Verfolgen wir die Geschichte, stoßen wir immer wieder auf die Todesstrafe. In jeder Epoche
wurde aus verschiedensten Motiven mit der Todesstrafe reagiert. Die Motive sind dabei sehr
weitläufig. Es wurde immer wieder hingerichtet. Im Namen der Gerechtigkeit, im Namen der
Götter, im Namen des Volkes oder aus politischen Gründen. Den später Hingerichteten
wurde in den meisten Fällen kein Prozeß zu Teil, in dem Sie sich ordentlich verteidigen
hätten können. Die Urteile standen zumeist schon vor der Verhandlung, wenn es überhaupt
eine gab, fest. So wurde es Zeit, daß endlich der erste Versuch unternommen wurde ein
System zu etablieren.
In der \"Caroliner Gerichtsordnung\" oder \"Peinliche Gerichtsordnung (Constituto Criminalis)\",
die 1532 von Karl V eingeführt wurde und auf der \"Babenbergischen Halsgerichtsordnung\"
basierte, wurde der erste Versuch unternommen, eine feste Einteilung zu schaffen um die
Bestrafung nach einer festen Ordnung vorzunehmen. Die Bestrafungen, die vorgesehen
waren, galten als sehr hart. Die Todesstrafe (z.B. durch Vierteilen ,durch Zerschneiden des
Leibes in vier Stücke, Zerstoßen der Glieder durch das Rad, Ertränken, Lebendig begraben
und den Feuertod) war fester Bestandteil. Alles basierte noch auf dem archaischen
Rechtsprinzip der Vergeltung \"Talion (lat. Ie talionis)\" entsprechend dem biblischem \"Auge
um Auge, Zahn um Zahn\".
[archaisch = (gr. arche > Anfang) Bezeichnung für das Frühstadium einer vorklassischen
(alten) Stilepoche.]
Die Caroliner Gerichtsordnung galt in Österreich bis 1768. Im diesem Jahrhundert wurden
auch die ersten Zweifel an der Todesstrafe gehegt. In der Aufklärungsphase entstanden
unter \"Becceria\", dem \"Sonnenfels\" in Österreich folgte, die ersten Zweifel.
[Becreria Cesare Bonesano: ital. Jurist und Schriftsteller, der durch seine Schrift \"Von den Verbrechen und Strafen (Dei delitti e delle pene)\', die in 22 Sprechen übersetzt wurde bekannt geworden ist (von Hommel 1778 ins Deutsche übersetzt).
Er bekämpfte darin die Tortur und die Todesstrafe.]
[Sonnenfels Johann Freiherr: Österr. Jurist. Er war der erste Jurist, der in Österreich auf strafrechtlichem Gebiet die Ansichten der Aufklärung vertrat.)
(Quelle: Der große Brockhaus Auflage 1934)
Dabei wurde das erste mal die Frage in den Raum gestellt: \"Hat der Staat das Recht, das Leben eines Menschen zu fordern? Ist die Todesstrafe der geeignete Schutz gegen schwerste Verbrechen?\".
1787 wurde die Todesstrafe von Kaiser Joseph II Österreich außer für \"Verbrechen, bei denen mit dem Standrecht verfahren werden mußte (Hinrichtung durch den Strang)\" abge¬schafft. 7 Jahre später wurde sie aber wieder für gewisse Verbrechen, zu denen z.B. Hochverrat und Mord gehört, wieder eingeführt. In den Jahren 1874 bis 1918 wurden in Österreich 2786 Todesurteile ausgesprochen, von denen auch 85 vollzogen wurden. 1919 wurde die Todesstrafe neuerlich für \"gewöhnliche Verbrechen\" abgeschafft. Es wurde eine entsprechende Bestimmung in der Bundesverfassung verankert. Mit dem Standrecht vom November 1933 kam es aber zur Wiedereinführung der Todesstrafe für schwere Verbrechen wie Mord, ein Jahr später wurde das Gesetz erweitert, so daß z.B. auch der Besitz von Sprengstoff als Kapitalverbrechen gewertet wurde.
[Standrecht: in Kriegs und Ausnahmezuständen eintretendes Recht, bei dem militärische Standgerichte bestehende Verbrechen und Vergehen in abgekürzten Verfahren aburteilen und vollstrecken]
Es dauerte bis 1950; daß die Todesstrafe in einer geheimen Sitzung vom Nationalrat mit 86 zu 64 Stimmen abgeschafft wurde. J~ wurde auch die Ausnahme Standrecht abgeschafft und somit die Todesstrafe für jegliche Art der Verbrechen in Österreich abgeschaffen. Dies wurde in Artikel 85 der Österr. Verfassung mit den Worten \"Die Todesstrafe ist abge¬schafft\" verankert. Die letzte Hinrichtung in Österreich fand am 24. März 1950 statt.
In folgenden Ländern Europas wurde die Todesstrafe ebenfalls abgeschafft:
Portugal 1867
Niederlande 1870
Norwegen 1905
Schweden 1921
Island 1928
Dänemark 1930
Schweiz 1937
Italien 1944
Finnland 1949
Deutschland 1951
Großbritannien 1969
Spanien 1978
Frankreich 1981
So sehr sich die Menschen in jeder Beziehung weiterentwickelt haben und neue Errungenschaften entdeckten, vertritt ein Teil unserer Bevölkerung nach wie vor die Meinung, die Todesstrafe wäre unbedingt erforderlich. Selbst eindeutige Fakten, die jegliches Argument sofort als haltlos darstellen, werden ignoriert. Die Frage, die sich uns zu Beginn gestellt hat: was ist eigentlich \"Todesstrafe\" für die in vielen Orte plädiert wird? Wenn man die Geschichte betrachtet, wird immer nur der Zusammenhang von Todesstrafe und Verbrechen erwähnt. Nun stellt sich aber die Frage nach der Definition des Wortes Verbrechen. In welchem Umfang kann man Verbrechen definieren? Ist es schon Verbrechen wenn ein Hungriger sein Essen stiehlt, wenn er keine Möglichkeit hätte sonst zu überleben und dafür hingerichtet wird? Ist es ein Verbrechen, wenn ein Mensch seine eigene Meinung bildet und diese auch unabweichlich vertritt. Ist es ein Verbrechen wenn ein Mensch nicht so vollkommen ist, als vielleicht ein anderer. Wer kann mit Objektivität Unterschiede im\' Leben definieren?
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