Der offensichtl. ausbleibende Zusammenbruch der kapitalist. Gesellschaften, ihre Demokratisierung und der allmähl. Abbau der polit. und wirtschaftl. Vorherrschaft einer bestimmten gesellschaftl. Schicht sowie die fortschreitende Verbesserung der sozialen und polit. Lage der Arbeiterschaft führte am Ende des 19.Jh. innerhalb der europ. Sozialdemokratie, die marxist. Ideen übernommen hatte, zu einer Diskussion über den Realitätsgehalt des M.; so entstand auch in der SPD um die Jahrhundertwende als Reaktion auf die offensichtl. Anpassungsfähigkeit des Kapitalismus eine von der orthodoxen, von K. Kautsky und R. Luxemburg vertretenen Position als Revisionismus bekämpfte Gegenposition um E. Bernstein, die nicht auf der Notwendigkeit revolutionärer Praxis beharrte.
Eine revolutionäre Umwälzung ereignete sich lediglich in Rußland, einem Land, das 1917 weit hinter der allgemeinen industriellen Entwicklung in Europa zurücklag und sich daher noch nicht in dem nach der Marxschen Interpretation vorauszusetzenden Stadium des Kapitalismus befand. Lenins Deutung und Weiterentwicklung des M. (Marxismus-Leninismus) trug diesen Verhältnissen Rechnung. Stalin unternahm ab 1924 die systemat. Zusammenfassung und autoritäre Durchsetzung (Stalinismus) der Lehren von Marx, Engels und Lenin, für die die Kommunist. Partei der Sowjetunion universelle Gültigkeit als wiss. Sozialismus (>Sozialismus in einem Land<) und als verbindl. Weltanschauung des Proletariats reklamierte. Eine eigenständige Abwandlung des M. entstand daneben im Titoismus und in der von Mao Zedong entwickelten Strategie der sozialen Revolution (Maoismus).
Seit den 1920er Jahren entwickelten sich aus der Kritik am Dogmatismus der orthodoxen Sozialdemokratie und der Sowjetideologie unterschiedl., unter der Bez. Neomarxismus zusammengefaßte Lehren, denen v.a. die Orientierung an den Marxschen Frühschriften und am Problem der gesellschaftlich bedingten Entfremdung der Menschen sowie die Kritik am objektivist. Dialektikverständnis des dialekt. und am quasi-metaphys. Geschichtsverständnis des histor. Materialismus gemeinsam ist. In die Reihe der Neomarxisten gehörten u.)a. in Deutschland G. Lukács und E. Bloch, in Frankreich J.-P. Sartre, in Jugoslawien die Mitarbeiter an der Zeitschrift >Praxis< (1965-74). Bes. Bed. erlangte im dt. Sprachraum nach dem 2. Weltkrieg die kritische Theorie der Frankfurter Schule. Der polit. und wirtschaftl. Umbruch in den ehem. Ostblockstaaten nach 1989 stellte den Anspruch auf die Realisierung der Ideen des Marxismus- Leninismus allerdings nachhaltig in Frage.
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