Wenn man in westlichen Ländern von Demokratie oder politischer Willensbildung spricht, so kommt man fast unweigerlich zu den Parteien. In westlichen Demokratien bilden sie das Rückgrat des Systems. Sie kandidieren um die Regierungsämter, stellen die Parlamentarier und bilden das Verbindungsglied zwischen Staat und dem Volk. Auf den afrikanischen Kontinent mit seinen jungen Demokratien scheint dieser Sachverhalt nur schwer übertragbar zu sein. Dies mag zum einen an der Tatsache liegen, daß es hier viele Staaten mit sogenannten Einparteiensystemen gab, die nach außen hin nichts mit westlichen Parteien gemein haben und starr und unbeweglich wirkten, so daß sie als Ausgangspunkt von Demokratisierungsprozessen nicht in Betracht kamen , somit auch in der Bevölkerung eine positive Assoziation mit dem Begriff \"Partei\" nicht zuließen. Häufig wird auch im Zusammenhang mit den Demokratisierungsprozessen in Afrika bezug auf die Zivilgesellschaften, ethnischen \"cleavages\", Nationalkonferenzen etc. genommen, so daß die Parteien meist in den Hintergrund von Wissenschaft und Forschung gerieten. Sie spielten lediglich dann eine übergeordnete Rolle, wenn es um Bemühungen der regierenden Einheitspartei ging, Reformen durchzuführen . Bei der Entstehung von oppositionellen Gruppen spielten sie demnach auch keine Rolle, dafür die schon genannte Zivilgesellschaft in Form von Gewerkschaften, Kirche und Bourgeoisie.
Trotzdem ist es sinnvoll auf die Rolle von Parteien in Afrika einzugehen, sei es um die Einparteiensysteme und ihre Entstehung darzustellen, oder auch, weil Parteien nach unserem Demokratieverständnis eben eine wichtige Rolle einnehmen und sich dies auch in Afrika -zumindest langfristig- durchsetzen wird, gerade deshalb weil ein Hauptmerkmal von Demokratie freie Wahlen sind und hier die Parteien kandidieren, wobei diese Entwicklung sicher auch auf den Druck der westlichen Geberländer zurückzuführen ist. Parteien auszuklammern hieße daher einen wichtigen Aspekt ausblenden. Eine Schwierigkeit bei der Untersuchung der Parteien ist in Afrika natürlich die Aktualität der Prozesse, und das damit einher gehende \"empirische Defizit\" spielt eine besondere Rolle.
Gehen wir gedanklich zurück zu den Einparteiensystemen, die ja lange Zeit eine erhebliche Rolle in Afrika inne hatten. 1957 begann die Entkolonialisierung Afrikas mit der Unabhängigkeit Ghanas 1957, der eine Reihe weiterer Staaten folgten. Diese Staaten waren in ihrer Anfangsphase durchaus demokratisch, hatten sie doch oftmals für ihre Verfassungen britische oder französische Vorbilder gewählt . Allerdings waren die Voraussetzungen in den jungen souveränen Staaten denkbar schlecht: Der Abzug der Kolonialmächte kam sehr schnell, ohne daß diese ihrer Verantwortung, geordnete Strukturen zu hinterlassen, Rechnung getragen hätten. Aber auch die -meist nationalistischen- Anführer der Unabhängigkeitsbewegungen drängten auf eine rasche Abwicklung, so daß Staaten zurückblieben, die gar nicht über die Möglichkeit zu kompetentem Handeln auf bürokratischer, verwaltungstechnischer Ebene oder gar in militärischer Hinsicht hatten . Daher war der Weg dieser \"schwachen Staaten\" vorgezeichnet, er führte entweder über die Straße des Putsches, der Unterdrückung jeglicher Opposition oder über die Einverleibung oppositioneller Parteien direkt zu Einparteiensystemen , in denen Demokratie nicht mehr zu finden war. Ihr wichtigstes Ziel war der Zusammenhalt der Nation, was häufig tatsächlich durch ethnische Fragen gefährdet zu sein schien. Auch versuchten diese Einheitsparteien möglichst viele Gruppierungen in sich aufzunehmen um eine breite Basis zu schaffen. Die Persönlichkeiten, die diese Parteien führten scheinen ebenfalls von Bedeutung zu sein , in Mali war dies Modibo Keita, der die nationale Einheitspartei US bis 1968 führte und danach Moussa Traoré, der das Land allerdings unter einer Militärdiktatur weiterführte .
Bei den Demokratisierungsprozessen stößt man immer wieder auf Widerstand gegen Mehrparteiensysteme. Interessant ist hier vor allem das Argument, daß eine pluralistische Demokratie für die unterentwickelten Staaten \"Luxus\" sei, ein Hinweis, der wohl im Hinblick auf die gescheiterten Entwicklungsdiktaturen zu entkräften ist . Auch soll das Recht auf Opposition in den afrikanischen Traditionen nicht oder kaum verankert sein , aber auch der Kolonialstaat mit den gängigen Repressionen hat sich hier sicher prägend ausgewirkt .
Wie bereits weiter oben im Text angemerkt geht in der ersten Phase der Demokratisierung von den Parteien also kein Impuls aus, entweder, weil sie selbst die Macht inne haben, oder weil sie als oppositionelle Parteien zu schwach sind . Spätestens aber, nachdem die Zivilgesellschaft den Anstoß zur Demokratisierung gegeben hat, wenn eine Nationalkonferenz eine neue Verfassung beschlossen hat, kommen die Parteien ins Spiel, denn sie kandidieren bei den WAHLEN . Zu diesem Zeitpunkt verliert die Zivilgesellschaft ihre Führungsrolle, denn durch sie werden immer nur einzelne Interessengruppen vertreten, niemals aber eine breite Basis, wie eine Partei dies tun kann. . Aber auch in dieser Phase stehen die Parteien und damit der gesamte Demokratisierungsprozess vor einem Problem: \"Wählerapathie\" . Die Wahlen scheinen in vielen afrikanischen Staaten keinen Anklang in der Bevölkerung zu finden, ein Zeichen für die mangelnde Identität mit politischen Parteien, vermutlich herrührend aus den langjährigen Repressionen, die man durch Einheitsparteien hatte erfahren müssen. So ist es kaum verwunderlich, daß dort, wo es in den Staaten größere ethnische Mehrheiten gibt, auf die sich die Parteien stützen können, es auch meist die deutlichsten Mehrheitsverhältnisse gibt . Eine Konsolidierung dieser Parteien und der Demokratie ist am ehesten dort anzunehmen, wo gleichzeitig ein hohes Pro-Kopf-Einkommen vorhanden ist , was die These unterstützen würde, daß der wirtschaftlichen Entwicklung die Demokratisierung folgt , wenngleich dies allerdings im Falle Malis nur bedingt zutreffen kann, schließlich gehört es zu den ärmsten Ländern der Welt und hat nun schon die zweiten freien Wahlen hinter sich gebracht.
Abschließend läßt sich feststellen, daß politischen Parteien in der Anfangsphase von Demokratisierungsprozessen keine besondere Bedeutung zukommt. Wenn aber der Demokratisierungsprozess in Gang gekommen ist, nehmen politische Parteien eine wichtige Rolle ein, vor allem in Hinblick auf Wahlen. Daher ist eine Betrachtung demokratischer Transitionsprozesse unter Einbezug politischer Parteien durchaus interessant.
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