Aus Anla der Entgegennahme des diesjhrigen Theodor-Heuss-Preises warnte Lord Dahrendorf davor, weltwirtschaftliche Wettbewerbsfhigkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und persnlich-politische Freiheit als konkurrierende oder gar gegen¬stzliche Zielsetzungen zu deuten. \"Wir mssen diese drei Ziele gleichwertig und gleichzeitig verfolgen.\"
(Aus: Der Tagesspiegel; 13.04.97)
Sich ber die Vereinbarkeit von Liberalismus und Sozialismus Gedanken zu machen mag merkwrdig anmuten: Sind das nicht die gegensetzlichsten Weltanschauungen schlechthin? Der freie Markt als Regelungsmaschine hier, der Staat dort? Steht nicht das leidenschaftliche Bekenntnis zum Individuum und seiner Freiheit einem an gesellschaftli¬chen Zielen ausgerichteten Kollektivismus unverrckbar entgegen? Heit Liberalismus nicht, den Krften freien Lauf zu lassen und mu man nicht demgegenber dem Sozialis¬mus einen unbndigen Drang zur Kontrolle und Steuerung gesellschaftlicher Prozesse zu¬schreiben?
Die Distanz zwischen den beiden politischen Theorien erscheint uns heute unber¬brckbar gro. Das hat auch damit zu tun, da sich im Laufe der Zeit von den vielfltigen und komplexen Strmungen des Liberalismus und des Sozialismus nur enge, stereotype Vorstellungen berlebt haben. So steht der Liberalismus heute oft schon fr eine einseitige Interessensvertretung der Besitzenden und der Sozialismus fr den fehlgeschlagenen Ver¬such, dem Marxismus-Leninismus gewaltvoll zu etablieren.
Es kann daher nicht berraschen, wenn ein Groteil dieser Arbeit darin besteht, auf¬zuzeigen, was sich hinter diesen Begriffen ihrer Idee nach tatschlich verbrgt. Dabei wer¬de ich mich zunchst intensiv Holmes Werk: \"Anatomie des Antiliberalismus\" zuwenden. Er leitet in Erwiederung und Widerlegung zuvor vorgestellter Liberalismuskritiker ein eige¬nes Bild vom Liberalismus ab. Eine Diskussion der dargebrachten Argumente fr den Li¬beralismus und der Vorwrfe gegen ihn wird den Teil, der sich mit Holmes Buch ausein¬andersetzt, abschlieen.
Um mich nach dieser ersten Begriffsklrung der Kernfrage - die nach den Gemeinsam¬keiten von Sozialismus und Liberalismus - anzunehmen, werde ich darauffolgend mit Mill, Bernstein und den Fabianern die gesellschaftlichen Entwrfe von Intellektuellen beschrei¬ben, fr die Sozialismus und Liberalismus keine unberwindbaren Gegenstze darstellten. Im Gegenteil: Wie wir sehen werden, begriffen sich z.B. die Fabianer mit ihren sozialisti¬schem Gedankengut als die \"echten\" Liberalen.
Unter Einbeziehung dieser Vorstellungen von Gesellschaft und Staat schliet sich eine Diskussion der Begriffe Liberalismus und Sozialismus an. Es wird auf differierende Str¬mungen innerhalb der jeweiligen Theorie hingewiesen und es werden berlegungen zur Vereinbarkeit dieser politischen Traditionen angestellt.
Die Konklusion schlielich bercksichtigt darberhinaus einige wichtige Details, in de¬nen Unterschiede bestehen.
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