Niels Bohr (1885 - 1963, Nobelpreis 1922) hat 1913 versucht, die Mängel des Rutherfordschen Atommodells durch die Hinzunahme von sogenannten Quantisierungsbedingungen zu beheben: Ohne tiefere Begründung und in bewußtem Gegensatz zur klassischen Physik verlangte er, daß nur gewisse Bahnradien zulässig sein sollten, sodaß sich auch nur ganz bestimmte Energieniveaus der Atomelektronen ergeben. Auf diesen ausgezeichneten Bahnen sollte das Elektron den Kern umlaufen können, ohne zu strahlen. Trotz wesentlicher Erfolge blieb aber dieses Modell letztlich unbefriedigend, weil für die Quantisierung der Energie kein Grund angegeben werden konnte und Widersprüche zur Erfahrung bestehen bleiben. Das Wasserstoffatom bleibt auch in diesem Modell ein Scheibchen.
Die Entdeckung, daß das Atom aus einem Kern und einer für die Größe des Atoms maßgebenden Elektronenhülle besteht, war ein entscheidender Fortschritt. Die Frage aber, wie der Kern und die Elektronen zu einem System zusammengefügt sind, wie also das Atom aufgebaut ist, blieb weiterhin ein ungelöstes Rätsel.
Durch das Quantenmodell des Lichtes wurden somit zwei für die klassische Physik unlösbare Probleme aufgeworfen: Die klassische Mechanik konnte die Beugung von Lichtquanten nicht verständlich machen. Sie konnte ebensowenig die mit Hilfe des Quantenmodells aus den Linienspektren folgende Quantisierung der Energie im Atom erklären und somit auch das Verhalten von Elek tronen im Atom nicht verständlich machen. Sie versagte also in beiden Fällen bei der Beschreibung des Verhaltens kleinster Teilchen.
Wir haben erkannt, daß das Wellenmodell des Lichtes mit dem Quantenmodell nur dann verträglich sein kann, wenn für die Lichtquanten eine neue Mechanik gilt. Das Versagen der klassischen Mechanik bei der Erklärung des Atombaues zeigte, daß auch andere Teilchen (die Elektronen) nicht der klassischen Mechanik folgen, daß also offenbar alle diese kleinsten Teilchen nur mit einer neuen Mechanik richtig beschrieben werden können.
Die Entwicklung dieser sogenannten Quantenmechanik gelang 1925 Werner Heisenberg und 1926 Erwin Schrödinger unabhängig voneinander auf zwei ganz verschiedenen Wegen. Sie ist die unerläßliche Grundlage für jedes tiefere Verständnis im Bereich der Atom- und Teilchenphysik. Die Entwicklung der Quantenmechanik kann daher ohne Übertreibung als der bedeutendste Fortschritt der Physik in diesem Jahrhundert bezeichnet werden.
Das Bohr-Atommodell hat sich bei der Beschreibung folgender Erfahrungstatsachen gut bewährt:
1. Der aus dem Modell sich ergebende Durchmesser des Wasserstoffatoms stimmt in der Größenordnung mit den Meßergebnissen aus klassischen Versuchen überein.
2. Die Spektren des Wasserstoffatoms und der wasserstoffähnlichen Ionen können in Übereinstimmung mit der Erfahrung berechnet werden.
3. Die berechneten Ionisierungsenergien stimmen mit den gemessenen Werten überein.
4. Die RYDBERG-Konstante kann aufgrund des BOHR-Modells mit anderen bekannten Naturkonstanten verknüpft werden, und aus dieser Verknüpfung kann ihr Wert in Übereinstimmung mit den Meßergebnissen berechnet werden.
Leider weist das Bohr-Atommodell aber auch eine Reihe von Unzulänglichkeiten auf, von denen hier einige genannt werden sollen:
1. Es ist mit Hilfe des Bohr-Atommodells nicht möglich, die Spektren von Atomen, bei denen sich in der Hülle zwei oder mehr Elektronen befinden, richtig zu berechnen.
2. Die Erfahrung zeigt, daß die zunächst einheitlich erscheinenden Spektrallinien der Atome mit Hilfe von stark auflösenden Spektralapparaten in mehrere eng benachbarte Linien, die selbst noch eine gewisse, allerdings sehr kleine Breite haben, aufgelöst werden können. Man bezeichnet diese Erscheinung als die Feinstruktur der Spektrallinien. Hierfür kann das Bohr-Atommodell keine Erklärung geben.
3. Bohr konnte für die von ihm aufgestellte Quantenbedingung keine zwingende Begründung geben. Diese Tatsache muß zum mindesten als unbefriedigend betrachtet werden.
Aus den hier dargelegten und einigen weiteren Gründen sahen sich die Physiker veranlaßt, ein Modell für die Atomhüllen zu entwickeln, das umfassender als das Bohr-Modell ist und das auch die von diesem Modell nicht erhaltenen Erfahrungen zu beschreiben erlaubt. Einen ersten Schritt in dieser Richtung hat der Physiker A. SOMMERFELD (1868 - 1951) getan.
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