Thema: An Hans Giebenraths Grab sagt Schuhmacher Flaig: "Dort laufen ein paar Herren,
die haben auch mitgeholfen, ihn so weit zu bringen."
Aufgabe: Stimmen Sie Flaigs Auffassung zu oder urteilt er ungerecht ?
Werten Sie mit Sicht auf den Charakter der literarischen Figur und belegen Sie
Hauptaussagen durch Zitate !
Schuhmacher Flaig ist nur ein außenstehender Beobachter der Entwicklung von Hans und beeinflusst Hans nur sehr wenig in seinem Denken und Handeln, aber er macht sich schon zu Beginn des Buches Sorgen um Hans, als ob er seine Entwicklung und damit den frühen Tod von Hans voraussieht. Er ist auch der einzige, der sich Gedanken darüber macht, wer Schuld an dieser Entwicklung haben könnte. Er zeigt dem Vater von Hans, der sich selbst zum Teil die Schuld am frühen Tod von Hans gibt, dass auch die Lehrer, die eigentlich gebildeter und gelehrter sein sollten als die einfacheren Leute, zum Beispiel Handwerker oder Händler, Schuld tragen.
Ich denke Schuhmacher Flaig bringt in seiner Aussage auch klar zum Ausdruck, dass der Tod von Hans kein Unfall, sondern Selbstmord war und ihn zu dieser Tat alle Menschen, die ihn beeinflusst und erzogen haben, veranlasst haben, also auch die Lehrer.
Ich stimme dem Schuhmacher in seiner Aussage zu, denn zu Beginn des Buches, als Hans sich auf das Landexamen vorbereitet, haben die Lehrer ihm diese zusätzliche Vorbereitung regelrecht aufgezwungen und ihm seine ganze Freiheit genommen, indem er nach der Schule, die schon bis um vier Uhr nachmittags dauerte, noch zusätzliche Lektionen bei verschiedenen Lehrern anschlossen. Hans musste zu dieser Zeit bis in die Nacht seine Aufgaben erledigen: " [...] dauerte dienstags und samstags gewöhnlich nur etwa bis zehn Uhr, sonst aber bis elf, bis zwölf und gelegentlich noch darüber." (S. 11, 1.- 3. Zeile). Natürlich kommt den Lehrern auch der Charakter von Hans zu Gute, denn Hans ist leicht beeinflussbar, unentschlossen und weiß eigentlich in seinem ganzen Leben nicht, was er selbst möchte. Auch wurde sein Charakter schon von klein auf durch die strenge und harte Erziehung durch den Vater und ohne das Aufwachsen mit einer Mutter beeinflusst.
Als Hans dann das Landexamen als Zweiter bestanden hat und seine verdienten Sommerferien hat, kann er auch nur ein paar Tage genießen und wird dann von den Lehrern schon wieder zum Lernen angestachelt. In dieser Situation zeigen die Lehrer meiner Meinung nach schon, dass sie klüger als einfachere Menschen sind, denn sie bringen Hans in eine Situation, in der er gar nicht nein sagen kann, weil er dann als unhöflich und undankbar dastehen würde. Dies zeigt sich besonders deutlich beim Rektor. Er sagt nämlich: "Schön, ganz schön, du hast dir ja deine Ferien wacker verdient. Da hast du wahrscheinlich jetzt wenig Lust, nebenher noch zu lernen?" (S. 47, letzte 4 Zeilen). Sie beanspruchen ihn dann wieder so, dass er keine freie Zeit für seine Hobbies hat, die ihm helfen würden herauszufinden, was er möchte und somit eine eigene Persönlichkeit sich aus ihm entwickeln könnte. Durch die wenige Zeit, die er hat, kann er auch keine Freunde finden und lernt nicht, wie man Gefühle zeigen kann. Dies wird ihm dann während der Seminarzeit zum Verhängnis. Die Lehrer "erziehen" ihn zu einem ernsthaften Menschen, der Spaß haben mit einem Verbot verbindet, was für ihn "schädlich" sein könnte. Dazu ist er aber von seinem Alter und seinem Reifegrad noch gar nicht bereit. Er müsste zu dieser Zeit auch noch seine kindliche Seite ausleben, was ihm aber verboten wird. Auch Hans erkennt an einer Stelle, dass er selbst gar nicht so ehrgeizig danach ist, Erster zu werden auf jedem Gebiet. Dies geschieht als er vom Stadtpfarrer nach Hause geht, als dieser ihm gerade das Angebot zum Lernen in den Ferien gemacht hatte, damit er gut vorbereitet ins Seminar geht. Er fragt sich an dieser Stelle, warum er eigentlich so viel lernt, damit er der Beste in jedem Fach ist, und weiß darauf keine Antwort. Wenn er aber selbst so ehrgeizig gewesen wäre, dann hätte er eine Antwort gewusst.
Dies zeigt besonders deutlich, dass Hans durch die Lehrer in eine Position gezwängt wird, die er eigentlich nicht will. Er erkennt aber nicht, dass die Lehrer eigentlich nur vorgeben sein Bestes zu wollen, denn eigentlich möchten sie nur an dem Ruhm, den Hans später bekommen soll, teilhaben und sich selbst damit wichtiger und angesehener machen. Dass sie Hans nur als "Mittel zum Zweck" benutzen, verdeutlicht sich auch am Verhalten der Lehrer nach der Entlassung von Hans aus dem Seminar. Denn keiner der Lehrer kümmert sich noch um Hans. Hätten sie sich wirklich um Hans gesorgt und sein Bestes gewollt, dann hätten sie ihn wenigstens etwas aufmuntern können, indem sie ihm zum Beispiel gesagt hätten, dass sein "Scheitern" nicht so schlimm sei und er es trotzdem noch weit in seinem Leben hätte bringen können oder indem sie vielleicht auch jetzt noch versucht hätten ihn weiter zu fördern und zu unterstützen. Aber durch ihr Desinteresse an Hans fühlt dieser sich im Stich gelassen und jedes Mal, wenn er an den Häusern der Lehrer vorbeigeht und an die vergangene Zeit in diesen Häusern zurückdenkt, wird er traurig und fühlt sich wie ein Versager.
All diese Gründe haben mich davon überzeugt, dass die Lehrer auch an den frühen Tod von Hans schuldig sind. Hiermit verdeutlicht Hermann Hesse, dass Menschen, die nur an ihren eigenen Nutzen und Vorteil denken, noch so gut gebildet sein kann (die Lehrer) und trotzdem viele Fehler machen können und diese, wie in diesem Fall, schlimme Folgen hat. Vielleicht hätte Schuhmacher Flaig seine Bedenken auch früher äußern sollen, nicht nur gegenüber Hans, sondern auch gegenüber dessen Vater und anderen Leuten. Vielleicht wäre es dann zu einem anderen Ende von Hans gekommen, aber wahrscheinlich fehlte Schuhmacher Flaig dazu der Mut.
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