In der Kurzgeschichte "William Wilson" von Edgar Allan Poe geht es um das menschliche Gewissen, das uns in der Gestalt des Doppelgängers des Titelheldens begegnet. Es versucht, mit Erfolg, alle Sünden Wilsons zu Nichte zu machen.
Das Gewissen, in der Gestalt des Doppelgängers, zwingt den Titelhelden nach einer Sünde durch das Flüstern seines Namens "William Wilson" ihn immer wieder auf den "Boden der Tatsachen und versucht ihn des weiteren daran zu erinnern, wer er ist.
Die Sünden die Wilson begeht, sind die biblischen Todsünden: Wollust, Maßlosigkeit, Trägheit, Völlerei, Neid, Habgier und Rache.
Hierzu führt Poe (Edgar Allan Poe "William Wilson" aus "Der Untergang des Hauses Usher" 1999, S. 128)
"Konnte er nur einen Augenblick annehmen, daß in dem Warner aus Eton - in dem Zerstörer meiner Ehre zu Oxford - in ihm, der in Rom meine hochfliegenden Pläne, in Paris meine Rachegelüste, in Neapel meine leidenschaftliche Liebe vereitelte und in Ägypten ein Vorhaben störte, daß er fälschlicherweise meiner Habgier zuschrieb - , daß ich in diesem Erbfeind und bösen Geist dem William Wilson meiner Schuljahre nicht wiedererkennen würde - [...].
Edgar Allan Poe erwähnt hier schon vier der sieben Todsünden.
Die "Zerstörung der Ehre" oder besser gesagt sein Kartenspiel, mit dem er seine Einnahmen noch erhöhen will, sind eindeutig, in Zusammenhang mit seiner Trunkenheit zu Oxford, seiner Maßlosigkeit zu zuordnen.
Eine weitere Sünde ist die Wollust, die sein Doppelgänger in Neapel verhindert.
Das nur William Wilson selbst diese Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem Doppelgänger auffällt, läßt nur den Schluß zu, daß der Doppelgänger eine Art Gewissen sein muß. In gleicher Gestalt versucht er William den richtigen Lebensweg zu offenbaren.
Man kann auch davon ausgehen, dass andere Menschen Wilsons Doppelgänger wahrscheinlich gar nicht sehen können und Wilson selber eine zwiegespaltene Persönlichkeit ist.
Hierzu führt Poe (Edgar Allan Poe "William Wilson" aus "Der Untergang des Hauses Usher" 1999, S. 130f) aus:
Es war Wilson; aber seine Sprache war kein Flüstern mehr, und ich hätte mir einbilden können, ich selber sei es, der da sagte: ,Du hast gesiegt, und ich unterliege. Dennoch, von nun an bist auch du tot - tot für die Welt, den Himmel und die Hoffnung! In mir lebst du - und nun ich sterbe, sieh hier im Bilde, das dein eigens ist, wie du dich selbst ermordet hast.'
William Wilson ist also eine zwiegespaltene Persönlichkeit "In mir lebst du - [...]" sagt diese ganz deutlich aus. William hat eine zweite Identität, den moralistischen William, der versucht den sündhaften vor der Sünde zu bewahren.
Edgar Allan Poe wollte uns mit seiner Kurzgeschichte "William Wilson" aufzeigen, dass wir sowohl gute als auch böse Seite haben. Dabei "[...] verwandte [sie!]das Thema des Doppel-Ich, bevor der Terminus Persönlichkeitsspaltung erfunden wurde\" (vgl.Edgar Allan Poe "Die Maske des Roten Todes" Klappentext von Philip Van Doren Stern 1999).
Auch, behauptet Poe (vgl. "William Wilson" aus "Der Untergang des Hauses Usher" 1999, S.131), gehören das Gute und das Böse unweigerlich zusammen: Stirbt das Gute, so stirbt zwangsläufig auch das Böse, weil sie nur zusammen existieren können. Das eine nährt sich vom anderen und umgekehrt.
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