4.1 Erste Zusammenschlüsse
Mitte des 19. Jahrhunderts fanden immer wieder spontane Zusammenschlüsse von Arbeitern statt, deren Missmut sich gegen die Maschinen und das Koalitionsverbot richtete. Es bildeten sich verschieden Geheimbunde oder Gesellenvereine heraus, die im Untergrund arbeiteten. Sie hatten aber aufgrund der politischen Verhältnisse nicht die erhofften Erfolge. Erst während der Revolution 1848 bildete sich die "Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung", der hauptsächlich Handwerksgesellen, Heimarbeiter und Fabrikarbeiter angehörten. Diese Bewegung forderte unter anderem das allgemeine Wahlrecht und das Koalitionsrecht, erste soziale Einrichtungen wie Gesundheitspflegevereine und Krankenunterstützungskassen. Diese Forderungen konnten jedoch nicht durchgesetzt werden. Nach dieser revolutionären Phase verschlechterte sich die Situation zunehmend, da alle Arbeitervereine und andere politischen Vereinigungen erneut verboten wurden.
4.2 Entstehung von Gewerkschaften und Arbeiterparteien
1869 hub der Norddeutsche Bund das Koalitionsverbot auf, wodurch die Bahn zur Entstehung von Gewerkschaften geebnet wurde. Durch die Gründung der Arbeiterparteien 1863 und 1869 wurde die Gewerkschaftsbewegung stark vorangetrieben. In allen industriellen Bereichen wurden gewerkschaftliche Vereinigungen gegründet. Sie setzten sich das Ziel, den Arbeitern einen bessere soziale Lage zu schaffen. Sie forderten Mitbestimmung in allen Betrieben und erreichten schließlich sogar, dass in Tarifverträgen verbindlich und einheitlich die Höhe des Lohns, die Arbeitszeit und der Urlaub geregelt wurden. Die Zahl der Mitglieder der Freien Gewerkschaften zum Beispiel stieg kontinuierlich an (1892: 237.000 Mitglieder, 1900: 680.000 M., 1912: 2.000.000 M.).
Ferdinand Lassalle unterbreitete 1863 den deutschen Arbeitern sein Reformprogramm und gründete im selben Jahr den "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein" (ADAV). Dieser akzeptierte den preußischen Staat. Die Ziele dieser Partei waren hauptsächlich das allgemeine, direkte und geheime Wahlrecht durchzusetzen und eine Verbesserung der Lage der Arbeiter zu erreichen.
Im selben Jahr entstand auch unter August Bebel und Wilhelm Liebknecht eine zweite Arbeiterpartei, die "Sozialdemokratische Arbeiterpartei". Anders als der ADAV hatte diese Partei eine antipreußische Denkweise und war demokratischer eingestellt. Einige ihrer Programmpunkte waren z. B. Abschaffung des stehenden Heeres und Aufstellung einer Volkmiliz, Trennung von Kirche und Staat, Schulgeldfreiheit in allen Schulen und Festsetzung des Acht-Stunden-Tags.
Durch den Krieg 1870/71 und die Reichsgründung 1871 fanden diese zwei Parteien näher zueinander. 1875 entstand schließlich die "Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands". Ihr Programm bestand aus einem Kompromiss der Ideen der beiden Parteien.
Einige Forderungen waren z. B.:
§ allgemeines, geheimes, gleiches und direktes Wahlrecht für alle Deutschen ab dem vollendeten 20. Lebensjahr
§ direkte Gesetzgebung durch das Volk
§ allgemeine und kostenlose Schulpflicht
§ unbeschränktes Koalitionsrecht
Obwohl das Programm der Partei durch die Anhänger Lassalles und deren Vorstellungen große Teile des Marxismus verlor, wurde die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands vom Staat und auch von der Bourgeoisie als Bedrohung angesehen. Bismarck ging daraufhin stark gegen diese Partei vor, und versuchte sie durch die staatliche Gesetzgebung in den achtziger Jahren zurückzudrängen.
Bismarck: "Solange wir. den kommunistischen Ameisenhaufen nicht mit der inneren Gesetzgebung austreten, werden wir keinen Aufschwung haben."1
Dies verhinderte aber nicht, dass die Partei 1877 bei den Reichstagswahlen 9,1% der Stimmen erlangte und stetig neue Anhänger dazugewann.
Auf dem Parteitag in Halle 1890 nannte sich die Partei in "Sozialdemokratische Partei Deutschlands" um. Die Bedeutung der SPD stieg weiter an. Jahr für Jahr stiegen die Mitgliederstimmen und die Wahlerfolge an, was die SPD zur stärksten Partei in Deutschland anwachsen ließ. Dies steigerte das Misstrauen und die Angst der Bourgeoisie vor den "Sozis" noch weiter.
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