Das epische Theater bewirkt die kritische Reflexion des Zuschauers, etwa durch handlungsfremde Elemente, z.B. kommentierende Songs. Der Zuschauer wird dabei in bewußte Distanz zum Dargestellten gebracht. Betont wird der Unterschied zwischen "realer Welt" und "Welt der Bühne". Deutlich wird somit, daß es sich um kein Illusionstheater ("bürgerliches Theater") handelt, sondern um eine parabelhafte Lehre. Typisch ist in diesem Sinne das offene Ende der Stücke Brechts. Das Theater soll dem Zuschauer Erkenntnisse vermitteln, aus denen er Lösungen für sein gesellschaftliches Handeln gewinnen kann.
Der Unterschied zwischen dem "bürgerlichen" und dem epischen Theater liegt im wesentlichen darin, daß der Protagonist im epischen Theater weniger durch den eigenen Charakter geprägt ist, als vielmehr durch das "Milieu", das soziale Umfeld. Der Mensch ist ein Produkt seiner sozialen Umwelt. Ist diese, nach der materialistischen Geschichtsauffassung von Marx, veränderbar, so ist es der Mensch auch.
Da das epische Theater "realistisch" ist, den Zuschauer belehren kann, kann es zum Instrument gesellschaftlicher Veränderungen werden. Denn: der Zuschauer kann die vom Stück vermittelten Erkenntnisse umsetzen.
Durch Verfremdung ("als Methode, zur Erkenntnis zur gelangen" - Herausstreichen von Gegensätzen) und Historisierung (Gegenüberstellung zweier Zeiten) zeigt das epische Theater ein Modell der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Dadurch werden Erkenntnis und damit auch Veränderung der gesellschaftlichen Wirklichkeit ermöglicht. Das Drama fungiert als Erkenntnismodell der gesellschaftlichen Wirklichkeit.
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