, die aber nie stattfand. Dann gingen die Abgeordneten der Opposition wieder auseinander.

Die Heimwehr unterstützte diesen von Dollfuß und den Klerikalen durchgeführten Staats- streich.

Dollfuß wollte die Sozialisten nachträglich für seinen Plan, angeblich nur gegen die Nazis gerichtet, gewinnen, aber er erhielt keine eindeutige Antwort.

Während der folgenden 14 Monate sollte die Regierung Dollfuß hunderte von Verordnungen unter Berufung auf das Kriegwirtschaftliche Ermächtigungsgesetzes erlassen.

 
 

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