1857 wurde nach dem Entschluss von Kaiser Franz-Joseph die städtische Befestigung abgerissen und mit dem Bau der Ringstraße begonnen. Diese hufeisenförmige, die Innenstadt umschließende Allee gab einer ganzen Epoche ihren Namen - der Ringstraßenära.
Es wurde nicht nur die Stadtmauer, sondern der gesamte militärische Rayon der Befestigung in die Planung mit eingezogen. Sie ist 57 Meter breit und 4 km lang.
Es entstanden Ministerien, Museen, die Hof- bzw. heutige Staatsoper, das Reichsratsgebäude, die neue Universität und vieles mehr. Ein größerer Bereich wurde jedoch bis 1870 militärisch weitergenutzt. Erst relativ spät wurde in neugotischen Stil das neue Rathaus errichtet.
Auf dem ebenfalls zur Bebauung freigegebenen "Glacis", der freien Fläche vor der Stadtmauer, wurden repräsentative Häuser des immer stärker werdenden Bürgertums - protzige Paläste, stuckbeladene Mietshäuser mit prunkvollen Treppenhäusern, Fassaden und Giebeln - gebaut.
Da das Großbürgertum nach 1848 daran gehindert wurde, an der politischen Macht teilzuhaben, wollten die Bürger ihre Machtlosigkeit durch die unverhüllte Zurschaustellung ihres Vermögens kompensieren.
Die Gebäude wurden in verschiedensten Baustilen - klassische Antike, Kathedral- und Bürgergotik, Renaissance und Barock- gebaut.
Ein typischer Ringstraßenpalais ist folgendermaßen aufgebaut:
Im Erdgeschoss waren die Dienstbotenräume, Küche und Wirtschaftsräume untergebracht. Außerdem wurde ein Teil der Räume als Büros, sogenannten Comtoir, vermietet.
Im ersten Stock, der Beletage, wohnte der Hausherr. Dieses Stockwerk diente der Repräsentation, z.b. Salon, Tanzsaal, Empfangssaal und Wintergarten.
Im zweiten Stock befanden sich die privaten Gemächer. Der dritte Stock wurde an fast ebenbürtige Standesfamilien vermietet.
Der vierte und fünfte Stock wurde an einfache Leute vermietet, die aus reiner Gnade dem Hausherrn Miete zahlen durften.
Eingeweiht wurde die Ringstrasse am 1. Mai 1865.
Sie beginnt am Julius- Raab- Platz. Auf dem Stubenring geht es vorbei am Regierungsgebäude. Dann kommt der Parkring, der am Stadtpark vorbeiführt. Es folgen Schubertring, der Kärntner Ring und der Opernring mit der Staatsoper. Als nächstes folgt der Burgring mit dem Burggarten, der neuen Hofburg, dem Heldenplatz und der Volksgarten. Am Dr.- Karl- Luegger- Ring befindet sich das Burgtheater, der Rathausplatz und die Universität. Auf dem Schottenring geht es vorbei an der Wiener Börse, bis die Ringstrasse am Ringturm in den Franz- Joseph- Kai endet.
Das Regierungsgebäude ist das ehemalige K. u. K . Kriegsministerium.(K. u. K. ist eine Abkürzung und steht für kaiserlich- königlich). In ihm befinden sich mehrere Ministerien, unzählige Gänge und viele Büros. Deswegen wird es etwas fälschlich als Regierungsgebäude bezeichnet.
Der Stadtpark ist der Rest einer Freifläche, die aus militärischen Gründen der Stadt vorgelagert war. Hier befindet sich neben vielen weiteren Denkmälern ein oft fotografiertes Johann- Strauss Denkmal.
Die Staatsoper hat mit 2209 Sitzplätzen eine der größten Bühnen Europas. Hier wirkten alle berühmten Dirigenten von Gustav Mahler bis Richard Strauss, von Karl Böhm bis Herbert von Karajan.
Die Oper selber wurde im Stil der Hochrenaissance nach den Plänen der Architekten Eduard van der Nüll und August Sicard von Sicardsburg von 1861- 1869 errichtet und am 25. Mai 1889 mit Mozarts " Don Giovanni" eröffnet. Die beiden Architekten erlebten diesen Tag nicht: Der Bau wurde von den Wienern bespöttelt und von der Zeitung schlecht gemacht. Van der Nüll beging Selbstmord, sein Freund Sicardsburg erlitt einen Schlaganfall.
Das Burgtor, das zur Hofburg gehört, war ein Teil des alten Befestigungssystems, das im klassizistischem Stil bereits von 1821- 1824 als Demonstration des Sieges über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig errichtet wurde. Das inner Burgtor wurde1934 als Gedenkstätte für die im 1. Weltkrieg gefallenen Soldaten errichtet und dient seit1955 als "Heldendenkmal", Österreichs Variante zum Denkmal des unbekannten Soldaten.
Die Hofburg, die den Habsburgern als Residenz diente, wurde zwischen dem 13. und 20. Jahrhundert erbaut. Sie ist ein zerstückeltes, unstrukturiertes, verschachteltes An- und Übereinanderreihen von Bauten, Höfen, Gräben und Kaiserzimmern.
An der neuen Hofburg, die direkt an der Ringstrasse liegt, haben fast alle namhaften Architekten der Ringstrassenära gearbeitet: Hasenauer, Semper, Förster, Baumann. Heute befinden sich darin das Museum für Völkerkunde sowie Teile des Kunsthistorischen Museums.
Der große Platz vor der Hofburg ist der Heldenplatz. Auf ihm hielt Adolf Hitler vor über 70.000 begeisterten Zuhörern die berühmte Rede vom 14. März 1938, in der er erklärte, dass seine Heimat an das Großdeutsche Reich zurückgekehrt sei.
Das Parlament wurde nach dem Vorbild der Akropolis in Athen gebaut. Wenn man es betritt, steht man im "gestürzten Parthenon\\\", die beiden Rundtheater am Fuße der Akropolis entsprechen den beiden Sitzungssälen, von denen einer im 2. Weltkrieg zerstört wurde.
Das Rathaus wurde im neugotischen Stil erbaut. Der Rathausturm ist 97,3 m hoch. Auf ihm steht das Wahrzeichen Wiens, der 3,49 m große " Eiserne Rathausmann".
Das Burgtheater wurde von 1872- 1883 von Gottfried Semper im Stil der italienischen Hochrenaissance gebaut. Es ist 136,5 m lang und 42,5 m hoch. Der Zuschauerraum fasst 1310 Sitz- und 210 Stehplätze. Das Burgtheater wurde am 12. April 1945 zum großen Teil zerstört.
Das gewaltige Bauvorhaben "Ringstraße" wurde nie ganz zuende geführt. Das Kaiserforum, die geplante Überbauung der Ringstraße, sowie die komplette Umbauung des Heldenplatzes mit einem zweiten Flügel der Hofburg wurde nur zur Hälfte fertig gestellt.
Der prunkvolle Stil von öffentlichen Bauten und Wohnhäusern sollte als Ringstraßenstil in die Kulturgeschichte eingehen.
Heute ist von dem Glanz der Donaumonarchie in der Ringstraße viel verloren gegangen.
Der ehemalige Reitweg zwischen Straße und Fußweg wurde in einen schattigen, durchgehenden Radweg umgewandelt.
Von den ehemals 50 großen Ringstrassencafes sind nur noch 5 erhalten geblieben. Aus den Büros und eleganten Geschäften der Ringstrassenpalais wurden Autosalons, Souvenirläden, Büros von Fluglinien und ähnlichem.
Heute fahren auf der Ringstrasse täglich 30.000 Autos und Zigtausend Straßenbahnpassagiere. Ohne Autoverkehr kennen viele Wiener die Ringstrasse nur noch von zwei Anlässen: von den Mai- Umzügen der SPÖ und von ihrer Firmungs-Fiakerfahrt in den Prater.
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