Das Buch ist von Hoffmann selbst mit dem Untertitel "ein Märchen" versehen worden. Zu Beginn des letzten Kapitels fühlt der Erzähler wohl, "dass darin schon so viel Wunderliches, Tolles, der nüchternen Vernunft Widerstrebendes enthalten, dass er, noch mehr dergleichen anhäufend, Gefahr laufen müsste, es mit Dir, geliebter Leser, Deine Nachsicht missbrauchend, ganz und gar zu verderben"(S.111). Wie ernst ist dessen Inhalt zu nehmen? Der Erzähler bittet den Leser, "Du mögest mit recht heitrem unbefangenem Gemüt es Dir gefallen lassen, die seltsamen Gestaltungen zu betrachten, ja sich mit ihnen zu befreunden, die der Dichter der Eingebung des spukhaften Geistes, Phantasus geheissen, verdankt und dessen bizarrem launischem Wesen er sich vielleicht zu sehr überliess." (S.111). Inwiefern kann also ein Text, der den bizarren Launen der Phantasie entsprungen ist, überhaupt nach den Regeln der Vernunft interpretiert werden? Hoffmann selbst sagt: "das Märchen Klein-Zaches, genannt Zinnober (.) enthält nichts weiter, als die lose, lockre Ausführung einer scherzhaften Idee", er nennt es einen "zu augenblicklicher Belustigung ohne allen weitern Anspruch leicht hingeworfene(n) Scherz. Es sei kein Buch "für Leute, die alles gern ernst und wichtig nehmen" und nur für jemanden, "der etwa willig und bereit sein sollte, auf einige Stunden dem Ernst zu entsagen" . Auch der Erzähler will nicht mehr als uns mit seiner Geschichte gelegentlich "im Innern" lächeln zu machen; diese "Zweck"-Vorstellung des Erzählers verbietet es m.E., eine Interpretation im Sinne des Erzählers zu beginnen, eben weil er seine Geschichte gar nicht für eine vernunftgeleitete, analytische Interpretation vorgesehen hat. Trotzdem entschuldigt sich der Erzähler für seine der "nüchternen Vernunft"(S.111) widerstrebenden Phantastereien. Grundsätzlich akzeptiert er also die Vernünftigkeit als ein Grundbedürfnis des Menschen. Dieses Motiv durchzieht das ganze Buch: Vernunft wird nie radikal abgelehnt, es werden nur gewisse Ausformungen von ihr oder die Tendenz kritisiert, nur noch Vernunftskriterien gelten zu lassen.
Daneben ist das Buch sehr wohl zugänglich für eine vernunftgeleitete, persönliche Interpretation.
Wertungen
Terpin, Philadelphus, Paphnutius, Andres, der Professor der Ästhetik
Die unter diesem Kapitel aufgeführten Personen sind im Vergleich zu unserer Welt überzeichnet, karikiert. Mit den Fürsten Paphnutius und Barsanuph, Andres, Ptolomäus Philadelphus dem Professor der Ästhetik u.a. werden Personen skizziert, die wegen ihrer Undifferenziertheit nicht geeignet sind, an ihnen die angeschnittenen Themen zu diskutieren (vgl dazu auch Kapitel "Pulcher"). E.T.A Hoffmann formuliert an ihnen seine Ängste, und warnt, wozu es führen kann, wenn Tendenzen in die Richtung des Selbstverständnisses dieser Personen weiterverfolgt werden. Allen Personen in diesem Kapitel gemeinsam ist die Überschätzung der eigenen Macht (v.a.gegenüber der Natur) und der daraus resultierenden Naturferne. Sie alle haben dadurch das Gefühl der eigenen Verantwortung verloren, die ihnen durch ihre Qualifikation als Wissenschaftler, Gelehrter oder Politiker zukommt. Resultat ist dann das egoistische Verfolgen eigener Interessen, die nichts mehr mit den Zielen zu tun haben, die sie in ihrer gesellschaftlichen Position zum Wohle aller verfolgen sollten.
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