Kant hielt seine Vorlesung über Pädagogik ingesamt viermal, das erste Mal im Wintersemester 1776/1777, also zur Zeit der Entstehung seines Werkes "Methaphysik der Sitten".
Bei seiner empirischen Reformpädagogik, die stark von der Aufklärung beeinflußt ist und sich gegen die kritische Philosophie wendet, handelt es sich um eine "Lehre der transzendentalen Freiheit" (Niethammer über Kant, '80, S. 81), durch welche er ein auf dem naturunabhängigen Sittengesetz basierendes (Niethammer über Kant, '80, S. 238), pädagogisches System aufbauen will. Dabei fordert er insbesondere an Schulen die Einführung sittlicher Bildung anstelle intellektueller Dressur.
Er sieht in dem Menschen das einzige zu erziehende Geschöpf. Die Erziehung an sich beginne mit der "Wartung", welche übergehe in die "Disziplinierung" mit der anschliessenden "Unterweisung" bzw. "Kultivierung", gefolgt von der "Zivilisierung", welcher zuletzt die "sinnliche Grundlegung der Moralität" hinzugefügt werden müsse (Niethammer über Kant, '80, S. 8f). Auf all diese ,Hilfen' des Erziehers sei der noch nicht kultivierte und somit "roh" auf die Welt gekommene Mensch angewiesen, da er sich mittels seiner Vernunft einen eigenen Verhaltensplan, welcher die Naturanlagen der Menschheit allmählich hervorbringen solle, machen müsse (Kant in Cassirer, '22, S. 457). Dabei stützt sich Kant's Pädagogik auf die ,Sokratische Methode', die besagt, dass man durch das Bevorzugen des Lernens weniger, dafür aber intensiverer Lerninhalte, die Fähigkeit bekommen kann, sich selbst zu unterrichten. Wichtig sei auch, die Natur nur nicht zu stören (Niethammer über Kant, '80, S. 143), da diese als "erzieherische Potenz" (Niethammer über Kant, '80, S. 142) wirke, indem sie "natürlichen Widerstand" leiste und somit die erste Stufe der Disziplinierung darstelle (Niethammer über Kant, '80, S. 149), welche der Mensch benötige, um sich vom instinktiv-handelnden Tier abzuheben (Kant in Cassirer, '22, S. 457). Erziehung ist folglich auf gewisse Weise zwangsmässig und stellt die erste, wenn auch dem Menschen zuträgliche, Form der Einschränkung der menschlichen Freiheit dar, welche letztenendes jedoch auch zur Freiheit führen soll. Der Ursprung dieses langen Weges liegt laut Kant dabei "im Dunkel des Instinktes" (Niethammer über Kant, '80, S. 136).
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