In Sagen und Märchen drückt sich in vielfältiger Form die Phantasie eines Volkes aus,
die durch Zauberwahn und Hexenglaube nur noch beflügelt wird. Bei dem Begriff
"Hexe" denkt jeder von uns wohl erst an die Märchenhexe, die aus Kindertagen sehr
gut bekannt sein müßte. Jener Typ von Frau mit rotgeränderten Triefaugen, Buckel,
Warze auf der Nase und krumm über einem Stock laufend, mit einer schwarzen Katze
oder einem Raben auf der Schulter. Meist lebt diese Hexe im tiefen Wald und hat
allerlei magische Kräfte. Sie spricht mit Tieren und braut Zaubertränke. Oft
verwandelt sie sich in Tiere und lockt kleine Kinder in ihr Knusperhäuschen, um sie
zu verhexen oder zu verspeisen. Eine andere Form der bösen Hexe ist die Stiefmutter,
deren Haß und gesamte Bosheit sich hauptsächlich gegen bestimmte Personen richtet,
bevorzugt Stiefkinder. Das Böse in Märchen wird also durch die Hexe verkörpert,
( allerdings ohne Mitwirkung des Teufels ) durch eine boshafte, häßliche und gierige
Person, die ihren armen, unschuldigen Opfern auf jeden Fall Schaden zufügen will.
Bei den Hexensagen, die im Gegensatz zu den Märchen sehr individualisierte Züge
aufzeigen, sind ebenfalls zwei Hauptgruppen zu unterscheiden: In einigen Fällen ist
die "Hexe" entstanden aus Gestalten einst selbständiger Sagengruppen, die die Züge
der Hexen annahmen oder deren Eigenschaften den Hexen beigefügt wurden. Zu
nennen sind die Wind - und Wetterhexen, die aus den alten Gewitterdämonen
entstanden, sowie die Sagen über die bösen Hausgeister, wie zum Beispiel vom
Werwolf. In den meisten Sagen handelt es sich bei Hexen jedoch um Frauen, die ihre
Macht und ihre besonderen Fähigkeiten einem Bündnis mit dem Satan verdanken.
Die Mitwirkung des Teufels in den Hexensagen tritt im Gegensatz zu den
Hexenprozessen in den Hintergrund oder verschwindet fast ganz. Meist treibt die Hexe
nur aus persönlichen Gründen, zum Beispiel auf Grund des Strebens nach irdischen
Gütern, wie Geld, ihr Unwesen. Außerdem unternimmt eine Hexe alles, um ihre
Identität zu verbergen. Sie geht in die Kirche, verwandelt sich in Tiere oder nimmt
eine Scheingestalt an. Ist der Teufel in Hexensagen nun doch einmal im Spiel, so
erweist er sich stets als ehrlicher Partner, der seine Versprechen einhält, während er in
den Hexenprozessen als Betrüger entlarvt wird.
Die Hexenversammlung, "der Hexensabbat", wird zur ausgelassenen, harmlosen Feier
mit Spiel, Tanz und fröhlichem Gelage. Der Teufel tritt hierbei in verschiedenen
Rollen auf, mal als Gastgeber oder als Diener.
Der Sieg der Christen über den Teufel wird bei jeder Gelegenheit gezeigt. In einigen
Sagen stellen Hexen sogar ihre Kräfte zur Verfügung, um gegen den Teufel zu
kämpfen. Verstärkt tritt in den Sagen nun die Bedeutung des Teufelspaktes in den
Vordergrund. Der erfolgte Abfall von Gott bedeutet den Verlust der Seligkeit, der
unwiderruflich ist; auch durch Buße oder Gebet kann man keine Abhilfe schaffen.
Dieser Überblick über Märchen und Sagen macht klar, daß das Wort "Hexe", welches
im Volksglauben Elemente enthält, wie Vertrautsein mit Tieren und der Natur,
Kindermord und Kannibalismus, ein Sammelbegriff ist, der ganz verschiedene
Kulturbereiche vereinigt. So sind Einflüsse aus den Religionssystemen aus Indien,
Persien, Ägypten sowie aus dem keltischen und germanischen Zauber - und
Ullrico@t-online.de (Sebastian Boettcher)
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Gespensterglaube und zuletzt aus der griechisch - römisch antiken Mythologie - um
nur einige zu nennen - von großer Bedeutung für den Hexenglauben geworden.
Theologen des Mittelalters prägten für den Begriff "Hexen" neue Ausdrücke, da sie
kein entsprechendes Wort fanden. Ausdrücke wie zum Beispiel: "lamiae" oder
"lamia", die allerdings nur einer Teilvorstellung des Begriffes "Hexen" entsprachen.
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