Das Trauerspiel ist aufgrund ihres Aufbaus eindeutig in die Gruppe des klassischen Zieldramas einzuordnen, obwohl die Epoche des St. und Dr. auch ihre Einflüsse auf das Werk hatte.
Den Aufbau des klassischen Zieldramas soll folgendes Schema verdeutlichen:
III. Höhepunkt Wendepunkt
II. Steigende Handlung IV. fallende Handlung
(erregendes Moment) (retradierendes Moment)
I. Exposition V. Katastrophe
Die äußerst kunstvolle Szenenfolge soll durch folgende Übersicht verdeutlich werden:
I. Akt: 1. Volk
2. Regierung
3. Bürgerhaus (Klärchen)
II. Akt: 1. Volk (+Egmont)
2. a) Egmont + Sekretär
b) Egmont + Oranien
III. Akt: 1. Regierung
2. Egmont + Klärchen
IV. Akt: 1. Volk (Alba ist da !)
2. a) Alba + Ferdinand
b) Alba + Egmont
V. Akt: 1. Volk
2. Egmont im Gefängnis
3. Klärchens Tod
4. Egmonts Tod
Nun möchte ich die Übersichten dokumentieren:
Der I. Akt, der die Exposition darstellt, zeigt, wie sich das Bild Egmonts in dreierlei Hinsicht widerspieglet: das Volk bewundert ihn, die Regentin achtet ihn, aber fürchtet auch für ihn, seine Geliebte Klärchen liebt ihn.
Nach dieser Einstimmung auf Egmont erscheint er selber erst in der ersten Szene des II. Aktes: sie zeigt seine beruhigende Wirkung auf das Volk, das seine Rechte und seine Freiheiten fordert. Die zweite Szene des II. Aktes ist insofern die wichtigste des Dramas, als Egmont hier sein Wesen offenbart. Die Szene ist zweigeteilt: ihr erster Teil zeigt Egmont in Staatsgeschäften und enthüllt seine Toleranz, ihr zweiter Teil führt ihn mit Oranien zusammen, der Egmont vor "Gleichgültigkeit und Leichtsinn" warnt und der ihm seine Gefährdung und Bedrohtheit darstellt, die aber Egmont nicht wahrhaben will.
Der III. Akt führt die Handlung zum Höhepunkt und Wendepunkt. In der ersten Szene erfährt die Regentin ihre Absetzung und Ablösung durch Alba, der die Unterdrückung des Volkes verschärfen wird. Die zweite Szene zeigt Egmont fern aller Politik, ganz privat bei seiner Geliebten.
Der IV. Akt leitet die fallende Handlung ein: Alba ist da. Die erste Szene ist wieder eine Volksszene; das Volk ist gedrückt, Alba hat das Kriegsrecht verhängt. Die zweite Szene ist wieder zweigeteilt: ihr erster Teil enthält ein retradierendes Moment: Albas eigener Sohn Ferdinand bekennt sich zu Egmont; die zweite Szene zeigt die Gefangennahme Egmonts durch Alba.
Der V. Akt führt zur Katastrophe; vier Szenen offenbaren die Ohnmacht der Niederländer gegen die Willkür der Spanier: das Volk ist unterjocht, Egmont im Gefängnis, Klärchen geht in den Tod, Egmont wird hingerichtet.
Die Betrachtung der Szenenfolge führt zu überraschenden Erkenntnissen und zeigt, dass wir es ungeachtet der Tatsache, dass das Drama noch Züge der Sturm und Drang Epoche trägt mit einem klassisch ausgewogenen Werk zu tun haben. Man beachte die Parallelität der Szenenfolge:
Volksszenen zu Beginn des 1., 2., 4. Und 5. Aktes - deren jede das Volk eine andere Verfassung zeigt.
Regierungsszenen nur im 1. und 3. Akt, weil die Regentin danach aussscheidet. Klärchenszenen nur im 1., 3., und 5. Akt: Klärchen allein - Klärchen und Egmont (Höhepunkt!) - Klärchen allein.
Besonders auffallend ist die Parallelität des 2. und 4. Aktes: während der Zweite zweigeteilte Akt Egmont gehört und Oranien nur einmal im Drama hier auftritt, gehört der Vierte zweigeteilte Akt dem Gegenspieler Alba, der nur einmal in diesem Akt auftritt; während wir im Zweiten Akt ein Pluszeichen für Egmont verzeichnen können müssen wir ihm im Vierten Akt ein Minuszeichen geben. Sorglosigkeit und Zuversicht haben ihn betrogen. All diese Paralellitäten deuten auf ein ausgewogenes klassisches Drama hin.
Darstellungsweise:
Das in gehobener, gepflegter Sprache, aber noch in Prosa abgefaßte klassische Zieldrama ist aufgrund ihrer Wortwahl und ihres Wortguts sehr charakteristisch für die Epoche der Klassik.
Die Prosa wird aber manchmal deutlich von lyrischen Einlagen unterbrochen, nämlich dann wenn die Personen über sich selbst und über die gegenwärtige Lage hinausgreifen. (vgl. Klärchenlieder)
Ich möchte nun die Sprache einiger handelnden Figuren näher beschreiben:
Die Volksszenen:
Die Sprache errinnert noch an Goethes Sturm und Drang Zeit. Sie ist sehr ist sehr offen teilweise rüde und mit Kraftausdrücken bestückt. Ganz im Gegenteil dazu stehen die
Hofszenen:
Die Sprache hier ist sehr vornehm und der Zeit angepaßt, man drückt sich gewählt und sehr überhöht aus.
Egmont:
Seine Sprache mit ihren starken Gefühlsakzenten und ihrer Neigung zu freien Schweifen verrät deutlich den Phantasiemenschen, der an einer idealen Welt baut, in der allein er atmen kann. Ganz im Gegenteil dazu steht die eines Oranien:
Oranien:
In seiner Rede ist immer etwas Lauerndes, Ausholendes, das jedoch mit den zarten Tönen menschlicher Teilnahme gemischt ist.
Alba:
Der eher wortkarge, arglistige Mann versteht es in seine Sprache immer wieder den Hohn und die Menschenverachtung durchklingen zu lassen. Auch seine Sprache verkörpert im gewissen Sinne den Absolutismus.
Klärchen:
Ihre Sprache ist voll neckischer Munterheit, die am Ende zu einem mächtigen Pathos wird. Doch immer bleibt ihre Sprache anschaulich-bildlich und bei aller Gehobenheit volkstümlich in schönsten Sinne.
Macchiavell:
Er weiß es seine wahre Meinung hinter höfisch, geschmeidig, glatten Wendungen zu verbergen, um dann wieder die ruhigen Töne eines erfahrenen Ratgebers anzuschlagen.
DEUTUNG:
Das Drama ist ein Beispiel von der Tragödie eines großen Mannes und eines sterbenden Volkes.
Die Intention Goethes ist:
"Es ist weder ein historisches Drama sondern ein Gleichnis eines übergeschichtlichen, überzeitlichen Vorgangs."
Meiner Meinung nach will er die ein Weltverhältnis spiegeln und menschliche Zustände schildern, deswegen verkörpern Alba und Egmont genauso geschichtliche Charaktere, als auch allgemein gültige Lebensformen
Egmont ist eine Führernatur, die von allen geliebt wird. Das Volk ist auf ihn angewiesen und will keinen anderen.
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