Ein zentraler Punkt der nationalsozialistischen Judenpolitik war es die Opfer zu zwingen, die Ghettos selbst zu verwalten. Deshalb schufen die deutschen sogenannte "Judenräte". Die Männer im Rat waren unter Todesandrohung verpflichtet, deutsche Befehle auszuführen: Es war der Judenrat, der die Namenlisten derjenigen Menschen aufstellen musste, die deportiert werden sollten. Der jüdische "Ordnungsdienst" musste die Todgeweihten zusammentreiben und zu wartenden Zügen oder Lastkraftwagen bringen. Die Frage, ob man gegen diesen Zwang Widerstand leisten sollte, war stets auf der Tagesordnung. Aber grausame gemeinschaftliche Bestrafungen machten die Entscheidung sehr schwer. In einigen Ghettos unternahm deshalb die Leitung des Judenrates alles, um Widerstandsversuchen entgegenzuwirken. Ein Beispiel dafür ist Jakob Gens, der Vorsitzende des Judenrates in Wilna (Litauen). Am 15. Mai 1943 berichtete er vor einigen Ältesten im Ghetto, dass die Gestapo einen Juden ergriffen habe, der einen Revolver besaß. Gens warnte: "Noch weiß ich nicht, wie dieser Fall weitergehen wird. Zunächst endete er für das Ghetto glücklich. Aber ich kann sagen, dass, wenn dergleichen noch einmal passiert, wir hart bestraft werden. Vielleicht führen sie dann alle über sechzig oder alle Kinder fort. Überdenkt nun, ob dies das Risiko wert ist!!! Es gibt für den, der vernünftig und klug denkt, nur eine Antwort darauf: Es ist das Risiko nicht wert!!!!!"
In anderen Ghettos versuchten Judenräte dagegen mit jenen, die Widerstand organisierten, zusammenzuarbeiten. - Auf Dauer aber spielte es für das Schicksal der allermeisten keine Rolle, welche Entscheidung sie trafen. Die deutsche Herrschaft war so übermächtig und die Isolierung und Entrechtung der Juden so vollständig, dass - egal, ob man die Anpassung an die deutschen Forderungen oder den Widerstand wählte - das Ergebnis immer dasselbe war: der gewaltsame Tod.
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