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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Kolonialgesellschaften



Wie lief nun die Inbesitznahme der deutschen Kolonien ab? Bismarck zeigte eine besondere Raffinesse, er vermied es, Ländereien in Afrika zu besetzen und als deutsche Kolonien zu deklarieren. Das wäre auch fatal gewesen, da es Frankreich und vor allem England auf den Plan gerufen hätte. Auch hätte ein solches Vorgehen im Widerspruch zu Bismarcks vorherigen Aussagen gestanden, somit wären er und das Deutsche Reich unglaubwürdig geworden, was die deutschen Beziehungen zu diesen Staaten schwer belastet hätte. Statt dessen wurde eine gemäßigte Vorgehensweise durchgeführt: Getreu der im eigentlichen Sinne den englischen Kolonialismus beschreibenden Formel "The flag follows the trade" wurden zunächst Kaufleute vorgeschickt, die Handelsstützpunkte aufbauten und Kolonialgesellschaften einrichteten. Ein einzelner Kaufmann konnte in den meisten Fällen wenig Einfluss auf die Politik ausüben. Durch Zusammenschlüsse der einzelnen Privatinvestoren entstand eine Lobby, die genügend Druck auf die Staatsführung ausüben konnte, um ihre Ziele zu erreichen. Sicherung der wirtschaftlichen Prosperität durch Erwerb von Kolonien war die Hauptintention der Mitglieder. Ein weiterer Grund war die einfachere Verwaltung der einzelnen Gebiete. Im Auftrage der "Deutschen Gesellschaft für Kolonisation" war in Ostafrika Carl Peters (1856-1918) tätig. Er kaufte die Landgebiete, aus denen dann später "Deutsch-Ostafrika" wurde. In Südwestafrika (dem heutigen Namibia) war es der Bremer Adolph Lüderitz (1834-1886), der in der Gegend um die Bucht Angra Pequea für 500 Pfund und 60 Gewehre ein Stück Land kaufte, das als Grundstein des späteren "Deutsch-Südwestafrika" diente; desweiteren ließen sich deutsche Kaufleute auch in Kamerun (Adolph Woermann), auf den Samoa- und Tongainseln ("Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft") und im Pazifik ("Neu-Guinea-Compagnie) nieder. Diese drängten Bismarck dazu, im Interesse der Wirtschafts- und Handelsgesellschaften für diese Gebiete eine Schutzherrschaft einzurichten, da es immer wieder Probleme mit den einheimischen Völkern und Stämmen gab.
Dies geschah dann auch in den Jahren 1884-1886. Bismarck stellte die Besitzungen der Kaufleute zunächst unter die geforderte Schutzherrschaft. Er vermied dabei den Terminus "Kolonien" um England und Frankreich nicht zu reizen. Letztenendes wandelte er diese Gebiete dann unter Ausnutzung der in 4.1.3. genannten günstigen außenpolitischen Lage in offizielle deutsche Kolonien um, wobei dieser Terminus bis 1918 nicht offiziell gebraucht wurde; man sprach stattdessen von "Schutzgebieten". Im Einzelnen waren dies 1884 Deutsch-Südwestafrika, Togo, Kamerun, Kaiser-Wilhelms-Land und das Bismarck-Archipel; 1885 Deutsch-Ostafrika und die Marshall-Inseln und schließlich 1886 drei der Salomon-Inseln. Das Deutsche Reich hatte nun endgültig den Schritt von einem saturierten Staat hin zur Kolonialmacht getan. 7

 
 

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