(Das moderne Volksstück und das kritische Volkstheater am Beispiel von Peter Turrini)
Inhaltsangabe:
1) a) Kurzbiographie über Peter Turrini
b) Charakterisierung des Autoren Peter Turrini
2) Das Volksstück von Raimund bis Turrini (Gattung und Entwicklung)
3) Das Wiener Volksstück (Ferdinand Raimund, Johann N. Nestroy)
4) Das neue Volksstück (Ödön v. Horváth, Brecht, Fleißer, Franz X. Kroetz)
5) Anhang
Deutsch - Spezialgebiet:
Das moderne Volksstück und das kritische Volkstheater am Beispiel von Peter Turrini
1.)
a) Kurzbiographie über Peter Turrini:
Peter Turrini wurde am 26. September 1944 in Sankt Margarethen im Lavanthal (Kärnten) geboren. Seine Mutter war gebürtige Steirerin, sein Vater war Italiener.
1963 absolvierte er seine Reifeprüfung an der Klagenfurter Handelsakademie.
Danach übte er bis 1970 verschiedenste Berufe aus:
Metallarbeiter, Lagerarbeiter, Werbetexter, ...usw.
Nach seiner einjährigen Flucht auf die griechische Insel Rhodos versuchte er sich diesesmal im Hotelgewerbe als Barmann und Hotelmanager in Italien und in der BRD.
Seit 1971 lebt Peter Turrini als freiberuflicher Schriftsteller hauptsächlich in Wien.
1972 erhielt Turrini den Förderungspreis des Landes Kärnten für Literatur (Klagenfurt) und 1979 den Fernsehpreis der österreichischen Volksbildung.
1981 wurde ihm der Gerhart-Hauptman-Preis (Berlin[West]) verliehen.
b)
Charakterisierung des Autoren Peter Turrini:
Peter Turrini ist ein anderer Vertreter der Mundartwelle, er fußt auf dem Bauerntheater und versucht dadurch Kommunikation mit dem Publikum.
Turrini setzt sich hauptsächlich mit sozialen und politischen Widersprüchen der österreichischen Realität auseinander und versucht, diese künstlerisch zu gestalten.
Turrini geht es um den "Alltag der Unterdrückung, die normale Katastrophe".
Er steht voll und ganz in der Tradition des sozialkritischen Volksstücks von Raimund bis Horváth und verwendet wie auch sie des öfteren die Dialektsprache.
Im Unterschied zu seinen Vorgängern sind jedoch seine Stücke parabelhafter.
Stichworte, die Peter Turrinis Gegenwartsliteratur umreißen:
Lust an der Provokation und an der Zertrümmerung von Moral-Werten und der heimatlichen Idylle, aggressive Gesellschaftskritik, die sich manchmal in Verbal-
radikalismus und Revolutionsrethorik erschöpft.
Hinter dem Image des Bürgerschrecks erkannte die Kritik frühzeitig barocken Weltekel und eine bildhafte, dialektgespeiste Sprachkraft, hinter der ausge-
breiteten Vulgarität den sensiblen Künstler. Die zornigen Verbalinjurien Turrinis stehen durchaus in österreichischer Tradition, und trotz demonstrativ vorgetragener Literaturfeindlichkeit begnügt dieser Autor sich nicht mit dem Abbild-Realismus, sondern sucht die Verbindung mit experimentellen Schreibformen.
2.) Das Volksstück von Raimund bisTurrini
Gattung und Entwicklung:
Das Volkstheater ist ein Sammelbegriff für volkstümliche Theaterpraxis (oft auch mit Laienschauspielern) und Theaterliteratur, die keine Bildungsschranken setzt. Das Volkstheater wird im Sinne synonym mit -> Volksstück, -> Volksschauspiel,
-> Bauerntheater, Dialekt- und -> Lokalstück gebraucht.
Man kann auch das Volkstheater als ein Theaterunternehmen bezeichnen, das im Gegensatz zum Hof- und Bürgertheater inhaltlich und finanziell von allen Schichten getragen wird. Die Bezeichnung "Volkstheater" wird erstmals von Goethe im Gegensatz zum Hoftheater gebraucht.
Das Volkstheater setzt eine soziale Trennung des Publikums nach Bildung, Geschmack und Einkommen voraus, die dem Barocktheater Shakespeares oder Calderóns noch unbekannt war, und die sich im 18. Jahrhundert auch im süd-
deutschen Sprachraum weniger als im norddeutschen (J.Ch. Gottsched) durchge-
setzt hatte. (Vgl. -> Wiener Volkstheater, Volksschauspiel)
Feste Volkstheater entstanden für die -> Wanderbühnen außerhalb des Einflußbereichs der privilegierten höfischen oder bürgerlichen Theater als Vorstadttheater oder Markttheater (Théâtre forain) oder Theaterhäuser der ->
Commedia dell´arte; Schwerpunkte solcher Volkstheater waren Wien, Paris und Venedig.
Die Idee eines Volkstheaters lag bereits der Wiener Theaterreform Josefs II.
(---> 1776, subventioniertes Nationaltheater für alle Stände) zugrunde; diese
wurde in der Romantik im Gefolge der Neueinschätzung volkstümlicher
Elemente aufgewertet und verband sich mit dem Nationalgedanken und
schließlich mit sozialpolitischen und erzieherischen Absichten. Dies führte zur
Errichtung von Volkstheatern mit populären Repertoire, zum Teil mit Beteiligung
von Laienakteuren und verbilligten Eintritt. ( ---> Freilichttheater der Heimat-
kunstbewegung, -> Volksbühne)
Das Volksstück wird von professionellen Schauspieltruppen (oder Laienorgan-
isationen) für ein breites Publikum teils auf Wanderbühnen, teils an festen Vorstadtbühnen der Städte aufgeführt. Charakteristisch ist die Integration literarischer, sinnlich-theatralischer und schlicht volkstümlicher auch banaler Elemente und die komödiantisch virtuose Darbietung, oft mit musikalischer (Gesangsnummern), pantomimischer, tänzerischer oder Stehgreif-Einlagen versehen. Das Volksstück übt gleichermaßen Anziehung auf gebildete als auch auf ungebildete Kreise aus.
Die bedeutendste Ausprägung des Volksstücks findet man im Wiener Volks-
theater. Besonders das süddeutsche Volksstück galt immer als Modell für ein vitales Volkstheater, wie es aus sozialen, politischen oder künstlerischen Motiven von so unterschiedlichen Autoren wie Gerhart Hauptmann, Ludwig Anzengruber, Ludwig Thoma, Hugo von Hoffmannsthal, Bert Brecht (Über das Volksstück)
angestrebt wurde.
Da Gesellschafts- Charakter -und Sprachkritik immer zum Volksstück gehörten, brauchte das moderne Volksstück von Ödön von Horvâth, Bert Brecht, Marie Luise Fleißer, Heinrich Lautensack, Franz Xaver Kroetz,
Peter Turrini, Wolfgang Bauer, Wolfgang Deichsel, F. Kusk, M. Sperr, u.a.
hier nur an alte Traditionen anzuknüpfen, um die Klischees des kleinbürgerlichen Alltags anzuprangern.
Das Volksstück ist im Gegensatz zum bäuerlichen Volksschauspiel, der Dorfkomödie (-> Bauerntheater), eine Gattung von Bühnenstücken für städtische Volkstheater und Vorstadtbühnen mit einer aus dem Volksleben entnommene Handlung in volkstümlich schlichter, leichtverständlicher Form, die jedoch durch Einlagen von Musik, Gesang und Tanz sowie Anwendung von Effekten, Sentimentalitäten u. ä. niederen Elementen dem Geschmack des Großstadtpublikums entgegenkommt, ohne den oft ernsten und zum Teil tragischen Grundton zu verlieren. Reichste Entfaltung findet man in Hamburg, Berlin und besonders in Wien, meist mit Übergang zum Lokalstück.
Stranitzkys Wiener Volksstück geht aus dem Erbe des Barockdramas hervor und ist als komisches Stehgreifstück noch von der commedia dell´arte beeinflußt.
Über Prehausers Burleske reicht der Weg - nach der literarischen Verfestigung durch Ph. Hafner im 18. Jahrhundert - zum Zauberstück und der gemüthaften Tragikomik Raimunds (mit Einfluß auf Grillparzer) und über zahlreiche Zwischenglieder zu Nestroys scharfer Satire und volkstümlichen Parodie und Travesie, während aus dem Charakterlustspiel -> Lokalstück und -> Sittenstück
entstehen.
Anzengrubers realistisches Volksstück führt wie vordem schon Raimund in die bäuerliche Umwelt und nunmehr auch in die soziale Problematik, wie sie Hawel fortsetzt.
Während das bayrische Volksstück (Thoma) mehr bäuerlicher Situations-
romantik zuneigt, kann das psychologische Bauernstück der Alpenländer (Schönherr) nur noch im weitestem Sinn als Volksstück bezeichnet werden.
(--> Lokalstück)
Das Volksstück ist eine Form des Schauspiels für das Volk und über das Volk (breite Masse der Bevölkerung im Gegensatz zu den "Oberen"). Es ist im Gegensatz zum Theater der Oberschicht (Hoftheater) ein Theater des Volkes.
Damit zeigt sich, daß echte Volksdramatik Alternativdramatik zum Bildungsthaeter ist.
Bis ca. 1840 können die untersten, einkommensschwachen Bevölkerungs-
schichten die in den damaligen Vorstädten Wiens liegenden Volkstheater zu günstigen Preisen besuchen (Theater in der Leopoldsstadt, Theater an der Wieden/Wien, Theater in der Josefstadt). Ab 1840 wird dann das Volk immer mehr ausgegrenzt: steigende Preise - diese Theater müssen ihre Ausgaben durch den Kartenverkauf decken - erlauben nur mehr bürgerlichen, später großbürgerlichen Kreisen den Besuch. Diese Entwicklung zeigt sich auch in den großen Städten Deutschlands.
1899 wird in Wien das Deutsche Volkstheater, 1890 in Berlin die freie Volksbühne gegründet. Diese Institutionen werden vom intellektuellen Bürger-
tum getragen und wollen einerseits neue Publikumsschichter für das Theater gewinnen, andererseits die sozialen Probleme und Nöte des Arbeiterstandes auf-
zeigen. Aufgeführt werden hier u. a. auch Dramen von Gerhart Hauptmann, Ludwig Anzengruber oder Henrik Ibsen.
Neben diesen Theatern, die ihre Arbeit vorwiegend als Bildungsauftrag verstehen, existieren Volkstheater, die anspruchslose, rein unterhaltende Programme spielen und idyllische Heimatklischees transportieren. Damit verkommt das Volksstück zur Klamotte oder zum kitschigen Heimat- bzw. Bauerntheater. Die Stücke des engagierten Volkstheaters tragen bis in unsere Zeit die verschiedensten Bezeichnungen. Oft verwendet werden Ausdrücke wie Zaubermärchen (bei Raimund), Lustspiel/Posse (bei Nestroy), Schwank oder auch Operette, die in Wien ab 1850 als musikalische Weiterentwicklung des damaligen Volkstheaters gilt.
Um die Mitte 19.Jahrhunderts emanzipiert sich das Volksstück zum Volkstheater als Institution und wird eine eigenständige literarische Gattung.
Die Werke von Ludwig Anzengruber, Ludwig Thoma , Georg Kaiser,
Zuckmayer, Ödön von Horváth, Bertholt Brecht und Marie Luise Fleißer sind Stationen auf dem Weg zur Volksdramatik der Gegenwart.
Volksstückhafte Elemente kann man z.B. bei Frank Wedekind, Karl Valentin, Gerhart Hauptmann und Friedrich Dürrenmatt feststellen.
Zum Teil an alte Traditionen anknüpfend (Nestroy; Brecht, Horváth; Fleißer); zum Teil neue dramatische Formen (Straßentheater, Dokumentartheater, Fern-
sehspiel) suchend und ausprobierend, verfassen nach 1945 österreichische Autoren Völksstücke. Diese dienen entweder der Bewältigung der national-
sozialistischer Vergangenheit oder beschreiben die gegenwärtige soziale und politische Realität der unteren Schichten oder von Randgruppen (Wolfgang Bauer, Ulrich Becher, Felix Mitterer, Thomas Baum,...)
In Deutschland schreiben Rainer Werner Fassbinder, Martin Sperr und Franz Xaver Kroetz Volksstücke, in denen die Außenseiterproblematik und die Aus-
wirkungen ökonomischer und gesellschaftlichen Drucks auf die Kleinfamilien-
Beziehungen thematisiert werden.
3.) Das Wiener Volksstück
Ferdinand Raimund (1776-1836) und Johann Nepomuk Nestroy (1801-1862) sind die klassischen Vertreter des Wiener Volksstücks, das sich in der 2.Hälfte des 18. Jahrhunderts und im beginnenden 19. Jahrhundert zu voller Blüte ent-
wickelt Neben diesen beiden Schauspieldichtern schreiben zu dieser Zeit noch
Alois Gleich, Karl Meisl, Adolf Bäuerle, Josef Anton Stranitzky (Hans Wurst der Wiener Bühne)und Philipp Hafner, sie sind vom Barocktheater und der Stehgreifbühne (commedia dell´arte) beeinflußt und werden als die Väter des Wiener Volkstheaters gesehen.
Ferdinand Raimund, der nichts wissen will von Volkstheater, trachtet danach, Originalstücke zu schreiben und damit die traditionellen und regionalen Grenzen zu sprengen. Er hat nur selten Probleme mit der Zensur Metternichs, er kein Gesellschaftskritiker wie Nestroy, welcher auch Raimund vorwirft, das Volks-
stück verraten zu haben. Andere Kritiker meinen hingegen, daß Raimund ein Erneuerer und Vollender des Wiener Volksstücks sei, da er Ernst und Komik, sozialen Alltag und märchenhaften Zauber, Possenspiel und humanes Lehrstück, lokalen Dialekt und Hochsprache verbindet. Das Zauberspiel bot ihm die Möglichkeit über Gesellschaftliches zu schreiben, ohne daß die Stücke ver-
boten oder zensuriert wurden. (Der Bauer als Millionär, Der Barometermacher
auf der Zauberinsel, Das Mädchen aus der Feenwelt, Der Verschwender,...)
Johann Nepomuk Nestroy ist ein realistischer, kritischer und illusionistischer Dichter des Vor-und Nachmärz. Nestroys dramatische Texte gliedern sich in Zauberpossen, in denen er das Zauberstück der Metternich-Ära mit den Mitteln der Satire und Parodie verspottet. Nestroy nimmt den Stoff aus dem Französischen, er schreibt also keine "Originalstücke". Außerdem ist er ein kritischer Beobachter der gesellschaftlichen Zustände seiner Zeit, die er auf der Bühne öffentlich diskutiert.
4.) Das neue Volksstück
Das neue Volksstück geht andere Wege als das Volksstück des späten 19. Jahr-
hunderts. Es spielt im Milieu von Kleinbürgern und Arbeitern und ist gesellschaftskritisch oder politisch orientiert. Vorbild für die Autoren der Nach-
kriegszeit ist Ödön von Horváth.
Ödön von Horváth (1901 - 1938)
Die Stücke von Horváths spielen im Milieu der verarmten Handwerker, kleinen Beamten und Angestellten, in den Kreisen des Kleinbürgertums in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur.
Horváth hat im Gegensatz zu Bertholt Brecht kein politisches Programm, er bietet keine Lösungen an, sondern will die Zuschauer eher mit persönlichen Schandtaten konfrontieren, indem er die Figuren seiner Dramen sich selbst im Dialog demaskieren läßt. In der Wahrung der Tradition des österreichischen Volksstückes seit N e s t r o y kritisiert er satirisch das Scheinmenschentum
und brüchig gewordene Gesellschaft.
Seine Stücke spielen vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Erschütterungen der 20er Jahre. Die Krisenstimmung zerstört nicht nur die wirtschaftliche Basis der Menschen, sondern stört auch ihre zwischenmensch-
lichen Beziehungen. So ergehen sich die Figuren in leeren Sprachklischees, die ein eigenes Denken ersetzen sollen.
In dem satirischen Grundton seiner Werke bindet er stark an Nestroy.
Horváth setzt Sprache als soziales Phänomen ein, wichtig ist dabei nicht so sehr, was die Personen sagen, sondern wie sie es sagen. Sprache ist für den Dichter ein Medium der Auseinandersetzung zwischen Bewußtsein und Unter-
bewußtsein. In der und durch die Sprache der handelnden Personen soll der Zuschauer auch die Kluft zwischen "Gut" und "Böse" sehen, die Kluft zwischen dem Menschen als verantwortungsbewußtem Individuum und seinem asozialen und aggressiven Verhalten.
(Geschichten aus dem Wienerwald, Glaube Liebe Hoffnung, Kasmir und Karoline, Der jüngste Tag,..)
Bertholt Brecht (1898 - 1956)
In der Zeit seiner ersten Schaffensperiode, die noch vom Expressionismus beeinflußt ist, zeigt sich Brecht als schonungsloser Ankläger der bürgerlichen Gesellschaft.
Brechts episches Theater bezeichnet einerseits dramatische Werke, die auch von anderen modernen Dramatikern verfaßt werden, andererseits eine Inszenierungs-
praxis am Theater, die sich von der klassischen Dramaturgie in ihren Zielen und Methoden unterscheidet. Er will mit seinen dramatischen Werken entweder auf tagespolitische Geschehnisse direkt Einfluß nehmen, oder mit seinen Parabel-
stücken für eine revolutionäre Weltveränderung im Sinne des Marxismus kämpfen.
Schon 1926 beginnt Brecht, die ersten Grundsätze des epischen Theaters zu formulieren. Dabei ist ihm die Aktivierung des nur konsumierenden, passiven Theaterzuschauers wichtig.
Er verwendet auch die Verfremdungstechnik, d.h. alltägliche und selbstver-
ständliche Situationen werden auf eine alternative und damit ungewohnte Weise dargestellt, die Wirklichkeit wird auf dem Theater "verfremdet". Dadurch soll der an das klassische Drama gewöhnte Zuschauer, der sich mit dem auf der Bühne dargestellten identifiziert, aus der Illusion und aus seiner konsumieren-
den Haltung herausgerissen, zum kritischen Mitdenken angeregt und für eine Problemlösung motiviert werden. Voraussetzung für diese Form des Dramas ist natürlich der Glaube an eine veränderbare Welt.
Die Verfremdungstechnik soll eine emotionale Verwicklung des Zuschauers in das Bühnengeschehen verhindern, eine kritische Betrachtung der Thematik hingegen hervorrufen
Zu diesen Verfremdungstechniken zählen:
* Anrede des Publikums durch einen Erzähler oder Rollenträger
* Eingeschobene Lieder, Songs, Zitate
* Prologe oder Projektionen von Überschriften und kurzen Inhaltsangaben am
Beginn einzelner Szenen
* Neugestaltung bestehender und bekannter Theaterstücke
* Selbsteinführung von Personen
* Sichtbare Bühnentechnik, Verzicht auf Interieur und Atmosphäre
* Einsatz von Medien und Rundfunk
* Gestische Darstellung: die Schauspieler dürfen sich mit der Rolle nicht
identifizieren, sondern müssen diese demonstrieren, erläutern, zeigen und die
Person, die sie spielen als fremd und kritisierter erscheinen lassen.
Marieluise Fleisser (1901 - 1974)
Marieluise Fleisser behandelt das bayrische Volksleben sozialkritisch. So demaskiert sie beispielsweise in dem Drama "Pioniere in Ingolstadt"(1929) die Verlogenheit des Kleinbürgertums und zeigt dessen beschränkte Selbstherrlich-
keit. Ihre Stücke wurden von Bertholt Brecht gefördert.
Durch die späte Rezeption der Volksstücke Ödön von Horváths und Marieluise Fleissers wurde nun eine Welle von gesellschaftskritischen neuen Volkstücken ausgelöst, die alle vom lokalen Kolorit des Handlungsraumes und des ver-
wendeten Dialekts ihre starke Wirkung beziehen. Die in neorealistischer Drastik verfaßten Stücke weisen nicht selten eine agitatorisch-politische Tendenz auf.
Franz Xaver Kroetz (1946)
Franz Xaver Kroetz ist der meistgespielte deutsche Dramatiker der Gegenwart (42 Bühnenstücke). Neben Marieluise Fleisser und Bertholt Brecht bezeichnet er Ödön von Horváth als Vorbild für seine Volksstücke. Ähnlich wie dieser stellt Kroetz die Probleme der kleinen Leute in ihrer eigenen Sprache dar.
Diese spllten nicht beredet oder analysiert, sondern durch die Sprache selbst dargestellt werden. Dabei spielt in Kroetz´ ersten Stücken (z.B. Stallerhof ´71)
die Sprachlosigkeit als Bild für Entfremdung, Beziehungslosigkeit und Stummheit im Arbeitsprozeß eine wichtige Rolle. Kroetz will mit seinem literarischen Engagement den sozial Sprachlosen helfen, ihre Sprache wiederzu-
finden oder zu lernen. "Menschen", die gelernt haben zu reden, können sich verständigen, oder, was noch wichtiger ist, sie können sich wehren.
Ging es Kroetz am Beginn seiner literarischen Tätigkeit um das Schicksal von Menschen aus sozialen Randgruppen, so will er in einer zweiten Phase seines Schaffens die Probleme der großen Masse der Bevölkerung auf der Bühne beschreiben. Ein Beispiel dafür ist das 1972 erschienen Stück "Oberösterreich".
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