Johnsons primäres Ziel war es, die Beibehaltung des Status quo zu sichern, also die weitere Existenz Südvietnams zu gewährleisten. Er versuchte dies durch ein möglichst minimales amerikanisches Engagement zu erreichen, um einen möglichen Konflikt mit der VR China und der UdSSR zu vermeiden.
Für Lyndon B. Johnson und seine Berater schien sich dieses Ziel, angesichts der militärischen Probleme der Regierung Khan, am wirkungsvollsten durch verdeckte militärische Operationen verwirklichen zu lassen. Die amerikanische Regierung glaubte, dass nur ein erhöhter militärischer Druck auf Hanoi, Nordvietnam dazu bringen würde, die Unterstützung der Vietcong zu unterlassen, um so eine Lösung am Verhandlungstisch zu finden. Des weiteren war es einhellige Meinung der US-Regierung, dass nur durch eine Entlastung der südvietnamesischen Regierung, also durch verstärkte US-Unterstützung, eine Verbesserung der militärischen Lage und somit die Fortexistenz der Republik Südvietnam gewährleistet werden könne. Dies äußerte Johnson auch bei einem Gespräch mit Senator William Fullbright, in dem es um die allgemeine Politik der USA in Südostasien ging: \"(...) The only thing I know to do is to do something more efficent (...)\" . Die eigentliche Absicht der Vereinigten Staaten, geheime Operationen durchzuführen, erwähnte Johnson aber mit keinem Wort. Dies war eines der ersten Beispiele, wie Präsident Johnson den amerikanischen Kongress über die amerikanische Politik in Vietnam im unklaren ließ. Gegenüber dem Abgeordneten Fullbright sprach Johnson lediglich das allgemeine Interesse der USA an Südvietnam an und wies auf die vermeintlichen Risiken eines Verlustes Saigons hin: \"(...) Our purpose in South Vietnam is to help the Vietnamese maintain their independence (...). Without our support Vietnam will collapse and the ripple effect will be felt throughout Southeast Asia (...)\".
Jedoch wurden, im Gegensatz zu Johnsons Äußerungen gegenüber Fullbright am 3.3.1964, bereits seit Januar 1964 geheime Operationen geplant. In einer Reihe von Pentagon-Sitzungen erarbeitete der Nationale Sicherheitsrat, unter Federführung des Verteidigungsministers Robert S. McNamara, Pläne aus, die den Rahmen der verdeckten Aktionen festlegten, sowie eine Erarbeitung lohnender Ziele in Nordvietnam. Der eine Teil dieser Aktionen erhielt den Decknamen \" 34A-Operationen\", was die Entführung von wichtigen nordvietnamesischen Bürgern sowie den Einsatz südvietnamesischer Fallschirmjäger zur Durchführung von Sabotage-Akten in Nordvietnam beinhaltete. Des weiteren sollten Kommando-Operationen der südvietnamesischen Marine an der Küste Nordvietnams durchgeführt werden, um die nordvietnamesische Infrastruktur zu schwächen.
Bei der Planung und Durchführung der Aktionen ging der amerikanische Präsident und seine Berater mit äußerster Vorsicht ans Werk, um eine eventuelle Einmischung der UdSSR oder Chinas zu vermeiden und so die mögliche Gefahr eines atomaren Schlagabtausches abzuwenden.
Johnson sah in den verdeckten Aktionen eine der letzen Möglichkeiten, eine direkte amerikanische Einmischung zu verhindern. Präsident Johnson favorisierte hierbei jedoch hauptsächlich die Pläne, von den er glaubte, dass sie eine weitere Eskalation verhindern würden, denn Johnson wusste, dass er im Kongress zu diesem Zeitpunkt keine Mehrheit für ein militärisches Eingreifen gefunden hätte (\"(...) we haven`t got any Congress that will go with us (...)\"(Lyndon B. Johnson am 04.März 1964)).
Wesentlich problematischer als die südvietnamesischen 34A-Operationen, die vom Kommandeur des amerikanischen Hauptquartiers MACV (Military Assistance Command Vietnam) General Harkins, in Saigon koordiniert wurden, war der verdeckte Einsatz der Amerikaner in Laos. Die Vereinigten Staaten führten mit Maschinen, die laotische Hoheitsabzeichen trugen, Luftangriffe gegen Stellungen des Vietcong sowohl in Laos, als auch in Nordvietnam durch.
Ziel war es, diese Angriffes im Laufe des Jahres 1964 in drei Phasen so zu steigern, dass bis Ende des Jahres Ziele zerstört würden, \"(...) die gleichbedeutend mit dem wirtschaftlichen und industriellen Wohlstand Nord-Vietnams (...)\" waren (Vorschlag des Kommandeurs des US-Marine-Corps, Generalmajor Victor H. Krulak, an Präsident Johnson).
Auch im Hinblick auf die amerikanischen Aktionen in Laos, ließen der Präsident und dessen Verteidigungsminister McNamara, den amerikanischen Kongress im unklaren. Als Ende Juli 1964 ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug über Laos abgeschossen wurde und die darauffolgenden Vergeltungsmaßnahmen (Bombardierung von Vietcong-Stellungen in Laos) dem Kongress bekannt wurden, erwähnte McNamara die verdeckten Operationen in Laos mit keinem Wort. Der Kongress schien jedoch auch nicht sonderlich an einer Aufdeckung der Ereignisse interessiert gewesen zu sein, wenn man McNamaras Äußerungen gegen über Johnson nach den Hearing in betracht zieht: \"(...) they weren`t particulary concerned about the reconnaisance flights (...)\" .
Dem Kongress schien es mehr darauf anzukommen, daß die Regierung erklärt, warum Vietnam von entscheidendem Interesse für die Vereinigten Staaten sein sollte (McNamara: \"(...) the Congressmen we ought to tell the American people why we`re there and explain to them why Southeast Asia is important to us (...)\").
So verzichtete der amerikanische Kongress auf eine seiner entscheidenden Befugnisse - die Kontrolle der Außenpolitik des Präsidenten und seiner Berater.
Ziel der verdeckten Operationen und somit auch des Präsidenten, war es ja, wie bereits angesprochen, die subversive Unterstützung des Vietcong durch Nordvietnam zu unterbinden, um dann aus einer Position der Stärke heraus Verhandlungen über einen möglichen Status quo zu führen, also genau so, wie es seine Sicherheitsberater vorgeschlagen hatten: \"(...) When we are stronger then we can face negotiations (...)\".
Jedoch bereits in der Planungsphase der verdeckten Aktionen war vielen Beratern und vielleicht auch Präsident Johnson bewusst, dass die beschlossenen Aktionen (34A-Operationen, Luftangriffe in Laos), nicht ausreichen würden, um Nordvietnam an den Verhandlungstisch zu bewegen, geschweige denn die Unterstützung des VC einzustellen.
So stellte die Entscheidung zur Durchführung verdeckter Aktionen nur einen Teil eines Drehbuchs dar, das als eine weitere Stufe, oberhalb der geheimen Aktionen, direkte amerikanische Bombenangriffe auf Ziele in Nordvietnam vorsah.
Auch die CIA, eine der Hauptakteure der Aktionen in Laos, unterrichtete den Präsidenten und den Verteidigungsminister über die unzureichenden Erfolge der verdeckten Operationen: \"(...) Die allgemeine Lage in Vietnam ist nach wie vor äußerst prekär. (...) der anhaltende Druck untergräbt (...) die Autorität der Regierung (...) Wenn bis Ende dieses Jahres die Welle der Verschlechterung nicht zum Stillstand gebracht wird, ist (...) Südvietnam wahrscheinlich nicht mehr länger zu halten.\"
Aufgrund der pessimistischen Einschätzung des amerikanischen Geheimdienstes beauftragte Präsident Johnson McNamara und die Vereinigten Stabschefs bereits im Januar 1964 mit der Ausarbeitung einer Liste der bereits angesprochenen, entscheidenden Ziele in Nordvietnam, sowie mit der Auswahl der dazu nötigen Einheiten der Navy und Air Force und deren Verlegung auf vorgezogene Basen, beispielsweise auf Guam (\"(...) that preparations be undertaken immediately to be in a position to carry out US military action against North Vietnam (...)\") (Lyndon B. Johnson in einem Gespräch mit Dean Rusk, US Außenminister).
Präsident Johnson ging jedoch noch über diese Liste hinaus. Er ließ unter Leitung McNamaras eine Resolution ausarbeiten, die einer Kriegserklärung sehr nahe kam und dem Präsidenten bei ihrer Billigung alle Vollmachten zu einer Kriegsführung an die Hand gab.
Der amerikanische Präsident wusste jedoch nicht, wann oder wie er diese mögliche Resolution nutzten konnte oder wollte. Schließlich ist nicht zu verachten, daß 1964 ein Wahljahr darstellte und Johnson folglich auch seine Wahl im Auge behalten musste: \"(...) I`m just an inherited (...). I`ve got to win an election (...)\". Dementprechend versuchte Johnson, die geplante Ausweitung des amerikanischen Engagements geheim zuhalten, um den halbwegs bestehenden Konsens innerhalb der amerik. Bevölkerung und der Legislative über die bisherige Vietnampolitik der Regierung nicht durch Verunsicherungen wegen eines möglichen Einsatz amerikanischer Truppen zu gefährden, denn er wusste sehr wohl, dass er bei einem Kriegseintritt zu diesem Zeitpunkt kaum Unterstützung gefunden hätte: \"(...) we haven`t got any mothers that will go with us in a war (...)\".
Da eine Wende in Südvietnam mit militärischen Mitteln im Frühjahr 1964 nicht zu erreichen schien und auch die geheimen Operationen nicht den erwünschten Erfolg brachten, versuchte die Johnson-Administration über geheime diplomatische Kanäle die Verhandlungsbereitschaft Nordvietnams zu sondieren. In einem Gespräch mit R. Kennedy erläuterte LBJ das Ziel der diplomatischen Mission: \"(...) That we get the Canadians to go in and tell Hanoi that our objectives are very limited. (...) all we want to do is get `em to leave these other folks alone (...). We`re going to Khrushev with suggestions as to what we think they ought to do and can do (...).\"
Diese diplomatischen Bemühungen schienen von Beginn an nicht mehr als eine Geste guten Willens zu sein. Denn Johnson wusste, dass die amerikanische Verhandlungsbasis eines freien demokratischen Gesamt-Vietnams - oder als Minimal Lösung die Beibehaltung des Status quo also ein geteiltes Vietnam - für Hanoi absolut indiskutabel war: \"(...) Wenn ich Ho Chi Minh wäre, würde ich niemals verhandeln (...)\".
Ein neutrales Vietnam ohne Einmischung ausländischer Mächte, was Hanoi vorschlug, war wiederum für die Vereinigten Staaten inakzeptabel, wie Johnson es General Minh, Vorsitzender des Militärrates in Südvietnam, mitteilte: \"(...) neutralization of South Viet-Nam is unacceptable. As long as the Communist regime in North Viet-Nam persists in its aggressive policy (...) it would be another name for a Communist takeover (...)\".
Auch diese diplomatischen Verbindungen blieben für die amerikanische Öffentlichkeit unbekannt, da Johnson das mühsam aufgebaute Bild der Situation in Vietnam nicht zerstören wollte, das der amerikanischen Bevölkerung den Eindruck vermittelte, die Lage in Südvietnam sei zwar ernst, aber eine Ausweitung des US-Engagements sei nicht notwendig.
Johnson fürchtete auch im Hinblick auf die Wahlen im November 1964 die Presse und ihre reißerischen Berichte über Vietnam: \"(...) It`s changed at home because they`re writing articles about it (...) kind of promoting a panic (...)\".
Johnson nutzte die verdeckten Operationen im Grunde genommen, um von der eigenen politischen Ratlosigkeit abzulenken und dadurch Zeit zu gewinnen. Ebenso erhoffte sich der amerikanische Präsident, dass sich der Norden aufgrund der geheimen Operationen der USA in Laos und der südvietnamesischen Armee in Nordvietnam sowie im Südchinesischen Meer, zu einem militärischen Vorgehen gegen die USA verleiten ließe, woraufhin Johnson den militärischen Druck auf Nordvietnam erhöhen könne.
Präsident Johnson befand sich bis Mitte 1964 in einer Zwickmühle: Auf der einen Seite wollte er eine direkte amerikanische Beteiligung am Konflikt vermeiden, auf der anderen Seite wollte er nicht der erste Präsident sein, der einen Krieg verliert und somit auch die nächste Wahl. Um diesen Gesichtsverlust seiner selbst und auch der Vereinigten Staaten zu vermeiden, nahm er aber während der Überlegungen der geheimen Operationen das Risiko einer amerikanischen Verstrickung in Vietnam in Kauf.
Lyndon Baines Johnson setzte seine Hoffung auf die zu Jahresbeginn ausgearbeitete Resolution, um nach deren Billigung durch den Kongress, Nordvietnam durch ein gezieltes und massives Bombardement zum Einlenken zu zwingen.
Jedoch war es auch der Johnson - Administration klar, dass zur Durchführung des Bombardements die bisherigen finanziellen Mittel von 3,4 Milliarden US-Dollar nicht ausreichen würden. Deshalb wendete sich Präsident Johnson im Mai 1964 erneut an den Kongress, um einen finanziellen Nachtrag im Budget für das Jahr 1965 in Höhe von 125 Millionen Dollar durchzusetzen. Auch diese Gelegenheit nutzte der Präsident nicht, um den Kongress über seine genauere Planung (Luftangriffe auf Nordvietnam) zu informieren. Johnson begründete eine Aufstockung der finanziellen Mittel für Vietnam lediglich mit der Aussage \"(...) a new government under (...) Khan has come to power (...) I share with Ambassador Lodge the conviction that this new government can mount a successful campaign against the Communists (...)\".
Obwohl Johnson wusste, dass sich aufgrund einer Erhöhung des Budgets für Vietnam die Lage nicht deutlich verbessern würde, versuchte er eben dies dem Kongress glaubhaft zu machen.
Der Präsident und weite Teile seiner Berater hielten weiter an einer Resolution fest, von der man glaubte, sie würde zu einem schnellen Erfolg in Vietnam führen und eine Ausweitung des amerikanischen Engagements verhindern.
Diese Kongress-Resolution war innerhalb der Administration jedoch keineswegs unumstritten. Henry Cabot Lodge, US-Botschafter in Vietnam, war beispielsweise äußerst skeptisch: \"(...) I am not yet persuaded that such a resolution was (..) required \".
Durchsetzen konnte sich schließlich jedoch der Kreis um Präsident Johnson und Verteidigungsminister McNamara, der die Kongress-Resolution als nahezu einzige Alternative zur Verbesserung der Lage in Südvietnam, sowie als eine geeignete Möglichkeit um die Entschlossenheit der Vereinigten Staaten zu demonstrieren, ansah.
Die amerikanische Regierung wartete also auf eine Gelegenheit, um die \"begrenzte Partnerschaft\" zwischen den USA und Südvietnam durch eine eingeschränkte Bombardierung Nordvietnams zu untermauern und die Entsendung amerikanischer Bodentruppen zu vermeiden.
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