Über den mutmaßlich ersten Plan zu dem Stück liegt ein kurzer Bericht von Schillers Schwägerin Caroline von Wolzogen (1763-1847) vor:
»Zur zweiten Vorstellung der Räuber, im Mai 1782, wagte er [Schiller] wiederum eine heimliche Reise; um sie ausführen zu können, ließ er sich als krank angeben; sie wurde entdeckt, und natürlich militärisch mit Arrest bestraft. Während dieses Arrestes war es, wo er den Plan zu Cabale und Liebe entwarf; und so erklären sich leicht die etwas grellen Situationen und Farben dieses Stückes.«
Da sich nach diesem Arrest das Verhältnis zu Herzog Karl Eugen weiter verschlechterte und dieser das über Schiller verhängte Publikationsverbot nicht aufhob, floh Schiller am 22. September 1782 mit seinem Freund, dem Musiker Andreas Streicher (1761-1833), unter dem Namen Dr. Ritter von Stuttgart nach Mannheim. Aus Streichers Buch »Schillers Flucht« (1836) wissen wir über die folgenden Monate recht gut Bescheid. In Mannheim kam es nicht zu der von Schiller erhofften Anstellung am dortigen Theater als Theaterdichter, auch sein neuestes Stück, »Die Verschwörung des Fiesco zu Genua«, wurde sehr kühl aufgenommen; zudem mußte man die Auslieferung des Regimentsmedikus Schiller als Deserteur nach Stuttgart befürchten. So machten sich Schiller und Streicher zu Fuß nach Frankfurt auf (3.-5. Oktober). Streicher schreibt über die Reise, indem er an seine Beobachtung anknüpft, daß Schiller »keine Ruhe früher genoß, als bis er das Gedachte, Empfundene dargestellt hatte«:
»Ebenso beschäftigte er sich während der Fußreise, die wir von Mannheim nach Frankfurt machen mußten, trotz des Verdrusses über die fehlgeschlagenen Hoffnungen unablässig mit dem Plane eines neuen Trauerspiels >Luise Millerin<, und kaum konnte die herrliche Bergstraße sowie die damals noch vorhandenen Ruinen seine Gedanken auf einige Augenblicke ableiten. Selbst in Frankfurt, wo die gegenwärtige Verlegenheit sowie die finstere Zukunft alles Denken und Empfinden in Anspruch nahm, dichtete und arbeitete er doch immerfort [. . .].«
Über Schillers Arbeit in Frankfurt notiert Streicher:
»Zu Haus angelangt, überließ sich Schiller aufs neue seinen dichterischen Eingebungen und brachte den Nachmittag und Abend im Auf- und Niedergehen oder im Schreiben einiger Zeilen hin. Zum Sprechen gelangte er erst nach dem Abendessen, wo er dann auch seinem Gefährten erklärte, was für eine Arbeit ihn jetzt beschäftige. Da man allgemein glaubt, daß bei dem Empfangen und An-das-Licht-Bringen der Geisteskinder gute oder schlimme Umstände ebenso vielen Einfluß wie bei den leiblichen äußern, so sei dem Leser schon jetzt vertraut, daß Schiller seit der Abreise von Mannheim mit der Idee umging, ein bürgerliches Trauerspiel zu dichten, und er schon so weit im Plan desselben vorgerückt war, daß die Hauptmomente hell und bestimmt vor seinem Geiste standen. Dieses Trauerspiel, das wir jetzt unter dem Namen Kabale und Liebe kennen, welches aber ursprünglich Luise Millerin hatte benannt werden sollen, wollte er mehr als einen Versuch unternehmen, ob er sich auch in die bürgerliche Sphäre herablassen könne, als daß er sich öfters oder gar für immer dieser Gattung hätte widmen wollen. Er dachte so eifrig darüber nach, daß in den nächsten vierzehn Tagen schon ein bedeutender Teil der Auftritte niedergeschrieben war.« Doch auch in Frankfurt konnten Schiller und Streicher nicht lange bleiben, da Schillers finanzielle Lage aussichtslos war. Auf Anraten des Mannheimer Theaterregisseurs Christian Dietrich Meyer reisten sie nach Oggersheim bei Worms, wo sie am 13. Oktober 1782 ankamen. Dort, im Gasthaus »Zum Viehhof«, arbeitete Schiller bis zum 30. November sowohl an der neuen Fassung des »Fiesco« als auch an seinem neuen Stück »Louise Millerin«. Über die Arbeit schreibt Streicher:
»Gleich bei dem Entwurf desselben hatte er sich vorgenommen, die vorkommenden Charaktere den eigensten Persönlichkeiten der Mitglieder von der Mannheimer Bühne so anzupassen, daß jedes nicht nur in seinem gewöhnlichen Rollenfache sich bewegen, sondern auch ganz so wie im wirklichen Leben zeigen könne. Im voraus schon ergötzte er sich oft daran, wie Herr Beil den Musikus Miller so recht naiv-drollig darstellen werde und welche Wirkung solche komische Auftritte gegen die darauffolgenden tragischen auf die Zuschauer machen müßten. Da er die Werke Shakespeares nur gelesen, aber keines seiner Stücke hatte aufführen sehen, so konnte er auch noch nicht aus der Erfahrung wissen, wie viele Kunst von seiten des Darstellers dazu gehöre, um solchen Kontrasten das Scharfe, das Grelle zu benehmen, und wie klein die Anzahl derer im Publikum ist, welche die große Einsicht des Dichters oder die Selbstverleugnung des Schauspielers zu würdigen verstehen. Er war so eifrig beschäftigt, alles das niederzuschreiben, was er bis jetzt darüber in Gedanken entworfen hatte, daß er während ganzer acht Tage nur auf Minuten das Zimmer verließ. Die langen Herbstabende wußte er für sein Nachdenken auf eine Art zu benützen, die demselben ebenso förderlich als für ihn angenehm war. Denn schon in Stuttgart ließ sich immer wahrnehmen, daß er durch Anhören trauriger oder lebhafter Musik außer sich selbst versetzt wurde, und daß es nichts weniger als viele Kunst erforderte, durch passendes Spiel auf dem Klavier alle Affekte in ihm aufzureizen. Nun mit einer Arbeit beschäftigt, welche das Gefühl auf die schmerz-hafteste Art erschüttern sollte, konnte ihm nichts erwünschter sein, als in seiner Wohnung das Mittel zu besitzen, das seine Begeisterung unterhalten oder das Zuströmen von Gedanken erleichtern könne.
Er machte daher meistens schon bei dem Mittagstische mit der bescheidensten Zutraulichkeit die Frage an S[treicher]: >Werden Sie nicht heute abend wieder Klavier spielen?< - Wenn nun die Dämmerung eintrat, wurde sein Wunsch erfüllt, währenddem er im Zimmer, das oft bloß durch das Mondlicht beleuchtet war, mehrere Stunden auf und ab ging und nicht selten in unvernehmliche, begeisterte Laute ausbrach. Auf diese Art verflossen einige Wochen, bis er dazu gelangte, über die bei Fiesco zu treffenden Veränderungen mit einigem Ernste nachzudenken; denn solang er sich von den Hauptsachen seiner neuen Arbeit nicht loswinden konnte, solange diese nicht entschieden vor ihm lagen, solang er die Anzahl der vorkommenden Personen und wie sie verwendet werden sollten, nicht bestimmt hatte, war auch keine innere Ruhe möglich.«
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