3.1 Die DDR Kulturpolitk
Die Literatur ist durch das marxistische Kunstverständnis der ehemaligen DDR beherrscht worden. Mit dem Beginn des "Aufbaus der Grundlagen des Sozialismus" im Jahre 1950 wird der "sozialistische Realismus" zur verbindlichen Richtlinie der Literatur erklärt.
Das Einhalten wird von einer zentralen Kulturbürokratie kontrolliert. Um Werke zu veröffentlichen, muß sich der Schriftsteller außerdem den Grundsätzen eines Schriftstellerverbandes unterwerfen bzw. diese befolgen.
[Dieses] erfordert vom Künstler, daß er lernt, seine Kunstwerke im Geist des sozialistischen Realismus zu gestalten.
In der Epoche des "sozialistischen Realismus" ist es somit für einen Schriftsteller verbindlich, im Sinne der Regierung zu wirken. Zur Aufgabe des Autors gehört es, das Leitbild des "neuen Menschen" positiv darzustellen und dem Menschen eine Perspektive zu vermitteln, die eine gerechte und angenehme Zukunft prognostiziert.
Im Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens muß der neue Mensch stehen, der Kämpfer für ein einheitliches, demokratisches Deutschland, der Aktivist, der Held des sozialistischen Aufbaus.
Da sich der Schriftsteller an das Volk wenden soll, verlangt man außerdem von ihm, daß die Sprache sowie der Inhalt des Werkes für diese Zielgruppe verständlich ist. Die Aussage soll stets direkt und unmißverständlich sein, die Schreibweise volkstümlich.
Festzumachen ist diese Kulturpolitik an den "Bitterfelder Konferenzen" von 1959 bzw. 1964. Ziel ist es gewesen, die sozialistische Kultur und Kunst mit Hilfe der "Arbeiterklasse selbst" zu organisieren :
Greif zur Feder, Kumpel, die sozialistische Nationalkultur braucht dich!
Da der Erfolg dieser Kulturpolitik begrenzt ist, kommt es aufgrund einer wirtschaftlichen Stabilität in den 70er Jahren, zu einer Liberalisierung und damit in der Literatur häufiger zu kritischen Untersuchungen der Lebensumstände durch junge Autoren. Diese Werke stoßen auch vermehrt in der BRD auf positive Resonanz, wie beispielhaft das Werk " Die neuen Leiden des jungen W.".
Das gesamte sozialistische System wird auch in dieser Literatur nicht in Frage gestellt, denn es wird weiterhin pauschale Systemkritik als Verstoß gegen "sozialistische Grundpositionen" gewertet und stark bestraft.
Deshalb darf nicht übersehen werden, daß auch in dieser liberalen Phase relativ eingehende Vorstellungen und Vorschriften existieren, die u.a. noch nach 1980 dazu führten, daß der populäre Jugendschriftsteller Karl May verboten bleibt.
3.2 Weltanschauung und Literatur
Unter diesem Punkt muß erneut die übergeordnete Ideologie bzw. das politische Ziel der SED - Regierung betrachtet werden:
Es steht die marxistische Idee des "sozialistischen Menschen" im Mittelpunkt. Dem Menschen soll es ermöglicht werden, in einer vom Kapitalismus befreiten Gesellschaft sich geistig, kulturell und körperlich zu verwirklichen. Es entsteht das Idealbild der "allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit" . Zu seinen Qualitäten sollen Verantwortungsbewußtsein, ein großes Maß an Bildung, sowie sozialistischer Gemeinschaftsgeist zählen.
Alle kulturellen Einrichtungen der Regierungen zielen darauf hin, dieses Leitbild zu vertreten, um somit ihr parteipolitisches Ziel zu unterstützen. So wird im Jahr 1946 ein Gesetz verabschiedet, welches allen Kindern und Jugendlichen, unabhängig von ihren Vermögensverhältnissen ein Recht auf schulische Bildung garantiert. Streitpunkt ist auf welche Art und Weise das Wissen in den Schulen vermittelt werden soll. Zur Alternative stehen die Wissensvermittlung ("Lernschule") oder die Denkvermittlung. Unter Einfluß der dogmatischen sowjetischen Pädagogik setzt sich ein Lehrsystem durch, in welchem die Wissensvermittlung eine vorrangige Stellung einnimmt. Die Autorität der Lehrer dominiert, Selbstverwirklichung oder selbständige Denkvorgänge der Schüler werden nicht gefördert. Disziplin ist wichtiger als die schöpferische Selbstbetätigung.
Es ist also eine starke Zweckverbindung von Ideologie und Pädagogik festzustellen. Das Publizieren der sozialistischen Weltanschauung steht im Mittelpunkt des Bildungs - und Kultursystems in der DDR.
Offizielle Aufgabe der Schulen ist es, systemkonforme sozialistische Persönlichkeiten herauszubilden und keine selbständigen Individuen.
Dieser Gedanke findet sogar in der 1968 von der Kulturkammer verabschiedeten Verfassung seinen Niederschlag. Im Artikel 2 Satz 4 heißt es:
Die Übereinstimmung der politischen, materiellen und kulturellen Interessen der Werktätigen und ihrer Kollektive mit den gesellschaftlichen Erfordernissen ist die wichtigste Triebkraft der sozialistischen Gesellschaft."
Ein Leitbild der sozialistischen Gesellschaft, dem der positive Held Edgar Wibeau in keiner Weise entspricht, wie noch näher erläutert werden wird.
Unter diesen politischen Voraussetzungen findet in der DDR eine interessante Auseinandersetzung mit dem "literarischen Erbe" statt, die einerseits zur Ablehnung von Autoren wie z.B. von Kafka führt, andererseits aber klassische Werke und ihre Verfasser hervorhebt:
Durch die Kulturpolitik unseres sozialistischen Staates [wird] zum erstenmal in der deutschen Geschichte das humanistische Werk Goethes, Schillers, Lessings, [...] dem ganzen Volk nahegebracht und zu seinem lebendigen Besitz gemacht.
Damit kann Plenzdorfs Werther - Rezeption auf ein grundsätzliches Wohlwollen der DDR - Zensur bauen.
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